"Opposition beschuldigt türkische Regierung, Täterschaft von Freier
Syrischer Armee an Anschlägen in Reyhanli und wahre Zahl der Opfer zu
vertuschen
Türkische Oppositionspolitiker erheben im Zusammenhang mit den
Autobombenanschlägen in der Provinz Hatay schwere Vorwürfe gegen die
islamisch-konservative AKP-Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip
Erdogan. Bei den Anschlägen waren am Samstag in der Stadt Reyhanli nahe
der syrischen Grenze nach jüngsten Angaben mindestens 51 Menschen
getötet worden. Die Zeitung der Kommunistischen Partei der Türkei, Sol,
meldete unter Berufung auf Krankenhausmitarbeiter in Reyhanli, es habe
über 100 Tote gegeben. Die Regierung vertusche die wahre Zahl der Opfer.
Die AKP-Regierung beschuldigt Mitglieder linksradikaler Gruppen aus der
Türkei, die Anschläge im Auftrag der syrischen Regierung begangen zu
haben. Linke und kemalistische Oppositionspolitiker vermuten dagegen,
daß die Anschläge durch Kräfte der Freien Syrischen Armee (FSA) wie der
Al-Qaida-nahen Al-Nusra-Front begangen wurden, um ein militärisches
Eingreifen der Türkei in den syrischen Bürgerkrieg zu provozieren. »Das
war das Werk einer sehr professionellen Terrororganisation und schaut
wie ein Angriff im Al-Qaida-Stil aus«, meint der Abgeordnete der
kemalistischen Republikanischen Volkspartei (CHP) für Hatay, Mehmet Ali
Ediboglu. »Sie wollen die Türkei in den Krieg ziehen.« Der
CHP-Vorsitzende Kemal Kilicdaroglu bezeichnete Regierungschef Erdogan
während einer Fraktionssitzung am Dienstag als »Hauptschuldigen« an den
Anschlägen, da die AKP-Regierung »Terroristen« bewaffne und nach Syrien
schicke.
»Es ist die Kriegspolitik der AKP-Regierung gegenüber Syrien, die den
Menschen dieses Leid zugefügt hat«, erklärte auch der Demokratische
Kongreß der Völker (HDK). Diese Dachorganisation aus der prokurdischen
Partei für Frieden und Demokratie (BDP), der Partei der Arbeit EMEP und
weiteren sozialistischen Organisationen fordert ein Ende der türkischen
Unterstützung für die FSA. Für Mittwoch abend ruft der HDK dazu auf,
landesweit auf die Straße zu gehen und Kerzen zu entzünden, um so die
Aufklärung der Anschläge anzumahnen.
Die Bevölkerung von Reyhanli sei davon überzeugt, daß die FSA hinter den
Anschlägen steckt und die türkische Regierung die Verantwortung dafür
trage, twitterte der BDP-Abgeordnete Ertugrul Kürkcü am Montag abend aus
der Grenzstadt. Die Bevölkerung befürchte weitere Sabotageaktionen, die
einen Konflikt zwischen der alawitischen Minderheit und den Sunniten in
der Provinz Hatay provozieren.
Solche Meldungen können aufgrund einer vom Gerichtshof in Reyhanli
verhängten Mediensperre in der Türkei nicht verbreitet werden. Der
Fernsehsender NTV löschte bereits Aufnahmen aus Reyhanli von seinem
Onlineauftritt. Oppositionspolitiker beschuldigten die Regierung, durch
diesen von Erdogan ausdrücklich verteidigten Zensurerlaß eine mögliche
Täterschaft syrischer Rebellen vertuschen zu wollen.
Bis Dienstag hatte die Polizei 13 Tatverdächtige festgenommen, die der
Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) und der seit Anfang
der 80er Jahren nicht mehr in Erscheinung getretenen Türkischen
Volksbefreiungspartei-Front (Acilciler) angehören sollen. Die DHKP/C
bestreitet jede Verwicklung in das »Massaker« und erklärte in einer am
Montag verbreiteten Stellungnahme: »Keine revolutionäre Organisation,
die sich marxistisch-leninistisch nennt, kann eine derartige Aktion, die
dem Volk schadet durchführen oder gutheißen.« (Siehe unten) Auch der
seit dem Militärputsch von 1980 in Syrien lebende, von der türkischen
Justiz gesuchte frühere Anführer der Acilciler, Mihrac Ural, wies
jegliche Schuld von sich. Über Soziale Netzwerke erklärte Ural, der in
Syrien eine regimetreue Miliz gegen die aus der Türkei in das Land
eindringenden Dschihadisten kommandiert, am Montag, daß »der Massenmord
in Reyhanli von der selben Hand begangen wurde, die in Damaskus und
Aleppo gemordet hatte«."
Quelle: http://www.jungewelt.de/2013/05-15/047.php
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