"Ich habe Mitte April fünf Tage Urlaub in Damaskus gemacht. Wie bitte?
Urlaub? In einem Land, in dem Bürgerkrieg herrscht? Ich verfolge zwar
regelmäßig unsere Medien, aber ich glaube ihnen nicht jedes Wort. So
habe ich auch nie daran geglaubt, dass der böse Diktator Panzer gegen
sein eigenes Volk auffahren lässt; es gab zu viel Hinweise, dass das so
einfach nicht sein konnte.
Ich habe ganz normal über die Syrische
Botschaft in Berlin ein Touristenvisum beantragt, das auch postwendend
gegeben wurde. Geflogen bin ich nach Beirut (preislich derzeit günstiger
als Damaskus) und dann weiter mit dem Taxi. Ich hatte erwartet, in ein
Land im Ausnahmezustand zu kommen, mit Straßensperren und Militärpräsenz
wie im Libanon, wenigstens. Das war die erste Überraschung: Zwar wurde
das Taxi ein bisschen genauer kontrolliert, als ich das von früher in
Erinnerung hatte, dann konnten wir die Grenze aber zügig passsieren.
Überraschung Nummer zwei: Auf dem Weg nach Damaskus und auch in der
Stadt selbst war kein Militär zu sehen. Ich habe in der Stadt ein paar
strategische Ziele angesteuert, von denen ich dachte, sie würden im Fall
eines Aufstands besonders gesichert sein, aber auch da Fehlanzeige.
Meine
große Befürchtung war, dass die Menschen Angst voreinander hatten, dass
es das gewohnte Miteinander nicht mehr gab, wie es ich von früher
kannte, dass in der Stadt eine Spannung und Misstrauen herrschten.
Überraschung Nummer drei: Die Syrer waren genauso freundlich, genauso
offen (um nicht zu sagen vertrauensselig) wie früher. Ich bin sofort ins
Gespräch gekommen, in sehr kontroverse, politische Gespräche, in denen
es auch darum ging, wer für und wer gegen Assad ist. Ich habe nie
erlebt, dass sich jemand argumentativ weggeduckt hat. Ich hatte auch
erwartet, kontrolliert und beschattet zu werden – gemerkt habe ich es
jedenfalls nicht.
Ich hätte mich im ganzen Land völlig frei
bewegen können (wie auch die Syrer). Ich habe es nicht getan, weil ich
Tourist und kein Journalist war. Ich wolle auch kein Katastrophentourist
sein. Einschränkung also: Ich war nur in Damaskus, nicht in den
Brennpunkten. Dennoch kann ich mir nach dem, was ich erfahren habe,
nicht vorstellen, dass sich ein bedeutender Anteil der Bevölkerung im
(inneren oder äußeren) Aufstand gegen das „Regime“ befindet. Wir schon
gesagt, trifft das „Regime“ keine Vorkehrungen, die Menschen in Schach
zu halten; es ist offenbar nicht notwendig.
Ich habe den Einduck
gewonnen, dass die Syrer ihre Zukunft selbst und ohne Einmischung
westlicher und orientalischer „Demokraten“ bestimmen wollen. Ich habe
den Eindruck, dass man sich Veränderungen wünscht, dass aber der Weg
dorthin bereits beschritten wird und dass dieser Weg von der Mehrheit
akzeptiert wird. In Damaskus herrscht unterschwellig Angst, die
Terroranschläge könnten vermehrt auch diese Stadt treffen. Ich nenne es
Terror, wenn jemand Bomben zündet und das Leben Unschuldiger riskiert.
Ich glaube, dass, weil die Aufwiegelung der Bevölkerung offenbar nicht
in gewünschtem Maße geklappt hat, nun über solche Attentate der Eindruck
erweckt werden soll, im ganzen Land rege sich Widerstand. Dem ist nicht
so; ich hätte es mitbekommen.
Ich habe es nicht bereut, nach
Damaskus gefahren zu sein. Mir tun nur die armen Leute dort leid, die
auf die gewohnten Touristenscharen (und damit auf ihr Einkommen)
verzichten müssen. Ich war, wie man mir immer wieder erzählt hat, der
einzige Tourist in der Stadt (und damit wohl im ganzen Land). Es ist ein
eigenartiges Gefühl, in einer touri-freien Umgebung zu sein, die Leute
in ihren „ganz normalen Alltag“ zu erleben (der ja ohne den gewohnten
Handel so normal nicht ist). Sichtbarer Vorteil: Der Touristeneingang
zur Omayaden-Moschee ist geschlossen (mangels Touristen); ich konnte
ganz normal durch den Haupteingang hinein.
Ich will hier niemanden
ins Unglück stürzen, aber vielleicht finden nun auch andere den Mut,
diese Reise zu machen. Es lohnt sich allemal."
Quelle: http://www.sarsura-syrien.com/?p=6060#comment-34456
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