"Von Charly Kneffel
Es scheint, als
hätten sich einige Leute die ganze Syrien-Politik, die von Anfang an –
kaum verhohlen – den Sturz des störenden Assad-Regimes zum Ziele hatte,
etwas zu einfach vorgestellt. Tatsächlich trafen sich geostrategische
Interessen der USA, der Türkei sowie das Hegemonialstreben
Saudi-Arabiens, das eigentlich mehr auf den Iran abzielte, getroffen und
den Unmut weiter Kreise der syrischen Bevölkerung, die an der Macht
beteiligt werden wollten, für ihre Zwecke ausgenutzt. Doch nach fast
einem Jahr ist das Resultat bisher ein Patt.
Zwar bemühen sich die
westlichen Medien unverdrossen die Sache am Kochen zu halten und
präsentieren fast jeden Tag irgendwelche neuen Schläge gegen Assad, doch
die Linie wird brüchig. Zunächst mußte die ARD ausgerechnet auf Jürgen
Todenhöfer zurück greifen, um ein Interview mit dem syrischen
Präsidenten zu bekommen, der sich bemerkenswert souverän aus der Affäre
zog. Man sah sich daher gezwungen, das Interview hinterher tot zu
kommentieren und bot allerlei Experten auf, die Assad "Realitätsverlust"
bescheinigten, ohne ihn beim Wort zu nehmen. Jetzt tauchen zunehmend
Zweifel auf, ob der vor wenigen Wochen dramatisierte Abschuß eines
türkischen Militärflugzeugs, das eingestandenermaßen syrisches
Hoheitsgebiet verletzt hatte, nicht vielleicht doch eher ein Unfall
gewesen sei.
Deutlich wird auch, daß die scheinbar geschlossene
Front gegen Assad, deren Erfolg nur durch Rußland und China blockiert
werde, offenbar doch nicht so groß und geschlossen ist wie in den Medien
immer wieder behauptet. Groß ist wohl die Ablehnung der
bürgerkriegsähnlichen Gewalt in Syrien – schon allein, weil sie eine
nicht zu unterschätzende Gefahr für den Frieden in Nahost darstellt, der
leicht unabsehbare Folgen haben könnte, aber an einem Systemwechsel in
Syrien sind kaum mehr Staaten interessiert als die Westmächte selbst
(insbesondere die USA) und einige nicht sehr vertrauenerweckende
arabische Golfstaaten. Andererseits können die Urheber der Kampagne aber
auch nicht mehr zurück, da der Syrien-Konflikt im Kern nur Bestandteil
eines ökonomisch bedingten Rollback in der Region ist, mit dem letztlich
die wichtigsten Rohstoffquellen unter eigene Kontrolle gebracht bzw.
gehalten werden sollen. Eine Politik, die sich allerdings einer nicht
sehr kriegsbegeisterten Öffentlichkeit nur als Kampf um Menschenrechte,
Demokratie oder wenigstens Friedenspolitik unterjubeln läßt.
In
dieser Situation ringen die Westmächte – konkret sind es in diesem Falle
die USA, Frankreich, Großbritannien, Portugal und Deutschland – um eine
neue Resolution im Weltsicherheitsrat. Sinn der Übung ist es wenigstens
die Legitimation für "nichtmilitärische" Sanktionen nach Paragraf 41
der UN-Charta zu bekommen. Militärische (nach Paragraf 42) wären ohnehin
nicht durchsetzbar. Allerdings hat Rußland bereits deutlich gemacht,
daß man auch zu nichtmilitärischen nicht bereit sei. Stattdessen
versucht Rußland einie eigene diplomatische Offensive, bezieht sich
abermals auf den Annan-Plan, den sein Urheber vor kurzem – wie es
scheint etwas voreilig – für "gescheitert" erklärt hatte und schlägt
eine eigene Resolution vor. Desweiteren spricht Rußland jetzt auch
selbst mit einigen Kräften der Opposition, u.a. aus dem syrischen
Nationalrat. Ziel dabei offenkundig, auch deren Reihen nach Rissen
abzutasten und die verhandlungsbereiten Teile in Stellung zu bringen
gegen diejenigen, die eigentlich nur die Vorwände für eine – auch offen
geforderte – militärische Intervention liefern wollen.
Offenkundig
verliert die US-Administration derzeit zusehends die Geduld und bedroht
bereits – in Gestalt der Außenministerin Hillary Clinton – Rußland und
die VR China, die einen "hohen Preis" bezahlen müßten. Im Moment
zeichnet sich keine realistische Lösung des Konflikts ab, da die
syrische Armee ebenso wie das politische System weit stabiler ist als
seinerzeit das libysche und auch das Zerbomben der syrischen Armee mit
Hilfe der eigenen Luftwaffe, wie in Libyen geschehen, mit weit größeren
Risiken behaftet ist. Denkbar wäre allerdings das Syrien-Thema
zeitweilig wieder herunter zu kochen und den Umweg über eine andere
Baustelle zu nehmen. Es führen eben viele Wege nach Teheran. Der
Vorkrieg hat schon begonnen."
Quelle: http://www.berlinerumschau.com/news.php?id=57112&title=Der+Vorkrieg+hat+schon+begonnen+%96+Westm%E4chte+treiben+Destabilisierung+Syriens+weiter&storyid=1001342098397
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