"In den vergangenen sechs Monaten ist die Zahl der Rekruten aus Europa
stark angestiegen: Zwischen 1200 und 1700 Kämpfer kommen inzwischen aus
elf westeuropäischen Ländern, im Frühjahr waren es Schätzungen zufolge
600 bis 800. Die jungen Leute lassen sich locken von Rückkehrern, die
vom süssen Leben und ruhmreichen Kampf schwärmen. Bei den Rebellen sind
sie willkommen: Während Präsident Baschar al-Assad mit Hilfe des Irans
und der Schiitenmiliz Hisbollah Boden gutmacht, brauchen die
Aufständischen dringend neue Kämpfer.
Sicherheitsexperten befürchten, dass sie eine militante Form des
Islams heranzüchten. Die jungen Leute könnten nach ihrer Heimkehr zur
terroristischen Bedrohung werden.
Organisierte Reisepakete in den Krieg
Der
Zustrom europäischer Helfer zeigt, dass es zunehmend leichter wird, an
die syrische Front zu gelangen. Während die ersten Kämpfer ihre Reise
nach Syrien eher planlos antraten, werden sie inzwischen von Netzwerken
rekrutiert, die die Reise organisieren und in den von Aufständischen
kontrollierten Gebieten eine komfortable Unterkunft vorbereiten.
Trotz
mangelnder Kampferfahrung sind Europäer wichtig für die syrischen
Rebellen. Schliesslich können diese so demonstrieren, dass ihr Kampf
nicht nur Sache des Nahen Ostens ist. Zudem helfen sie bei der
Geldbeschaffung aus wohlhabenderen Regionen. Bisher hatten ausländische
Kämpfer ihre Wurzeln meist im Irak, in Afghanistan und Tschetschenien.
Kämpfer aus ganz Europa und den USA
Aus
Europa kommen nun viele aus Einwandererfamilien der zweiten Generation,
mit säkular orientierten Eltern. Andere sind Konvertiten, die vorher
keine Verbindung zum Islam hatten. Aus Frankreich reisten nach Angaben
des Internationalen Zentrums zur Erforschung von Radikalisierung (ICSR)
300 bis 400 und damit die meisten Rebellen nach Syrien, aus Deutschland
mehr als 220, Belgien schätzt, dass bis zu 200 seiner Bürger in Syrien
kämpfen.
Schweden verdoppelte seine Schätzung auf 150 bis 200, die
Zahl britischer Kämpfer pendelt sich bei rund 150 ein. Aus den
Niederlanden reisten bisher 100 bis 200 junge Leute nach Syrien - mit
stark steigender Tendenz. Mindestens 80 Unterstützer syrischer Rebellen
kommen jeweils aus Dänemark, Spanien, Österreich und Italien, 40 aus
Norwegen. Auch die USA sind alarmiert über junge Amerikaner, die in
Syrien kämpfen wollen. Doch die Zahlen halten sich mit rund 20
US-Bürgern in Grenzen - Grund: Die Entfernung und die Kosten.
Sie schicken täuschende Bilder
Bei
einem 21-jährigen Dänen erwachte während eines Gefängnisaufenthalts das
Interesse an Syrien, vor allem Internetvideos von Rebellen hatten es
ihm angetan. Auf zwei Reisen nach Syrien arbeitete er als Fahrer, doch
gekämpft habe er nie, betont er. Trotzdem postete er Fotos, die ihn mit
schweren Waffen zeigen. «Es ist meine Pflicht, da hinunterzureisen»,
sagt der Islam-Konvertit. «Es ist für die muslimische Sache.»
Ein
Video der in Syrien aktiven El-Kaida-Organisation Islamischer Staat im
Irak und der Levante zeigt britische Kämpfer, «die andere britische
Muslime motivieren, inspirieren und rekrutieren sollen», sagt Schiras
Maher vom ICSR in London. Andere Kämpfer schicken Bilder, wie sie in
Junggesellenmanier in komfortablen Häusern wohnen, Essen haben so viel
sie wollen und Waffen, von denen sie schon immer geträumt haben - und
dazu die Möglichkeit, als Märtyrer zu sterben.
15-jähriger Belgier zog in den Krieg
In
Frankreich nahmen die Behörden in den vergangenen Wochen zwei Netzwerke
ehemaliger Kämpfer auseinander, die nach ihrer Rückkehr aus Syrien
Anwerbeaktionen planten. Dort ist die Erinnerung an Mohammed Merah noch
frisch: Der französische Jugendliche algerischer Abstammung tötete 2012
nach seiner Rückkehr aus einem Ausbildungscamp in Pakistan in einer
jüdischen Schule in Südfrankreich sieben Menschen. Die französische
Regierung verbot daraufhin solche Ausbildungen.
Von der Kleinstadt
Vilvoorde im belgischen Flandern fuhren bisher mindestens 22 junge
Leute nach Syrien. «Von Vätern und Müttern weiss ich, dass alles gut
organisiert ist, die Flugtickets werden bezahlt», sagt Bürgermeister
Hans Bonte. Inzwischen würden schon Teenager ins Rebellengebiet reisen.
Auch junge Frauen tauchten inzwischen auf den Listen der Vermissten auf.
Eine
Mutter aus Vilvoorde erzählte, wie sie ihren 15-jährigen Sohn davon
abhalten wollte, seinem älteren Bruder nach Syrien zu folgen. Sie habe
sogar auf den Stufen ihres Hauses geschlafen, um ihn an der Abreise zu
hindern. Eines Nachts im Herbst bedrohte er sie laut Bonte mit dem Tod,
falls sie ihn nicht gehen lasse. Dann stieg er in ein wartendes Auto.
Seither habe sie nichts mehr von ihm gehört."
Quelle: http://www.20min.ch/ausland/dossier/syrien/story/15-jaehriger-Belgier-kaempft-in-Syrien-13139640
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