Die Fernsehjournalistin Micheline Azer hat es in Syrien mit einer
einzigen Reportage zur Berühmtheit gebracht. Die junge, schöne
Journalistin vom regimenahen TV-Sender Addunia berichtete aus Daraja,
einem Vorort von Damaskus, wo am Samstag ein Massaker stattgefunden hatte.
Der Bericht zeigt sie in blauer Schutzweste in den Straßen von Daraja,
in denen immer wieder Leichen zu sehen sind. Für besonderen Aufruhr
sorgte eine Szene, in der sie einem verängstigten Kind, das neben einer
Leiche kauert, ihr Mikrofon vorhält und fragt: "Wer ist das neben dir?" -
"Mama".
Seit diesem Bericht läuft die Opposition Sturm. In Internetforen von
Assad-Gegnern wird Azer als "Teufel" bezeichnet und als "Prostituierte
des Regimes". Unverhohlen wird gedroht: "Wir wollen dich nicht nur
umbringen. Wir wollen, dass du unsere Hölle erleiden musst." Nach
Angaben der libanesischen Zeitung "al-Akhbar" soll Azer sich seit Beginn
der Attacken nicht mehr gezeigt haben und jeglichen Kommentar
verweigern.
Der Wutausbruch zeigt, wie sehr sich die Fronten im syrischen Bürgerkrieg inzwischen verhärtet haben. Ein Bericht, der Szenen enthält, die wohl auch in westlichen Medien hätten laufen können, könnte für die Reporterin das Todesurteil bedeuten, sollte sie in die Hand von Rebellen fallen.
"Fingernägel, so rot wie das Blut der Märtyrer"
Es braucht inzwischen immer weniger, um als Gegner der Aufständischen zu gelten und mit dem Tod bestraft werden zu können. Die Ausweitung des Schabiha-Begriffs illustriert die Eskalation: Einst bezeichnete das Wort kriminelle Banden aus der Küstenregion, die mit dem Regime verbündet waren. Dann wurde der Begriff auf bewaffnete Unterstützer des Regimes ausgeweitet. Inzwischen wird jeder, der auf Assads Seite steht, als Schabiha-Mitglied bezeichnet.
In der Facebook-Gruppe "Wir wollen, dass Michelle Azer vor Gericht gestellt wird", heißt es, sie sei ein Schabiha-Mitglied mit "lackierten Fingernägeln, so rot wie das Blut der Märtyrer". Eine Karikatur zeigt sie als blutrünstige Hexe, die das Kind mit ihrem Mikrofon bedroht. Im Hintergrund stehen Assad-Soldaten.
In den vergangenen Monaten wurden in von Rebellen kontrollierten Gegenden Menschen immer wieder zu Haft oder zum Tode verurteilt, weil sie als Schabiha galten. Auch mehrere syrische Journalisten von regimenahen Medien wurden ermordet, ebenso wie ein als regimenah geltender Filmemacher. Das brutale Vorgehen gegen Andersdenkende erinnert an das Assad-Regime. Damaskus verfolgt seit Jahrzehnten jeden mit aller Härte, den es als Oppositionellen einstuft. Erst vergangene Woche verschwand der regimekritische Filmemacher Orwa Nyrabia am Flughafen von Damaskus, als er nach Kairo einchecken wollte.
Es ist wohl weniger die pietätlose Berichterstattung als ihre offensichtliche Parteinahme, die Micheline Azer den Hass der Opposition eingebracht hat. Ihre Reportage eröffnet sie mit den Worten: "Die Terroristen haben wieder gezeigt, was sie am besten beherrschen. Verbrechen, Morde - und das alles im Namen der Freiheit."
Das Dilemma der Reporter, die "embedded" sind
Azer war für ihre Reportage zusammen mit Assad-Soldaten in Daraja, ebenso wie der renommierte britische Journalist Robert Fisk. Auf den Bildern sind die Soldaten manchmal direkt neben Azer zu erkennen, während sie Zivilisten befragt. Eine unabhängige Berichterstattung ist so kaum zu gewährleisten.
Fisk gelingt es immerhin gelegentlich, seinen Aufpassern zu entkommen und unbeobachtet mit Augenzeugen zu sprechen.Die
Aussagen, die er notiert, sind widersprüchlich. Die syrischen Soldaten
sind einmarschiert - aber die ersten Leichen lagen schon vorher in den
Straßen. Von einem Postangestellten erzählt man ihm, der offenbar von
Rebellen ermordet wurde - weil er in Diensten des Staats stand. Sein
Fazit: "Die Dimension dieser Gräueltaten war größer, als wir vermutet
hatten."
Einem Mitarbeiter der "New York Times", der am Sonntag in Daraja war,
sagten Anwohner hingegen, Assad-Schergen hätten die Zivilisten
umgebracht. Ob der "New York Times"-Reporter jedoch möglicherweise
"embedded" mit Rebellenkämpfer zusammen in dem Vorort war, ist unklar.
..."
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/krieg-in-syrien-morddrohungen-gegen-journalistin-a-852973.html
Der Wutausbruch zeigt, wie sehr sich die Fronten im syrischen Bürgerkrieg inzwischen verhärtet haben. Ein Bericht, der Szenen enthält, die wohl auch in westlichen Medien hätten laufen können, könnte für die Reporterin das Todesurteil bedeuten, sollte sie in die Hand von Rebellen fallen.
"Fingernägel, so rot wie das Blut der Märtyrer"
Es braucht inzwischen immer weniger, um als Gegner der Aufständischen zu gelten und mit dem Tod bestraft werden zu können. Die Ausweitung des Schabiha-Begriffs illustriert die Eskalation: Einst bezeichnete das Wort kriminelle Banden aus der Küstenregion, die mit dem Regime verbündet waren. Dann wurde der Begriff auf bewaffnete Unterstützer des Regimes ausgeweitet. Inzwischen wird jeder, der auf Assads Seite steht, als Schabiha-Mitglied bezeichnet.
In der Facebook-Gruppe "Wir wollen, dass Michelle Azer vor Gericht gestellt wird", heißt es, sie sei ein Schabiha-Mitglied mit "lackierten Fingernägeln, so rot wie das Blut der Märtyrer". Eine Karikatur zeigt sie als blutrünstige Hexe, die das Kind mit ihrem Mikrofon bedroht. Im Hintergrund stehen Assad-Soldaten.
In den vergangenen Monaten wurden in von Rebellen kontrollierten Gegenden Menschen immer wieder zu Haft oder zum Tode verurteilt, weil sie als Schabiha galten. Auch mehrere syrische Journalisten von regimenahen Medien wurden ermordet, ebenso wie ein als regimenah geltender Filmemacher. Das brutale Vorgehen gegen Andersdenkende erinnert an das Assad-Regime. Damaskus verfolgt seit Jahrzehnten jeden mit aller Härte, den es als Oppositionellen einstuft. Erst vergangene Woche verschwand der regimekritische Filmemacher Orwa Nyrabia am Flughafen von Damaskus, als er nach Kairo einchecken wollte.
Es ist wohl weniger die pietätlose Berichterstattung als ihre offensichtliche Parteinahme, die Micheline Azer den Hass der Opposition eingebracht hat. Ihre Reportage eröffnet sie mit den Worten: "Die Terroristen haben wieder gezeigt, was sie am besten beherrschen. Verbrechen, Morde - und das alles im Namen der Freiheit."
Das Dilemma der Reporter, die "embedded" sind
Azer war für ihre Reportage zusammen mit Assad-Soldaten in Daraja, ebenso wie der renommierte britische Journalist Robert Fisk. Auf den Bildern sind die Soldaten manchmal direkt neben Azer zu erkennen, während sie Zivilisten befragt. Eine unabhängige Berichterstattung ist so kaum zu gewährleisten.
..."
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/ausland/krieg-in-syrien-morddrohungen-gegen-journalistin-a-852973.html
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