"Der Konflikt in Syrien wird in den hiesigen Massenmedien zunehmend als
konfessionelle Auseinandersetzung zwischen Sunniten auf der einen, Schiiten und Alawiten auf der anderen Seite interpretiert. Dabei wird zumeist unterschlagen, dass die
wachsenden religiösen Spannungen in der arabischen Welt auf eine
gezielte Strategie der USA und der mit ihr verbundenen Mächte
zurückgehen, die den eigenen – gegen den Iran gerichteten –
geopolitischen Interessen zweckdienlich erscheint.
Die Vertreter
der „Gruppe der Freunde des syrischen Volkes“, in der sich die führenden
NATO-Mächte sowie arabische Staaten zusammen geschlossen haben, machen
keinen Hehl daraus, dass ein Sturz der Regierung in Damaskus auch -
beziehungsweise sogar in erster Linie - auf die Machthaber in Teheran
abzielt. Schließlich ist der Iran das starke Zentrum der „Achse des
Widerstands“. Als solche bezeichnen Vertreter der Islamischen Republik
das gegen Israel gerichtete Bündnis aus Hisbollah, Syrien und dem Iran.
Zudem sehen die sunnitischen Golfmonarchien ihren Einflussbereich durch
den Iran bedroht und beschwören die Gefahr eines „schiitischen Bogens“,
der bis vor ihre Haustür reicht.
„Fällt Damaskus, dann fällt als nächstes Teheran“
Das
anvisierte Ziel der Schwächung des Irans vereint daher die
NATO-Staaten, Israel und die Golfdiktaturen. Letztlich zählt für sie
nicht, ob in Damaskus Demokraten oder islamische Fundamentalisten an die
Macht kommen werden. Vorrangig ist, wie es die zukünftigen Machthaber
Syriens mit Teheran zu halten gedenken. „Israels strategische
Hauptbedrohung ist der Iran, nicht Syrien“, erklärte vor einer Woche
Sima Shine vom israelischen Ministerium für Strategische
Angelegenheiten. Es zähle vor allem, was dem Iran schade. Daher müsse
das syrische Regime als dessen Verbündeter unbedingt gestürzt werden.
(1) Auch zu dem Preis, dass Al Qaida nahestehende Dschihadisten an die
Macht kommen. Die Achse Syrien-Iran-Hisbollah stelle eine größere
Bedrohung dar als ein solches Szenario, erklärte Israels ehemaliger
Verteidigungsminister Amos Gilad. (2)
Das sieht auch die
Herrscherclique in Riad so. Saudi-Arabien ist neben Katar der größte
Förderer der Rebellen aus dem dschihadistischen und salafistischen
Spektrum in Syrien. Ein saudischer Vertreter erklärte Ende 2011
gegenüber US-Offiziellen: „Der König weiß, dass außer einem
Zusammenbruch der Islamischen Republik selbst, nichts den Iran so
schwächen würde, wie Syrien zu verlieren“. (3)
US-Senator John
McCain, hauptberuflich Kriegstreiber in Sachen Syrien, betonte
ebenfalls, ausschlaggebend für eine Unterstützung der zukünftigen
Machthaber sei nicht deren demokratischer Geist, sondern deren Beziehung
zum Iran. (4) Die von McCain seit Anbeginn des Konfliktes vertretene
Position, die Rebellen massiv aufzurüsten und die Lage in Syrien einer
Eskalation zuzuführen, hat sich mittlerweile in Washington durchsetzen
können. US-Zeitungen berichteten bereits über das Eintreffen moderner
Waffen für die Aufständischen. „Fällt Damaskus, dann fällt als nächstes
Teheran“, frohlockte Stefan Kornelius, Leiter des außenpolitischen
Ressorts der Süddeutschen Zeitung vor Wochen. (5)
„Die
Perspektive der Schwächung des regionalen Einflusses des Irans macht
einen Regimewechsel (in Syrien, Anm. d. Red.) in den Augen mancher
Entscheidungsträger attraktiv“, heißt es in einem im Sommer 2012 für den
US-Kongress erstellten Bericht. (6) „Die Obama Administration und
einige Kongressmitglieder haben bereits die strategische Entscheidung
getroffen, Assads Rücktritt und einen politischen Übergang in Syrien zu
fordern. Während die USA und ihre Verbündeten durch die Schwächung Irans
von einem Regimewechsel in Syrien profitieren könnten, könnte dessen
Anstreben“, so die zaghafte Formulierung im Bericht, „die Bemühungen um
einen Waffenstillstand und um den Schutz der syrischen Zivilisten
erschweren“.
Verhohlen macht der Kongressbericht das Beharren auf
der Forderung eines Regimewechsels mitverantwortlich für das Leid der
Zivilbevölkerung. „Wenn sie ein ehrliches Interesse daran hätten,
Menschenleben zu retten - anstatt Syrien zu neutralisieren, um den Iran
zu schwächen – würden die westlichen Führer ihren Einfluss nutzen, um
mit den regionalen Sponsoren der Rebellen ein politisches Abkommen
auszuhandeln, dass es den Syrern erlaubt, ihre Zukunft selbst zu
bestimmen,“ schreibt der britische Journalist und Buchautor Seumas Milne
über das vom Westen betriebene „zynische Ausbluten Syriens“. (7)
Die Strategie konfessioneller und ethnischer Spannung
Befördert
wird das „zynische Ausbluten“ durch die Instrumentalisierung und das
Schüren religiös-konfessioneller Spannungen. Syrien sei „Irans
Stalingrad“, schreibt Gary C. Gambill für das Foreign Policy Research
Institute. Der der neokonservativen Denkfabrik Middle East Forum
nahestehende US-Analyst setzt dabei ganz auf die Konfessionalisierung
des Konfliktes. Und auf die sich daraus für die Prämisse des
Regimewechsels ergebenden günstigen Zahlenverhältnisse: „Sunnitische
Araber haben einen demographischen 5 zu 1 Vorsprung über die Minderheit
der Alawiten (…), und einen 2 zu 1 Vorsprung über alle syrischen
ethnisch-konfessionellen Minderheiten zusammen.“ (8) US-Präsident Obama
solle die offene Flanke des Irans ausnutzen und auf die stärkere
Konfessionalisierung setzen. Eine Verwicklung des Irans in den syrischen
Konflikt anhand religiöser Spaltungslinien sei begrüßenswert, da die
Mobilisierung arabischer Schiiten durch den Iran nicht schritthalten
können werde mit dem „wachsenden Einströmen sunnitischer Islamisten aus
dem Ausland“, die dann „als Reaktion“ erfolge.
Auch im
mehrheitlich von Schiiten bewohnten Nachbarland Irak soll der Einfluss
des Iran eingedämmt werden. Zu diesem Zweck müsse man sich mit einem
„perversen“ Gedanken anfreunden, meint John Arquilla, einer der
führenden Terrorexperten der USA mit engen Kontakten zum Pentagon. Und
zwar gelte es, im Irak dasselbe Ziel wie Al Qaida zu verfolgen und die
dortigen Sunniten zu unterstützen, die den Schiiten „Widerstand
leisten“. Schließlich verfolge man ja bereits in Syrien dasselbe Ziel
wie Al Qaida, und russische geostrategische Ambitionen im Irak würden
damit auch durchkreuzt, so Arquilla vergangene Woche. (9)
Dschihad gegen die „Achse des Widerstands“
Der
Nutzen einer Ausweitung des Konfliktes zwischen Sunniten und Schiiten
zur Schwächung der „Achse des Widerstands“ liegt auf der Hand. Noch vor
fünf Jahren konnten sich deren Vertreter in der arabischen Welt größter
Beliebtheit erfreuen. Baschar Al-Assad galt 2008 als der
zweitbeliebteste Politiker in der arabischen Welt, gefolgt von Irans
Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad. An erster Stelle stand
Hisbollah-Anführer Hassan Nasrallah. (10) Ein Jahr später kletterte
Assad laut einer anderen Umfrage sogar auf Platz Eins der
Beliebtheitsskala. (11)
Zur Erleichterung der
Sicherheitsstrategen in Washington und Tel Aviv hat, wie eine von Zogby
Research Services durchgeführte Umfrage verdeutlicht, die Zustimmung für
die erklärten Gegner Israels in der arabischen Welt rapide abgenommen.
So seien die Sympathiewerte für den Iran von 75 Prozent im Jahr 2006 auf
unter 25 Prozent im Jahr 2012 gefallen. Vor allem in Saudi-Arabien sei
der Absturz von 85 auf 15 Prozent dramatisch. (12) Habe der Ruf des Iran
bereits aufgrund der Unterdrückung der Proteste im Zuge der
Präsidentschaftswahlen 2009 gelitten, so sei Syrien zum „Sargnagel für
Irans Ansehen in der Region“ geworden, so das Institut. (13)
Maßgeblich
verantwortlich für diesen Sinkflug im Ansehen in der
sunnitisch-arabischen Welt ist die Syrien-Berichterstattung der von
Katar respektive den Vereinigten Arabischen Emiraten betriebenen
Fernsehsender Al-Jazeera und Al-Arabiya. Seit nunmehr
zwei Jahren können sich dort radikale Prediger austoben und gegen
„ungläubige“ Alawiten und Schiiten agitieren. Weiteres Öl ins Feuer goss
Anfang Juni Al-Jazeeras TV-Prediger Sheich Youssef
Al-Qaradawi, Vorsitzender der Internationale Union muslimischer
Gelehrter und den ägyptischen Muslimbrüdern nahe stehend, als er zum
heiligen Krieg gegen die syrische Regierung und deren Unterstützer
aufrief. (14) Die Hisbollah und der Iran seien noch „ungläubiger als die
Juden und Christen“, tönte er. (15) Die Hisbollah sei eine „Partei
Satans“. Der Scheich verweist auf die demographische Unterlegenheit der
Schiiten: „Wie können einhundert Millionen Schiiten 1,7 Milliarden
Sunniten bezwingen?“. (16)
Für seinen Aufruf zum Dschihad erhielt
Al-Qaradawi trotz aller Rivalitäten zwischen dem saudischen
Herrscherhaus und den von Katar finanzierten Muslimbrüdern prompt die
öffentliche Zustimmung von Saudi-Arabiens Obermufti Scheich Abdelaziz Al
Al Shaikh. (17) In der islamischen Welt ist Al-Qaradawi für seine
Hasspredigten berüchtigt. Bereits vor knapp zehn Jahren forderten 2500
muslimische Intellektuelle aus 23 Ländern in einer Petition an die UNO,
den Gebrauch der Religion zur Entfachung von Gewalt zu ächten. Darin
wird Al-Qaradawi explizit als einer jener „Scheichs des Todes“
angeführt, die „Terror einen religiösen Deckmantel verleihen“. (18)
Auch
in seinem Heimatland Ägypten hallt der Ruf zum Dschihad durch die
Moscheen. „Gott breche Assad und seinen Unterstützern das Rückgrat“,
ereifert sich Salah Sultan, Generalsekretär des ägyptischen Obersten
Gerichtshof für Islamische Angelegenheiten, in einer Kairoer Moschee vor
einem Monat. „Gott breche der Hisbollah den Rücken, der Partei Satans.
Gott breche dem Iran den Rücken." (19) In den (sunnitischen) Moscheen
Bahrains ist der Aufruf zum heiligen Krieg in Syrien ebenfalls
allgegenwärtig. Über 1600 Dschihadisten habe man bereits allein in der
kleinen Golfmonarchie für den Kampf in Syrien angeworben, verkündete
stolz der salafistische Priester Scheich Faisal Al-Ghurair. (20) Die zum
konfessionellen Hass anstachelnden Prediger inszenieren sich dabei
stets in der Rolle der von den Schiiten Verfolgten, die sie gar einer
„Verschwörung gegen den Islam“ bezichtigen. (21) „Wir wissen jetzt, was
die Iraner wollen. Sie wollen weitere Massaker, um die Sunniten zu
töten“, behauptet Al-Qaradiwi. (22)
Doch nicht der Iran, sondern die sunnitisch dominierten Golfstaaten forcieren das religiöse Sektierertum, schreibt selbst Foreign Policy,
das Magazin der einflussreichen US-Denkfabrik Council of Foreign
Relations. Teheran fokussiere sich in seiner Rhetorik auf die
„Widerstands“-Identität. Mit dem Ausschalten der strategischen Rivalen
in Afghanistan und im Irak durch die USA, und dem militärischen Sieg der
Hisbollah über Israel 2006, habe sich der Einfluss Irans stark
vergrößert. „Von Teherans Perspektive aus betrachtet, ist es umso
besser, je stärker der arabische Fokus auf den 'Widerstand' gerichtet
ist, und je weniger der Schiismus diskutiert wird. Das gilt selbst für
die schiitischen Gemeinden, die den Iran unterstützen“. (23)
Vertreter
der Islamischen Republik und schiitische Geistliche widersetzen sich
der sektiererischen Rhetorik und betonen die Gemeinsamkeiten der „beiden
Flügel des Islam”. „Die USA und das israelische Besatzungsregime sind
die einzigen Parteien, die einen Vorteil aus dem Zerwürfnis der
verschiedenen islamischen Konfessionen ziehen”, erklärte Irans
Verteidigungsminister Ahmad Vahidi vergangene Woche. (24)
Interreligiöser Hass als „einmalige Gelegenheit“
Eine
vor zwei Monaten vom Brookings Institut in den USA veröffentlichte
Studie gibt dem iranischen Minister Recht. Der Konflikt zwischen
Schiiten und Sunniten dränge demnach den „umfassenderen Konflikt
zwischen Muslimen und dem Westen“ immer stärker in den Hintergrund. „Der
sektiererische Konflikt wird wahrscheinlich die Besatzung Palästinas
als den zentralen mobilisierenden Faktor im arabischen politischen Leben
ablösen“, heißt es in der US-Studie. (25) Es lasse sich ein offener
Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten beobachten, „der die arabische
und muslimische Welt zerreißt,“ erklärte der ehemalige Mossad-Chef Meir
Dagan vor zwei Wochen. „Das eröffnet einmalige Gelegenheiten für Israel,
verschiedene Allianzen anzustreben und unsere Präsenz im Nahen Osten zu
bestätigen.“ (26)
Die „einmaligen Gelegenheiten” wurden allerdings gezielt von den USA und ihren Verbündeten herbeigeführt, wusste der Guardian bereits
im Dezember 2011 zu berichten. Die Operation zum Sturz Assads wurde
demnach lange vor dem Arabischen Frühling eingeleitet. Nachdem Israel
2006 nicht in der Lage war, die Hisbollah im Krieg gegen den Libanon
entscheidend zu schwächen, wurde Syrien als „verwundbarer Korridor
zwischen der Hisbollah und dem Iran“, und somit als „Achillesferse“ der
Hisbollah identifiziert. (27) „Während die US-Vertreter spekulierten,
wie sich dieser lebenswichtige Korridor schließen lasse, war es der
saudische Prinz Bandar, der sie mit der Aussage überraschte, die Lösung
liege darin, sich islamischer Kräfte zu bedienen”, so die britische
Zeitung. Katar und sein Sender Al-Jazeera hätten dabei eine
Schlüsellrolle gespielt. „Was für eine seltsame Welt: Europa und die USA
meinen, es sei gerechtfertigt, jene Islamisten (einschließlich Al
Qaida) zu benutzen, die absolut nicht an die westliche Demokratie
glauben, um die Demokratie (in Syrien, Anm. d. Red.) durchzusetzen“,
zeigte sich der Guardian erstaunt. (28)
Washington sieht
„in dem Sektierertum offenbar ein nützliches politisches Mittel um den
Iran einzudämmen, die Hisbollah zu schwächen, und seine Allianz mit den
'moderaten' sunnitischen Diktaturen zu festigen”, stellte Marc Lynch in Foreign Policy
vor einem Monat fest. Der Direktor des Instituts für Nahost-Studien der
George Washington Universität warnt vor den gefährlichen Folgen dieser
Politik. Sie lege den Grundstein für „Pogrome gegen Schiiten in den
mehrheitlich sunnitischen Ländern”, wobei Syrien zur „Frontlinie in
einem sektiererischen kalten Krieg” geworden sei. (29)
Pogromstimmung in Syrien
Ein
Krieg mit ungleich verteilten Rollen, in dem Schiiten vor allem als
Opfer und sunnitische Extremisten als Täter in Erscheinung treten. Ob im
Irak, in Pakistan oder im Libanon, es sind vor allem die Schiiten, die
unter dem „hauptsächlich vom saudischen Regime finanzierten und
angeheizten Religionskrieg“ zu leiden haben. (30)
Wie einseitig
der vermeintlich interkonfessionelle Konflikt in Syrien tatsächlich
verläuft, darüber geben die Zahlen des in den Mainstreammedien
vielzitierten Syrischen Observatorium für Menschenrechte mit Sitz in
London Auskunft. Da das Observatorium der Opposition angehört, stehen
die Angaben nicht im Verdacht, zugunsten der Assad-Regierung manipuliert
worden zu sein.
Von bestätigten 94 000 Toten seien 41000
Angehörige der alawitischen Religionsgemeinschaft, so das Observatorium
Mitte Mai. Dabei stellen Alawiten nur rund zwölf Prozent der
Bevölkerung. (31) Die Zahl verdeutlicht den sektiererischen Charakter
des Aufstands. Das Observatorium veröffentlichte zudem vor einem Monat
Zahlen, die die Behauptung, ein Regime würde Krieg gegen das Volk
führen, als Propaganda entlarvt. Demnach waren von mindestens 96 000
gezählten Toten knapp 25 000 Angehörige der Armee und Sicherheitskräfte.
Hinzu kommen rund 17 000 Mitglieder von Pro-Regierungs-Milizen.
Zusammen stellen sie 43,2 Prozent aller Kriegsopfer und damit die größte
Gruppe. Gefolgt von an den Kämpfen unbeteiligten Zivilisten (36,8
Prozent). Die Aufständischen hatten bis dahin laut den Angaben knapp 17
000 Tote zu beklagen, was 17,3 Prozent entspricht. (32)
Ein Ende
der vom religiösen Fanatismus getriebenen Gewalt ist nicht abzusehen.
„Es gibt gar keine nennenswerten ‘gemäßigten Rebellen‘ mehr“, schreibt
Syrien-Kenner Jürgen Todenhöfer Anfang der Woche im Tagesspiegel.
„Selbst weite Teile der angeblich gemäßigten ‚Freien Syrischen Armee‘
treten mittlerweile für ein ‚islamisches Kalifat‘ ein. Für eine Diktatur
religiöser Fanatiker. (…) Wer Kampfgerät an Rebellen liefert,
unterstützt immer Al Qaida.“ (33) Wie die New York Times vor
Monaten berichtete, gebe es nirgendwo in den von den Rebellen
kontrollierten Gebieten „säkulare Streitkräfte, die der Rede wert
wären“. (34) Dafür sprießen dort Scharia-Gerichte aus dem Boden,
islamische Kalifate werden ausgerufen.
Wo die Islamisten
herrschen, schreitet die Talibanisierung des gesellschaftlichen Lebens
mit großen Schritten voran. Minderjährige werden wegen „Gotteslästerung“
vor den Augen ihrer Eltern hingerichtet (35), sich „unzüchtig“
kleidenden Frauen droht die öffentliche Auspeitschung, christliche
Priester werden geköpft. (36)
„Wir leben in einem Klima von Terror und Unsicherheit“, berichtet ein oppositioneller Aktivist gegenüber Fides,
dem Presseorgan des Päpstlichen Missionswerk. „Es sind Enthauptungen
möglich, denn nach dieser Ideologie muss der Ungläubige enthauptet
werden. Bei anderen, geringeren Vergehen, werden die Schuldigen
amputiert, geschlagen oder ausgepeitscht. Eine Fatwa ist ausreichend,
und jede Misshandlung wird legal, vor allem gegenüber den Minderheiten
wie Christen, Alawiten, Ismaeliten, Schiiten, Drusen, aber auch sogar
gegenüber den Sunniten.“ (37)
Terror mit genozidalen Zügen
„Dann
werden wir den Alawiten die Köpfe abschneiden, weil sie Ungläubige
sind. Und dann machen wir unseren islamischen Staat“, zitiert die Tagesschau die
Antwort eines ausländischen Kämpfers der Al-Nusra-Front auf die Frage,
was geschehe, wenn sie siegen würden. (38) Die sich zu Al Qaida
bekennenden Al-Nusra-Terroristen kontrollieren unter anderem Teile
Aleppos und des Umlands. Unbarmherzig gehen sie gegen die „Ungläubigen“
vor – mit Waffen, die ihnen die „Freunde Syriens“ verschafft haben.
„Hier
belagern wir die Kurdenenklave Afrin, weil die Kurden die schiitischen
Kleinstädte Nubl und Sahra heimlich mit Nachschub versorgen, obwohl wir
seit Monaten versuchen, die Ortschaften abzuschnüren“, erklärt ein
Kämpfer gegenüber einem Reporter des Spiegel, während „Rebellen
Raketen auf die Schiitenenklave Nubl“ abfeuern. (39) „Dort sollen sich
neben lokalen Schiiten-Milizen und Armeeeinheiten auch Hisbollah-Kämpfer
verschanzt haben“, klärt das Magazin seine Leser auf. Eine
Schutzbehauptung, die die aus religiösem Hass begangenen Verbrechen der
Rebellen rechtfertigen soll.
Denn die zusammen rund
fünfzigtausend Einwohner von Nubl und Sahra werden bereits seit fast
einem Jahr von den Aufständischen belagert. Wer sich aus den Orten
herauswagt, auf den lauern Scharfschützen. (40) So gut wie täglich kommt
es zu Angriffen auf die Bewohner, die sich „nicht mehr aus ihren
Häusern wagen“. „Die Geschäfte sind geschlossen, Nahrungsmittel sind
bedrohlich knapp, die Menschen haben mit dem Mangel an Medikamenten zu
kämpfen.“ (41)
Vor dem Hungertod bewahrte sie bislang das
syrische Militär. Täglich starten Hubschrauber mit Hilfsgütern von einer
in der Region gelegenen – und ebenfalls belagerten – Basis, und werfen
ihre Ladung über Nubl und Sahra ab, da der Tiefflug zu riskant ist. Im
Kampf gegen die in Minak gelegene Hubschrauberbasis „wird die Hauptlast
inzwischen von Hunderten tschetschenischen Dschihadisten getragen“,
schreibt der Spiegel. Und fügt Sympathie heischend hinzu, diese
seien „disziplinierter und kriegserfahrener als die Einheimischen“ und
„nehmen auch hohe Verluste in Kauf“. (42)
Die Befreiung der
Hubschrauberbasis und der fünfzigtausend Menschen aus dem Würgegriff der
religiösen Fanatiker ist ein erklärtes Ziel der gegenwärtigen Offensive
der syrischen Armee nördlich von Aleppo. Um deren Vorankommen zu
erschweren, haben die Rebellen Häuser in den Ortschaften, die auf dem
Weg nach Nubl und Minak liegen, mit Sprengfallen präpariert. „Überall
liegen selbstgebastelte Bomben und elektrische Drähte.“ (43) Anfang der
Woche stellten die Belagerer den Einwohnern von Nubl und Sahra ein
Ultimatum: Sollten sie nicht bedingungslos kapitulieren, würde „eine
massive militärische Invasion“ erfolgen. (44)
Verzweifelt wehrt
sich die Bevölkerung der belagerten Städte gegen die islamistischen
Terroristen. Sie fürchten, dasselbe Schicksal zu erleiden wie die
schiitischen Bewohner des Dorfes Hatlah im Osten des Landes. Sechzig
Menschen, darunter Alte und Kinder, wurden vor drei Wochen von den
Rebellen massakriert, die anschließend freigiebig in Videoaufnahmen ihr
Verbrechen bejubelten. „Seht die Schiiten, seht euer Ende, ihr Hunde!",
ruft einer der Mörder. „Hier sind die Kämpfer des Dschihad zu sehen, die
ihren Einzug in die Häuser der ungläubigen Schiiten feiern“, freut sich
ein anderer. (45) Nachdem sie den Ort ihrer Bezeichnung nach
„gesäubert“ hatten, hissten die Männer der Freien Syrischen Armee die
schwarze Fahne mit weißer Schrift – „Es gibt keinen Gott außer Gott“ –
die zum Markenzeichen Al-Qaidas geworden ist. (46)
Neben Alawiten
und Schiiten richtet sich der Terror der Aufständischen vor allem gegen
Christen. Als die Islamisten vor einem Jahr in der an Libanon
grenzenden Stadt Al-Kusair die Kontrolle übernahmen, setzte eine
Terrorwelle gegen die christlichen Einwohner ein, die knapp ein Drittel
der Bevölkerung stellten. Zeugen berichteten, wie Christen aus ihren
Häusern entführt und von den Aufständischen zu Tode gefoltert wurden.
(47) Zeitgleich wurde die in der Umgebung gelegene Ortschaft Rableh mit
ihren 12 000 katholischen Einwohnern von den Dschihadisten umzingelt und
belagert. (48) Dasselbe Schicksal teilten die mehrheitlich christlichen
Einwohner der in der Provinz Homs gelegenen Ortschaft Al-Ghassaniya mit
ihren rund 5000 Einwohnern. Nach acht Monaten Belagerung befreite die
syrische Armee diese im Mai aus ihrer kollektiven Geiselhaft. (49)
Wochen später vertrieb sie auch die islamistischen Kämpfer aus
Al-Kusair.
„In den Graffiti auf den Hauswänden kommt immer wieder
der Name des radikalen syrischen Predigers Adnan Aruur vor, der im
saudischen Exil lebt“, berichtete von vor Ort FAZ-Reporter
Rainer Hermann in einer ersten Besichtigung der Stadt nach deren
Befreiung. (50) Aruur ist bekannt für seine Aufrufe, die „ungläubigen“
Alawiten zu ermorden. In seinen „Predigten“ rechtfertigte er sogar das
Vergewaltigen alawitischer Frauen und Kinder. Auch der aus Jordanien
stammende salafistische Prediger Zasir-al-Ajla erklärte die
Vergewaltigung an „jedweder syrischen, nicht-sunnitischen Frau“ für
legitim. (51) „Sie haben den Islam in eine Ideologie der ethnischen
Säuberung verwandelt“, kommentiert ein Syrer das Vorgehen der
Aufständischen. (52)
Trotz des frühzeitig bekannt gewesenen
verbrecherischen Charakters der neuen Herrscher in Al-Kusair (53), und
der von ihnen ausgeübten Schreckensherrschaft gegenüber der
nicht-sunnitischen Bevölkerung, wurde die Befreiung der Stadt durch die
syrische Armee von den führenden NATO-Staaten scharf verurteilt. Ein
Anzeichen für die ausufernde Bereitschaft der „westlichen
Wertegemeinschaft“, die eigenen Ziele in Syrien mit blutigem Terror
durchzusetzen.
Den Bogen überspannt
Lässt
sich der Strategie konfessioneller Spannungen auch ein gewisser Erfolg
hinsichtlich des „Ausblutens“ Syriens und der damit verbundenen
Schwächung Irans bescheinigen, und besteht grundsätzlich die Gefahr,
dass sie zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung wird, so stößt
sie dennoch an ihre Grenzen. Unter anderem an die Grenzen dessen, was
sich eine traditionell säkulare Gesellschaft wie die syrische zumuten
lässt. Durch ihren sektiererischen Hass und den von ihnen praktizierten
Verbrechen haben viele derjenigen Syrer den Rebellen den Rücken gekehrt,
die anfangs den bewaffneten Aufstand noch unterstützt oder selbst
geführt haben.
„Für uns in Syrien bedeutet Säkularismus die
Freiheit der Religionen: Christen, Muslime und Juden, mit allen ihren
vielfältigen Konfessionen. Der Säkularismus ist notwendig für die
Einheit der Gesellschaft und für das Gefühl von Staatsbürgerschaft. Dazu
gibt es keine Alternative,“ klärt Präsident Assad in einem Gespräch mit
der FAZ über das in der syrischen Gesellschaft vorherrschende Selbstverständnis auf. (54)
Die
allermeisten Syrer wollen ein Ende der Gewalt und damit auch ein Ende
des Aufstands, der immer stärkere konfessionelle Züge trägt. Und immer
mehr unter ihnen erkennen, dass es die hinter den Aufständischen
stehende Staatengemeinschaft der „Freunde Syriens“ ist, die jede
Perspektive auf Frieden und Demokratie zerstört. Die Mehrheit der Syrer
steht hinter Präsident Assad, ist Jürgen Todenhöfer überzeugt. (55) Das
wissen auch die „Freunde Syriens“. Wie die US-Onlinezeitung World Tribune
Ende Mai berichtete, habe laut Aussage einer internen NATO-Studie die
syrische Regierung zwar nicht den Kampf am Boden, aber den um die Herzen
und Köpfe der Syrer gewonnen. Demnach würden siebzig Prozent der
Bevölkerung hinter ihrer Regierung stehen, zwanzig Prozent seien
unentschieden, und nur jeder zehnte Syrer sympathisiere mit dem
Aufstand. Auch Mehrheiten der Sunniten fänden die islamistischen
Rebellen inzwischen als „weitaus schlimmer als Assad“. (56)
Somit
ist die Perspektive für die „Freunde Syriens“ klar: Ein Regimewechsel
lässt sich nur noch mit der Ausweitung militärischer Gewalt erzwingen,
als deren Träger einzig – neben dem eigenen Militär – religiöse
Extremisten in Frage kommen. Wie vor gut dreißig Jahren in Afghanistan,
sind es heute in Syrien islamistische Söldner, die die geopolitischen
Interessen des Westens ausfechten – und sämtliche Hoffnungen des Volkes
auf Frieden und Demokratie mit brutaler Gewalt unterdrücken.
Anhang: Konfessionelle und ethnische Zusammensetzung in den Ländern der Region
Palästina
Der
Konflikt in Syrien sorgt zunehmend für Spannungen unter den Gegnern
Israels. Streit gibt es insbesondere zwischen der schiitischen
Hisbollah, die in der Grenzregion Syriens zum Libanon die
Regierungstruppen gegen die Aufständischen unterstützt, und der Hamas,
die den Gazastreifen mit seinen fast ausschließlich sunnitischen
Einwohnern kontrolliert.
Die Hamas hat sich im Syrien-Konflikt
trotz beteuerter Neutralität frühzeitig positioniert, indem sie ihr
Auslandsbüros von Damaskus in die Hauptstadt Katars verlegt hat. Die
Golfmonarchie drängt aggressiv auf einen Regierungssturz in Syrien. Die
Hamas gehört den Muslimbrüdern an und ist auf die Gelder Katars ebenso
angewiesen wie auf die Warenlieferungen aus Ägypten.
Als Ende Mai
Youssef Al-Qaradawi die Hisbollah als „Partei Satans” bezeichnete
(siehe Hauptartikel) und Ägyptens Präsident Mursi die syrische Botschaft
schließen ließ, folgte Tage später eine Stellungnahme des politischen
Büros der Hamas, in der die Hisbollah mit ungewohnt scharfen Worten
verurteilt wird. „Hisbollahs Intervention in Syrien war ein schwerer
Fehler, es wäre besser für sie gewesen, sich in diesem Konflikt nicht zu
engagieren. Dadurch hat sie einen Großteil ihrer Unterstützung im Volk
eingebüßt, viele Menschen zweifeln nun, ob es sich überhaupt um eine
Partei des Widerstands handelt“, so die Anschuldigungen gegenüber der
Hisbollah. (a)
Der militärische Flügel der Hamas teilt diese
Sichtweise hingegen nicht. „Die Qassam-Brigaden haben sich dazu
entschieden, das Bündnis mit der Hisbollah und dem Iran
aufrechtzuerhalten, um Palästina durch den bewaffneten Kampf von der
israelischen Besatzung zu befreien”, so die Stellungnahme. (b) Die Hamas
bekommt ihr Geld zwar in erster Linie von Katar, doch die Waffen für
die Qassam-Brigaden stammen aus dem Iran. Daher auch der Hinweis in
ihrer Stellungnahme, dass „das arabische Geld nicht dazu in der Lage
war, auch nur einen Zentimeter des besetzten Territoriums zu befreien”.
Neben
des traditionell eng mit Damaskus verbundenen Volksfront zur Befreiung
Palästinas (PFLP), versicherten auch der Islamische Dschihad und die
Al-Aqsa-Märtyrer-Brigaden der Fatah ihre Verbundenheit mit der Hisbollah
und dem Iran. „Alle Waffen im Gaza-Streifen werden vom Iran geliefert,
seien es die Waffen für den Islamischen Dschihad oder die Hamas. Die
wahrscheinlich noch mehr Waffen aus dem Iran bezogen hat als wir. Und
jeder weiß, dass der Iran uns finanziert“, erklärte ein Sprecher des
Islamischen Dschihads. Seine Organisation werde sich nicht in den
Syrien-Konflikt einmischen, sehe aber die Rolle Katars, der
„privilegierte Verbindungen zu Israel unterhält”, kritisch. (c)
Laut
einer Erklärung der Al-Aqsa-Märtyrer-Brigaden gebe es nur drei Kräfte,
die die Palästinenser mit Waffen unterstützen und den Westen
herausfordern: „Die Islamische Republik Iran, die Syrische Arabische
Republik, und an der Spitze die Hisbollah aus dem Libanon, (…) die alle
Anstrengungen unternommen hat, um den palästinensischen Widerstands zu
stärken. Also danke Hisbollah.” (d) Die Hisbollah reagierte
zurückhaltend auf die Vorwürfe der politischen Führung der Hamas und
beschwor die Einheit des Widerstands gegen Israel.
Libanon
Nirgendwo
herrscht größere Angst vor einem Überschwappen des sektiererischen
Konflikts in Syrien als unter den Einwohnern des multikonfessionellen
Libanon. Im Zedernstaat leben zu rund vierzig Prozent Christen und zu
etwa sechzig Prozent Muslime, zur Hälfte jeweils Schiiten und Sunniten.
In einer Umfrage gaben einhundert Prozent der befragten Libanesen der
Sorge um ein Ausbrechen religiöser Konflikte in ihrem Heimatland
Ausdruck. (e)
Der Terror islamistischer Fanatiker ist
mittlerweile auch in dem Mittelmeerland, über das Waffen und Kämpfer für
den Aufstand nach Syrien fließen, angekommen. Unter Führung des
salafistischen Predigers Scheich Ahmad Al-Assir griffen sunnitische
Extremisten vor zwei Wochen im libanesischen Sidon Einrichtungen der
Hisbollah und Armeeposten an, um einen konfessionellen Bürgerkrieg
loszutreten. Dabei töteten sie über ein Dutzend Soldaten. Die
libanesische Armee ging im Verbund mit der Hisbollah gegen die
Islamisten vor und tötete dabei zwanzig von ihnen. (f) Über sechzig
Bewaffnete wurden festgenommen, darunter auch Mitglieder des in Syrien
aktiven Al-Qaida-Ablegers Al-Nursa. (g) Nach der Befreiung der syrischen
Grenzstadt Al-Kusair und umliegender Ortschaften, an der sich die
Hisbollah beteiligt hatte, hatten Rebellen Rache gegenüber Schiiten und
Alawiten auch auf libanesischem Gebiet angekündigt. (h)
Das
offene Eingreifen der Hisbollah in den syrischen Konflikt wurde
ebenfalls vom Westen scharf als „ausländische Einmischung” verurteilt.
Dabei wird unterschlagen, dass die umkämpften Dörfer syrischem
Territorium „verwaltungstechnisch zur libanesischen nördlichen
Bekaa-Ebene, die von der Hisbollah regiert wird,” gehören. „Viele
Bewohner sind Anhänger oder Mitglieder der Hisbollah, was deren
militärisches Engagement in Al-Kusair erklärt“, so die aus Damaskus
berichtende Journalistin Karin Leukefeld. (i) „Die Einmischung der
Hisbollah in Syrien ist rein defensiver Natur”, heißt es in einer
Analyse auf Russia Today. „Außerdem ist die Hisbollah einer der externen Akteure, die als letztes eingegriffen haben.” (j)
Laut einer vor allem in iranischen Medien vielzitierten Umfrage des libanesischen Magazins l'Hebdo halten
78 Prozent der befragten Libanesen das Eingreifen der Hisbollah an der
Seite der syrischen Armee für gerechtfertigt. (k) Auch immer mehr
Christen des Zedernstaates begreifen die Hisbollah als Schutzmacht
gegenüber der Bedrohung, die von den sunnitischen Dschihadisten ausgeht.
(l)
Ägypten
Beim Sturz des ägyptischen
Präsidenten Mohammed Mursi hat auch der Syrien-Konflikt eine Rolle
gespielt. In Moscheen des Landes, dessen muslimische Bevölkerung zu
neunzig Prozent aus Sunniten besteht, werden bereits seit langem Kämpfer
für die Reihen der syrischen Rebellen rekrutiert. Trotz der Beteiligung
an der Gruppe der „Freunde Syriens” und der engen Beziehungen zu Katar
hat sich die ägyptische Muslimbrüder-Regierung in der Syrien-Frage eher
zurückhaltend verhalten. Doch vor drei Wochen vollzog Mursi eine
Kehrtwende, ließ überraschenderweise die syrische Botschaft schließen
und verkündete ein Ende der diplomatischen Beziehungen.
Zuvor
hatten der Scheich Yusuf Al-Qaradiwi und andere führende Geistliche der
Muslimbrüder die schiitischen Unterstützer Assads als „Ungläubige”
bezeichnet und zum Dschihad gegen das syrische Regime aufgerufen. Mursi
schloss sich an, forderte eine internationales militärisches Eingreifen
in Syrien und erklärte, „das ägyptische Volk und die Armee unterstützen
den syrischen Aufstand”. (m) Damit sorgte er für Proteste bei der
Opposition und für Irritationen beim Militär, das sogleich verkündete,
seinen Zweck einzig in der Sicherung der Staatsgrenzen zu sehen. „Mursi
und die Muslimbrüder kennen keine Scham dabei, das Blut der Märytyer in
Syrien als Handelsmasse zu verwenden, um die Sympathien der Ägypter zu
erlangen“, erklärte die Oppositionsgruppe Bewegung 6. April. (n)
Mit
seinem Vorstoß hat Mursi nicht den Sturz Assads beschleunigt, sondern
seinen eigenen. Im Zusammenhang mit den Massenprotesten habe Mursis
aggressive Haltung in der Syrien-Frage unter den Militärs den Ausschlag
gegeben, den Präsidenten zu stürzen, so ein Experte gegenüber Reuters.
„Für die Armee wurde mit der Ermutigung der Ägypter, im Ausland zu
kämpfen, was eine neue Generationen an Dschihadisten hervor bringen
könnte, eine rote Linie der nationalen Sicherheit überschritten“. (o)
Irak
Mit
dem Krieg in Syrien verschärft sich auch die Situation im Irak. Eine
Terrorwelle erschüttert seit einigen Monaten das Land. „Sunnitische
Extremisten, die dem Terrornetzwerk Al-Qaida nahestehen, intensivierten
in jüngster Zeit Angriffe auf Angehörige der schiitischen
Bevölkerungsmehrheit“, schreibt die Zeit. Alleine im Mai wurden
laut Vereinten Nationen mehr als tausend Menschen bei Anschlägen
getötet, vornehmlich Schiiten. Der blutigste Monat seit mehr als fünf
Jahren.
Eskaliert war der Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten
nach dem Sturz Saddam Husseins während der US-Besatzung. Vor allem die
sich zu Al-Qaida bekennende Terrorgruppe „Islamischer Staat Irak“ tat
sich mit sektiererischer Gewalt. Nach dem Anschlag auf die den Schiiten
heilige Goldene Moschee in Samarra im Frühjahr 2006 malten westliche
Medien das Schreckensgespenst eines konfessionellen Bürgerkriegs an die
Wand. Doch in gemeinsamen Massendemonstration bekundeten Sunniten und
Schiiten ihren Widerstand gegen die sektiererische Eskalationsstrategie.
(p)
Es gibt starke Hinweise darauf, dass der Anschlag auf die
Moschee unter Mithilfe der amerikanischen Besatzer erfolgte. (q) Denn
diese profitierten von den konfessionellen Spannungen aus einer Vielzahl
von Gründen. Sie trugen zur Verhinderung des Zustandekommens eines
nationalen Widerstand gegen das Besatzungsregime bei. Al-Qaidas
Anschläge auf Marktplätze, Moscheen und öffentliche Einrichtungen diente
der Diskreditierung des Widerstands und der Legitimierung der eigenen
Besatzung. Außerdem schwächte sie den vor allem von sunnitischen
Gemeinschaften getragenen bewaffneten Widerstand. Da der Terror
Al-Qaidas noch unerträglicher war als der der Besatzer, kam es zu
Kooperationen zwischen der US-Armee und den gegründeten „Sahwa“-Räten
(„Erwachung“) der sunnitischen Gemeinden. (r) Nun machten US-Soldaten
gemeinsame Jagd auf Al-Qaida mit Irakern, die zuvor noch ihre Gewehre
auf sie selbst gerichtet hatten. Gegenwärtig denken US-Strategen darüber
nach, sich die wieder aufflammenden religiösen Konflikte im Irak
nutzbar zu machen. (s)"
"Gewollte Spaltung - Anmerkungen
(1) http://www.timesofisrael.com/iran-needs-a-year-and-a-half-to-produce-the-bomb/
(2) http://www.bicom.org.uk/news-article/13169/
(3) http://www.guardian.co.uk/commentisfree/2011/nov/04/syria-iran-great-game
(4) http://thinkprogress.org/security/2013/06/04/2097821/mccain-syria-rebels-war-crimes/?mobile=nc
(5) http://www.sueddeutsche.de/politik/g-gipfel-und-die-syrien-frage-russland-spielt-weltmacht-1.1698883
(6) http://fpc.state.gov/documents/organization/191927.pdf
(7) http://www.stopwar.org.uk/index.php/syria/2452-the-west-and-its-allies-are-cynically-bleeding-syriato-
weaken-iran
(8) http://www.meforum.org/3531/syria-iran-stalingrad
(9) http://www.foreignpolicy.com/articles/2013/06/24/mitt_romney_was_right_russia?page=full
(10) http://www.brookings.edu/~/media/events/2008/4/14%20middle%20east/0414_middle_east_telhami.pdf
(11) http://mesi.org.uk/ViewNews.aspx?ArticleId=2461
(12) http://www.aaiusa.org/page/-/Polls/LookingatIran2013.pdf
(13) http://www.huffingtonpost.com/james-zogby/the-rise-and-fall-of-iran_b_2843538.html
(14) http://www.reuters.com/article/2013/06/01/us-syria-crisis-qaradawi-idUSBRE9500CQ20130601
(15) http://www.nytimes.com/2013/06/02/world/middleeast/syria-developments.html?_r=1&
(16) http://english.alarabiya.net/en/News/middle-east/2013/06/02/Top-cleric-Qaradawi-calls-for-Jihad-against-
Hezbollah-Assad-in-Syria.html
(17) http://web.archive.org/web/20130614034719/http://gulfnews.com/news/region/syria/sunni-clericsin-
accord-over-hezbollah-in-syria-1.1194025
(18) http://www.arabnews.com/node/257332
(19) http://www.reuters.com/article/2013/06/07/us-syria-crisis-muslims-idUSBRE95613320130607
(20) http://www.al-monitor.com/pulse/originals/2013/07/bahrain-salafists-syria-war-fighters.html
(21) http://www.reuters.com/article/2013/06/07/us-syria-crisis-muslims-idUSBRE95613320130607
(22) http://web.archive.org/web/20130614034719/http://gulfnews.com/news/region/syria/sunni-clericsin-
accord-over-hezbollah-in-syria-1.1194025
(23) http://www.foreignpolicy.com/articles/2013/03/07/tehran_tanking_arab_sectarianism?page=0,2
(24) http://en.alalam.ir/news/1488204
(25) http://www.brookings.edu/~/media/Research/Files/Papers/2013/04/sunni%20shia%20abdo
/sunni%20shia%20abdo.pdf
(26) http://www.haaretz.com/news/presidential/former-mossad-chief-and-ambassadors-ask-what-is-israels-
role-in-changing-mideast-1.530561#.UcJEWgaKojE.blogger
(27) http://www.guardian.co.uk/commentisfree/2011/nov/04/syria-iran-great-game
(28) ebd.
(29) http://www.foreignpolicy.com/articles/2013/05
/23/war_for_the_arab_world_sunni_shia_hatred#.UaDp4fwOoZo.blogger
(30) http://www.jungewelt.de/2013/07-02/038.php
(31) http://www.reuters.com/article/2013/05/14/us-syria-crisis-deaths-idUSBRE94D0L420130514
(32) http://www.mcclatchydc.com/2013/06/03/192881/assad-backers-reportedly-make.html#.UdNYMGd5dvP
(33) http://www.tagesspiegel.de/meinung/positionen-woran-syrien-wirklich-zerbricht/8427616.html
(34) http://www.nytimes.com/2013/04/28/world/middleeast/islamist-rebels-gains-in-syria-create-dilemmafor-
us.html?pagewanted=all&_r=0
(35) http://rt.com/news/syrian-rebels-execute-teenage-boy-460/
(36) http://www.merkur-online.de/aktuelles/welt/enthauptungs-video-syrien-islamisten-koepfen-moenchfrancois-
murad-meta-2987174.html?cmp=defrss
(37) http://www.fides.org/de/news/32337-
ASIEN_SYRIAEN_Das_Kalifat_von_Saraqib_wo_P_Murad_ermordet_wurde#.UdTCCGd5dvN
(38) http://www.webcitation.org/query?url=http%3A%2F
%2Fwww.tagesschau.de%2Fausland%2Faleppo274.html&date=2013-04-09
(39) http://www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-operation-nordsturm-gegen-rebellen-in-aleppo-a-906151.html
(40) http://bigstory.ap.org/article/syria-sunni-rebels-besiege-shiite-villages
(41) http://en.alalam.ir/news/1488418
(42) http://www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-operation-nordsturm-gegen-rebellen-in-aleppo-a-906151.html
(43) ebd.
(44) http://en.alalam.ir/news/1490371
(45) http://derstandard.at/1369363587125/Syrische-Rebellen-toeteten-60-Schiiten
(46) http://www.independent.co.uk/news/world/middle-east/syria-60-shia-muslims-massacred-in-rebelcleansing-
of-hatla-8656301.html
(47) http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/naher-osten/syrien-waffenlager-in-der-kirche-12218417.html
(48) http://www.fides.org/de/news/30611-
ASIEN_SYRIEN_Ueber_12_000_Christen_hungern_in_Rableh_Appell_fuer_Menschenrechte#.UcwYetmYvcs
(49) http://www.merkur-online.de/aktuelles/welt/enthauptungs-video-syrien-islamisten-koepfen-moenchfrancois-
murad-meta-2987174.html?cmp=defrss
(50) http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/naher-osten/syrien-waffenlager-in-der-kirche-12218417.html
(51) http://www.fides.org/de/news/32336-
ASIEN_SYRIEN_Vergewaltigung_und_Greueltat_an_einer_jungen_Christin_in_Qusair#.UdTCFWd5dvN
(52) http://www.fides.org/de/news/32337-
ASIEN_SYRIAEN_Das_Kalifat_von_Saraqib_wo_P_Murad_ermordet_wurde#.UdTCCGd5dvN
(53) http://www.spiegel.de/international/world/christians-flee-from-radical-rebels-in-syria-a-846180.html
(54) http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/naher-osten/syriens-machthaber-assad-im-f-a-z-gespraecheuropa-
wird-den-preis-fuer-waffenlieferungen-zahlen-12224899.html
(55) http://www.tagesspiegel.de/meinung/positionen-woran-syrien-wirklich-zerbricht/8427616.html
(56) http://www.worldtribune.com/2013/05/31/nato-data-assad-winning-the-war-for-syrians-hearts-and-minds/
Anmerkungen zum Anhang
Palästina
(a) http://www.al-monitor.com/pulse/contents/articles/opinion/2013/06/hamas-hezbollah-syria-lebanonpalestinians.
html
(b) ebd.
(c) http://www.al-monitor.com/pulse/originals/2013/05/gaza-islamic-jihad-and-iranian-arms.html
(d) http://www.almanar.com.lb/english/adetails.php?fromval=1&cid=23&frid=23&eid=98009
Libanon
(e) http://iaccouncil.org/politics/irans-popularity-in-the-arab-world-is-down-but-sectarianism-is-on-the-rise/
(f) http://www.mcclatchydc.com/2013/06/24/194812/hezbollah-fighters-report-killing.html#.UdVYB2d5dvM
(g) http://www.mcclatchydc.com/2013/06/25/194944/al-qaida-linked-nusra-frontrebels.
html?storylink=addthis#.UdVYWmd5dvN
(h) http://www.al-monitor.com/pulse/security/2013/05/lebanon-jihadists-palestinian-camps-syria-conflict.html
http://world.time.com/2013/05/23/the-battle-for-qusayr-why-victory-in-syrias-latest-front-matters/
(i) http://www.jungewelt.de/2013/05-21/050.php
(j) http://rt.com/op-edge/hezbollah-syria-conflict-target-255/
(k) http://www.presstv.ir/detail/2013/06/12/308571/hezbollahs-syria-war-presence-justifiable/
http://magazine.com.lb/
(l) http://rt.com/op-edge/hezbollah-syria-conflict-target-255/
Ägypten
(m) http://english.ahram.org.eg/NewsContent/1/64/74082/Egypt/Politics-/Egypts-Morsi-severs-ties-with-
Syria,-warns-of-coun.aspx
(n) http://english.ahram.org.eg/News/74123.aspx
(o) http://www.thestar.com.my/News/World/2013/07/03/Mursi-role-at-Syria-rally-seen-as-tipping-pointfor-
Egypt-army.aspx
Irak
(p) http://www.jungewelt.de/2006/03-03/070.php
(q) ebd.
(r) http://www.army.mil/article/6266/awakening-in-iraq-signals-citizens-rise-against-al-qaeda/
http://news.bbc.co.uk/2/hi/middle_east/7226974.stm
(s) http://www.foreignpolicy.com/articles/2013/06/24/mitt_romney_was_right_russia?page=full"
Quelle: http://www.hintergrund.de/201307042664/politik/welt/gewollte-spaltung.html
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