Marat Musin (MM): Was genau ist am 25. und 26. Mai in Ihrem Heimatdorf Taldou vor sich gegangen, was haben Sie selbst gesehen?
Frau aus Taldou: Ich bin in Taldou geboren und lebe bis heute hier. Am ersten Tag der Ereignisse, am Freitag, haben sie die Kontrollpunkte der Armee am Rande der Stadt angegriffen. Die Armee erwiderte das Feuer und hat den Mann, welcher sie mit dem Granatwerfer unter Beschuss nahm, am Bein verwundet. Die Banditen nahmen ihn in ihr Feldlazarett mit und jetzt ist er wieder gesund und munter. Er heißt Said Fayez Talha Al-Iksh. Bei uns in Taldou lebt seine Familie, die Al-Talhas.
Noch vor dem Überfall am 25. Mai haben sie (die Unterstützer der Banditen – ANNA) uns angekündigt, dass bald die Stunde X kommt. Das haben wir von den hiesigen Banditen gehört. Sie redeten ständig davon, dass sie viel Lärm darum machen müssen. Aber ich habe nicht erwartet, dass es auf so etwas hinausläuft. Vorher haben sie ständig die Kontrollpunkte der Armee beschossen, jeden Freitag nach dem Gebet. Der Beschuss dauerte ein paar Stunden, danach gingen sie in ihre Orte zurück. Manche der Kämpfer haben Kameras, und damit filmten sie ständig alles, was vor sich ging. Sie hatten auch Funktelefone (Trunking-Telefone – ANNA) und wir haben in unserem Haus ständig ihre Telefongespräche gehört.
Als am Freitag, dem 25. Mai, nach dem Gebet gegen 14 Uhr der Kontrollpunkt beschossen wurde, hat die Armee das Feuer erwidert. Eine zweite Gruppe der Banditen, angeführt von Nidal Bakkur sowie eine weitere Gruppe sammelten sich derweil zu einem Angriff auf den zweiten Kontrollposten, der sich auf einem Hügel befindet. Die zweite Gruppe bestand aus Leuten vom Al-Hallaka-Clan, der bei uns unter dem Namen Al-Hassan bekannt ist. Sie haben beabsichtigt, den oberen und den zweiten, unteren Kontrollpunkt zu besetzen, der sich innerhalb des Dorfes befand. Den oberen brauchten sie, weil sie von dort aus auch den zweiten kontrollieren konnten. Nidal Bakkur telefonierte mit jemandem und bat darum, eine Gruppe von fremden Kämpfern zur Unterstützung zu schicken. Er telefonierte noch, als das alles begann. Als die Kämpfer den Kontrollposten überfielen, hatten sie schon 25 Mann verloren.
MM: Woher wissen Sie denn so genau, wie viele von den Kämpfern umgekommen sind?
Antwort: Als die UN-Beobachter eintrafen, haben die Banditen ihre Opfer gesammelt und den UN-Leuten präsentiert und gesagt, das seien friedliche Zivilisten, welche von der Armee umgebracht worden sind. Ich habe das selbst von ihnen gehört, als sie mit den Beobachtern sprachen, das seien die Leichen von Zivilisten, die sie in den Häusern gefunden hätten.Gegen 15.30 Uhr haben sie den oberen Kontrollposten erobert. Einem der Soldaten von diesem Kontrollpunkt schnitten sie die Kehle durch und warfen ihn aus einem Fenster im 2. Stock. Bevor er umgebracht wurde, sagte er: Ich bin aus Kafar Batna (ein Vorort von Damaskus – ANNA), ich bin genau so ein Sunnit wie ihr. Sie antworteten: Du hast dich erst jetzt daran erinnert, dass Du ein Sunnit bist.
Zwei Soldaten nahmen sie gefangen. Einer von beiden hieß Abdullah, er war von den Shaui-Beduinen aus Dair az-Zaur. Ihn haben sie bei lebendigem Leibe verbrannt. Ich selbst habe das nicht gesehen, aber alle herum schrieen, dass sie einen Soldaten verbrennen. Das war gegen 18 Uhr. Was mit dem zweiten Soldaten geschah, weiß ich nicht. Aber einer der Banditen, sein Name ist Ikram Al-Saleh, sagte: Wir bringen ihn nicht um, sondern wir zeigen ihn morgen als einen, der zu uns übergelaufen ist.
Kurz darauf eroberten sie auch den Kontrollpunkt und die Polizeistation in der Stadt. Gegenüber dieser Polizeistation sind die Häuser der ausgelöschten Familien, wo man auch die ganzen Kinder umgebracht hat. Sie haben alle Kinder aus dem Al-Saed-Clan umgebracht. Alles in allem drei Familien und 20 Kinder. Auch haben sie alle Leute aus der Familie Abdur-Razak getötet, insgesamt 10 Leute. Sie wurden umgebracht, weil sie alle der Regierung gegenüber loyal waren. Aus dem Al-Saed-Clan wurde die Familie des Bruders von Abdullah Al-Mashlab, dem drittwichtigsten Mann im syrischen Parlament, komplett ausgelöscht. Er selbst starb am 24., und am folgenden Tag, dem 25., wurde die gesamte Familie seines Bruders ermordet: der Bruder selbst, seine Frau und drei Kinder.
Um 19 Uhr kam der Chef der Al-Farouq-Brigade der „Freien Syrischen Armee“, Abdul Rasak Tlas. Mit ihm kamen mehr als 250 Kämpfer aus Ar-Rastan. Dabei waren noch zwei weitere Gruppen, eine aus dem Dorf Akraba unter der Führung von Yakha Al-Yousef und eine Gruppe aus dem Ort Farlaha. Während des Überfalls auf den Kontrollpunkt hat Nidal Bakkur einen der Kämpfer gebeten, sich bei der Moschee zu positionieren und ein paar Schüsse aus dem Granatwerfer in Richtung der Armee zu feuern, um diese so zu einer Erwiderung des Feuers zu provozieren, so dass die Moschee getroffen würde. Tatsächlich hat die Armee aus einem Patrouillenfahrzeug zurück geschossen und auch die Moschee getroffen. Nachdem sie den Kontrollposten erobert hatten, schafften sie ihre eigenen Toten und auch die der von ihnen umgebrachten Leute und deren Kinder in die Moschee. Das bewerkstelligten sie mit ihren KIA-Pickups.
Gegen 20 Uhr am 25. Mai befanden sich die ganzen Leichen bereits in der Moschee. Am nächsten Tag gegen 11 Uhr kamen die UN-Beobachter zu der Moschee. Die Armee hat derweil die Bewohner aus einigen Häusern evakuiert, die sich in der Nähe des Kontrollpostens befanden, und in sicherere Bereiche geschafft. Während des Schusswechsels haben die Kommandeure ihren Kämpfern fortwährend zugerufen, dass diese während ihrer Telefongespräche mit Al-Jazeera und Al-Arabiya unbedingt intensiver schießen sollen.
Zum Einbruch der Nacht hörte der Beschuss auf. Am nächsten Tag, dem Samstag, hörte ich aus ihren Funkgesprächen, dass jemand gesagt hat: ein Teil der Kämpfer soll bis zum Eintreffen der Beobachter die Uniform der syrischen Armee anziehen (um sie für desertierte Soldaten auszugeben – ANNA), die anderen sollen Zivilkleidung tragen, und danach zur Moschee kommen. Sie haben Felder und ein paar Häuser angezündet, um die Armee damit zu beschuldigen, diese habe die Stadt bombardiert.
Die UN-Beobachter habe ich nur von weitem gesehen. Sie waren von den Banditen umringt, welche die Uniform der syrischen Armee trugen, aber auch solche ohne diese Verkleidung. Es waren sehr viele Leute dort und haben das alles beobachtet. Aber es war niemand von den Verwandten der ermordeten, regierungstreuen Familien da. Alle riefen: Wir wollen das Regime stürzen. Dabei waren auch viele Verwandte der Kämpfer.
Die Kämpfer kamen in unser Haus und sagten, wir sollen aus den Häusern herauskommen und wegfahren, da die Stadt jetzt zu einem Kampfschauplatz würde. Wir sind allerdings nirgends hingegangen, aber viele gingen weg. Nachdem die Beobachter eingetroffen sind, haben die Kämpfer sie auch in die leeren Häuser geführt und dahin, wohin sie diese Leute gebracht haben. Den Beobachtern sagten sie, das seien Flüchtlinge.
MM: Wie sehen Ihre Brüder und Eltern diese Ereignisse?
Antwort: Mein Vater ist schon tot, aber ich habe noch meine Mutter, Brüder und Schwestern. Wir sind eigentlich alle einer Meinung.
MM: Gibt es auch in ihrem Dorf Leute, welche ihre Meinung teilen?
Antwort: Ja. Die Mehrheit teilt diese Meinung, sie haben Todesangst vor diesen bewaffneten Kämpfern.
Früher gab es unter ihnen sogar solche, welche zu Demonstrationen für die Regierung gegangen sind und an den Wänden ihrer Häuser Sprüche anbrachten, wie: „Raus mit der Freien Syrischen Armee“, und „Wir verfluchen die Bewohner von Daraa“ (von wo all diese Dinge ausgegangen sind). Die Banditen haben es allerdings jedem, der diese Sprüche schrieb, heimgezahlt.
MM: Welche Beziehungen haben Sie mit den Bewohnern der benachbarten Dörfer und weshalb wurden sie von den bewaffneten Kämpfern angegriffen?
Antwort: Sie haben ihnen niemals geschadet, sie stritten auch nie mit uns, wir hatten immer gute Beziehungen zu ihnen. Ganz im Gegenteil, die Kämpfer der FSA haben sie ständig angegriffen, weil sie zu einer anderen religiösen Gruppe gehören. Es gibt sogar einen Terroristen, der heißt Haysam Al-Hallak, der ein paar Leute aus Nachbardörfern entführt hat und Lösegeld – ein paar Millionen Lira – für sie verlangt hat. Und ein weiterer Kämpfer namens Abu Yassir, der aus einem Nachbardorf Mitarbeiter des staatlichen Elektrizitätsunternehmens entführt hat, weil sie zu einer anderen religiösen Gruppe zählen. Dieser Haysam hat einen der Entführten umgebracht, dem anderen eine Spritze mit Heizöl verpasst. Sie können diesen jetzt im Krankenhaus in Homs finden.
Diese Banditen haben sich in friedlichen Zeiten mit Schmuggeln befasst. An unserem Dorf vorbei führt eine Ölleitung, und sie haben damals einfach ihre Kräne direkt auf das Öl gestellt, darauf hatten sie große Pumpen. Alle im Dorf wussten davon. Größtenteils sind diese Leute einfache Banditen. Kaum einer unter ihnen hat die 8. Klasse geschafft. Sie entführen im Wesentlichen alle, die zu anderen Konfessionen gehören und solche, die Geld haben.
In unserem Dorf lebte eine Frau, die aus dem Libanon stammt. Sie lebte mit ihren drei Kindern bei uns im Dorf, hat als Putzfrau auf der Polizeistation gearbeitet. Sie wurde entführt, vergewaltigt und dann gehenkt. Man warf sie dann einfach auf das Feld, wo ihr Leichnam von Hunden zerfressen wurde. Das war ein schreckliches Bild, sie war vollkommen nackt.
Man kann diese Menschen nicht Moslems oder Araber nennen, das sind Tiere. Es gab noch einen Fall, als sie verschiedene staatliche Einrichtungen und die Verwaltung besetzt hatten. Sie zündeten alles nacheinander an, ließen die Kinder nicht zur Schule. Da gab es vier aus der Familie Al-Abbara und einen aus der Familie Al-Yusifa, der hatte AIDS und ist heute schon tot. Sie haben eine Frau aus dem Nayla-Clan vergewaltigt und sie mit der Krankheit angesteckt. Sie hatte damals ein drei Monate altes Kind. Nach der Vergewaltigung hat sie es weiter gestillt, und das Kind ist gestorben.
Es gab auch solche Fälle zu Beginn der Unruhen, als Krankenhäuser überfallen und die Blutkonserven gestohlen wurden, die wurden dann bei den Demonstrationen eingesetzt. Man goss dieses Blut über die Gesichter von vermeintlichen Opfern oder über „Verletzte“, um so eine Show für Al-Jazeera und Al-Arabiya zu inszenieren.
Wir sind normale, friedliche Leute und wollen, dass wieder Frieden in unseren Dörfern und in unseren Häusern einkehrt. Wir wollen keine Einmischung von Außen, wir wollen Frieden.
Quelle: http://apxwn.blogspot.de/2012/05/der-gewohnliche-faschismus-der.html#more
http://anna-news.info/node/6312
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