Syriens Öffentlichkeit fragt sich, wer hinter den Massenhinrichtungen steckt
In Hama war gerade etwas Ruhe eingekehrt. Das Massaker hat die Bemühungen darum zunichte gemacht.
»Damit haben wir doch gerechnet. Jedes Mal, wenn im UN-Sicherheitsrat
eine Resolution zu Syrien diskutiert wird, müssen wir hier dafür
bezahlen.« Der Mann, der nicht möchte, dass sein Name in der Zeitung
steht, blickt mit starren Augen auf den Fernseher, wo auf fast allen
Kanälen seit Stunden über »ein neues Massaker durch syrische
Regierungstruppen« berichtet wird.
Die ersten Meldungen kamen am Donnerstagabend als »Schlagzeile« auf dem
katarischen Sender Al Dschasira. Die syrische Armee habe in dem Dorf
Treimsa (Provinz Hama) ein Massaker angerichtet, der UN-Sicherheitsrat
müsse eine Resolution nach Kapitel VII der UN-Charta beschließen und
militärisch eingreifen. Quelle der Meldungen war die in London ansässige
Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Unter Berufung auf
einen »Revolutionären Rat von Hama« gab sie an, dass regierungsnahe
Milizen in dem Ort Gräueltaten verübt und »eine Person nach der anderen«
getötet hätten. Zuvor habe die syrische Armee den Ort umstellt und
angegriffen.
»Mehr als 220 Menschen« seien in Treimsa getötet worden. Sie seien »von
Panzern, aus Hubschraubern und von Artillerie« beschossen worden, es
habe auch Massenhinrichtungen gegeben.
Im syrischen Fernsehen sagte Arif al-Khalid, ein telefonisch
zugeschalteter Augenzeuge aus Treimsa, dass bewaffnete Kämpfer den Ort
überfallen und darin wild gewütet hätten. Häuser seien angezündet und in
die Luft gesprengt worden. Mehr als 50 Personen seien ermordet worden.
Weiter hieß es, die Dorfbewohner hätten die Armee angerufen, die um 3
Uhr am Donnerstag das Dorf umstellt habe. Der Angriff habe um 6 Uhr
begonnen, mehr als 150 Kämpfer seien getötet worden. Bei den
festgenommenen Kämpfern habe man in Israel hergestellte Maschinengewehre
gefunden.
In der libanesischen Onlinezeitung »Al Akhbar« wurde derweil eine
weitere Version verbreitet. Danach seien vor allem bewaffnete Kämpfer
der »Freien Syrischen Armee« in dem Dorf getötet worden, nachdem sie
einen Militärkonvoi angegriffen hätten. Nicht mehr als sieben Zivilisten
seien ums Leben gekommen, zitiert die Zeitung einen Mann namens Jaafar,
der sich als Aktivist des Shaam-Nachrichten-Netzwerks ausgab. Dabei
handelt es sich um eine mit US-Know-How und -Technologie aufgebaute Art
Nachrichtenagentur der Aufständischen.
Der Leiter der UN-Beobachtermission in Syrien (UNSMIS), General Robert
Mood, sagte bei einer Pressekonferenz am Freitagmorgen, das
Beobachterteam in Hama habe anhaltende Kämpfe in der Umgebung von
Treimsa bestätigt. Man habe aus einer Entfernung von fünf bis sechs
Kilometern vom Kampfgeschehen feststellen können, dass »Panzer,
Artillerie und Hubschrauber« im Einsatz gewesen seien. Sobald es einen
zuverlässigen Waffenstillstand gebe, würden UN-Beobachter den Ort
aufsuchen und versuchen, die Fakten zu verifizieren. Journalisten, für
die es in den Kampfgebieten gefährlich ist zu berichten, können sich den
UN-Beobachtern anschließen.
In den vergangenen Wochen war es dem neu ernannten Staatsminister für
nationale Versöhnung, Ali Haidar, nach intensiven Gesprächen gelungen,
dass etwas mehr Ruhe in die Provinz und die Stadt Hama eingekehrte.
Haidar, der selber viele Jahre inhaftiert war, führt Gespräche mit allen
Akteuren des Konflikts, auch mit den bewaffneten Aufständischen.
Besonders in ländlichen Gebieten werden auch Geistliche und
Stammesführer in Versöhnungsgespräche einbezogen. Die syrische Regierung
versucht, Ort für Ort in die Gespräche einzubeziehen, um Gewaltorgien
und Kämpfe zu stoppen und zu einem umfassenderen Dialog und zu
Verhandlungen zu kommen.
Das Bemühen wird von politischen Beamten der UNSMIS unterstützt. General
Mood gab am Freitag bekannt, dass es einem seiner Teams gelungen sei,
zwischen verschiedenen Parteien in der ostsyrischen Provinz Deir Ezzor
einen lokalen Dialog zu vermitteln. Man versuche, Vertrauen aufzubauen."
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