Unmittelbar vor dem
G-20-Gipfel in St. Petersburg hat Russland den Ton im Streit mit den USA
über die Syrien-Krise verschärft. Präsident Wladimir Putin
warf US-Außenminister John Kerry am Mittwoch vor, den Kongress in
Washington über die Rolle der al-Qaida im Bürgerkrieg belogen zu haben.
"Er lügt, und er weiß, dass er lügt", sagte Putin in Moskau. "Es ist
traurig." Zuvor hatte Putin noch grundsätzlich Kompromissbereitschaft
signalisiert, indem er im UN-Sicherheitsrat die Zustimmung zu einem
Militärschlag nicht ausschloss, insofern es Beweise für die
Verantwortung der syrischen Regierung gebe.
Am Donnerstag
kommen in St. Petersburg die Staats- und Regierungschefs der 20
wichtigsten Industrie- und Schwellenländer zusammen. Erwartet wird, dass
das eigentlich von Wirtschaftsthemen dominierte Treffen von der Syrien-Krise
überlagert wird. Die US-Regierung ist entschlossen, Syrien notfalls
auch ohne UN-Mandat anzugreifen. Putin warnte vor einem solchen Vorgehen
und erklärte, dies käme einem Akt der Aggression gleich. Die syrische
Regierung weist den Vorwurf zurück, Giftgas eingesetzt zu haben.
Putin verwies auf Kerrys Aussage zur Rolle der al-Qaida im Aufstand gegen Präsident Baschar al-Assad.
Der Minister habe auf Anfrage eines Abgeordneten erklärt, die al-Qaida
sei nicht beteiligt. "Sie lügen natürlich wunderschön", sagte Putin. Die
Kämpfer der al-Qaida seien militärisch gesehen die wichtigste Säule des
Aufstandes. Das wüssten auch die Amerikaner. Kerry war von einem
Senator gefragt worden, ob es "im Wesentlichen wahr" sei, dass die
syrische Opposition im Laufe der Zeit von der al-Qaida unterwandert
worden sei. "Nein, das ist eigentlich im Wesentlichen nicht wahr. Es ist
im Wesentlichen falsch", antwortete er.
Russland beschuldigt Rebellen für Angriff im März
Zuvor hatte Putin in einem Interview erklärt, Russland könne einem militärischen Einsatz mit UN-Mandat zustimmen,
sollten Beweise für einen Giftgas-Angriff der syrischen Regierung
vorliegen. Allerdings betonte er seine Zweifel, dass hinter dem
mutmaßlichen Chemiewaffen-Einsatz Ende August die Assad-Regierung stehe.
Russland hat im UN-Sicherheitsrat ein Veto-Recht und schützt damit
seine Verbündeten in Damaskus vor Resolutionen. Putin wies darauf hin,
dass auch die Rebellen als Verantwortliche für den Angriff infrage
kämen.
Diese Haltung
wurde durch einen vom russischen Außenministerium verbreiteten
Expertenbericht gestützt, nach dem wahrscheinlich die Rebellen für einen
Giftgaseinsatz im März in Aleppo verantwortlich seien. Eine dabei
benutzte selbst hergestellte Waffe sei baugleich mit Waffen, wie sie die
Rebellen herstellten, erklärte das Ministerium in Moskau.
"Es sieht
derzeit sehr wenig nach einem russischen Einlenken dabei aus", erklärte
in Berlin Regierungssprecher Steffen Seibert. Das Auswärtige Amt
kündigte an, Außenminister Guido Westerwelle werde Bundeskanzlerin
Angela Merkel nach Russland begleiten, um dort mit einigen Kollegen am
Rande über das Syrien-Thema zu sprechen.
Für Obama ist Assad-Regime verantwortlich
Obama bezeichnet
es als erwiesen, dass die syrische Regierung für den Gasangriff am 21.
August nahe Damaskus verantwortlich ist, bei dem Hunderte Menschen ums
Leben gekommen sein sollen. Er erklärte in Schweden auf dem Weg zum
G-20-Treffen, die Glaubwürdigkeit der Staatengemeinschaft stehe auf dem
Spiel. Er werde nicht die Fehler wiederholen, die zum Einmarsch der USA
in den Irak geführt hatten, versicherte er.
Frankreichs
Ministerpräsident Jean-Marc Ayrault sagte vor dem Parlament in Paris, es
gehe um die Glaubwürdigkeit der internationalen Gemeinschaft bei der
Frage der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen. Die Botschaft an
Staaten wie Iran und Nordkorea wäre ohne einen Angriff klar: "Ihr könnt
weitermachen."
Obama hatte am
Samstag einen Militärschlag überraschend vertagt und will nun erst den
US-Kongress abstimmen lassen, obwohl er als Präsident einen begrenzten
Einsatz anordnen könnte. Die Spitzen des Auswärtigen Ausschusses im
Senat einigten sich am Dienstag auf einen Entwurf für den Einsatzrahmen.
Allerdings zeigte sich der einflussreiche Republikaner John McCain am
Mittwoch damit unzufrieden. Einigen Abgeordneten gehen die Vorschläge
nicht weit genug, andere wollen gar keinen Militärschlag. Einer
Reuters/Ipsos-Umfrage zufolge sind 56 Prozent der Amerikaner gegen einen
Angriff und 19 Prozent dafür.
Russland schickt Raketenkreuzer ins Mittelmeer
Die USA haben
zahlreiche Kriegschiffe in der Region, die einen Angriff mit
Marschflugkörpern ausführen könnten. Auch Russland verstärkt seine
Flotte im Mittelmeer: Die amtliche Nachrichtenagentur Interfax meldete,
der Raketenkreuzer "Moskva" sei ins östliche Mittelmeer unterwegs und
werde dort in zehn Tagen ankommen. Ein Zerstörer und eine Fregatte
sollten dazustoßen. Das russische Verteidigungsministerium hatte die
Flottenbewegungen in der vergangenen Woche als Routine bezeichnet.
Bei dem seit
mehr als zwei Jahren anhaltenden Bürgerkrieg in Syrien sind
schätzungsweise mehr als 100.000 Menschen ums Leben gekommen. Nach
UN-Angaben ist mittlerweile fast ein Drittel der Bevölkerung auf der
Flucht."
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