Montag, 3. September 2012

Wieviel Wahrheit ist an Meldungen über angebliche Rebellenangriffe auf Militärflughäfen?

"Seit Donnerstag vergangener Woche kommen aus Syrien Nachrichten über Rebellenangriffe auf Militärbasen, darunter in erster Linie auf Militärflughäfen der syrischen Streitkräfte. Den Nachrichten nach sind diese Attacken größtenteils erfolglos geblieben, wenn man von den Verlusten der syrischen Armee absieht.
Diese Attacken waren allerdings offenbar untereinander koordiniert und erweckten den Anschein einer geplanten Operation mit einem gemeinsamen taktischen Ziel. Dabei ist hervorzuheben, dass nicht nur die Einheiten der FSA, sondern gleichfalls ausländische Söldnerbanden und islamistische Trupps daran beteiligt waren, was relativ deutlich davon zeugt, dass die scheinbar so verschieden gebürsteten Militias, die in Syrien unter je ihrer eigenen Flagge Terror verbreiten, ein zentrales Kommando haben und zumindest in solchen Episoden auf selbiges hören. Es war von den vorher durch PR so hochgepeppelten Deserteurenhelden wie etwa General al-Sheikh und Major Asaad, die formal als das Oberkommando des “bewaffneten Arms der Opposition” (FSA und “Militärrat”) gelten, nichts zu hören - es sieht so aus, als stünden andere Leute und Strukturen hinter dieser Operation.
Diverse Agenturen meldeten beispielsweise die Abwehr eines Angriffs auf einen Luftwaffenstützpunkt nördlich von Aleppo. Dieser Stützpunkt ist einer von den beiden Hubschrauberstützpunkten (der zweite befindet sich in der Gegend von Idleb), von dem aus die syrischen Streitkräfte Hubschrauberangriffe gegen die Banden in Aleppo fliegen und Jagd auf die sich im offenen Gelände bewegenden Rebellen machen.
Die Lufthoheit gestattet es der Armee, die Versorgung der in der Stadt blockierten Rebellen maximal zu erschweren. Da diese keine Möglichkeit haben, sich geordnet aus der Stadt zurückzuziehen, ist es nur logisch, dass sie sich auf kurze, die Armee irritierende Angriffe auf deren Positionen verlagern und lange nicht mehr von ihrem einstmaligen Ziel sprechen, die (eine) Stadt oder eine bestimmte Provinz unter ihre Kontrolle zu bringen. Vesti.Ru publizierte das Statement eines Rebellen-Feldkommandeurs, welches darauf schließen lässt, dass die Rebellenbanden auf Zeit spielen:
Wenn es uns gelingt, unsere Positionen zu halten und von dort aus Angriffe zu starten, so wird das Assad-Regime sowohl an der internationalen, wie auch an der regionalen und lokalen Front Verluste erleiden, während sich die Positionen unserer Kämpfer festigen. Das gibt uns die Chance, uns neu zu bewaffnen und personell aufzustocken.
Die Ziele haben sich also gewandelt. Es geht um’s Überleben - eine Taktik, welche einen Sieg, wie er beim Angriff auf Aleppo proklamiert wurde (“Das Ende des Ramadan begehen wir in Damaskus!” usw.). gar nicht mehr vorsieht.
Weiteren Meldungen zufolge haben die Rebellenkämpfer eine syrische Luftabwehrstellung in “Abu Kamal” (Al Bukamal?) eingenommen. Dabei “haben sie nach eigenen Angaben eine nicht näher genannte Zahl von Luftabwehrraketen des Typs Cobra erbeutet.” Es ist jetzt erst einmal unklar, was das für eine LAR vom Typ “Cobra” sein soll - unter diesem Namen ist nur eine alte Panzerabwehrrakete aus den 1950’er Jahren bekannt. Die Russen sprechen in der selben Episode von der Erbeutung von tragbaren russischen Luftabwehrraketen des Typs “Strela”. (Update: Diese Unstimmigkeit scheint auch schon anderen aufgefallen zu sein. Hier eine Diskussion dazu.)
Es wäre logisch, in einer Stellung der Luftabwehr Startrampen und rampenbasierte Luftabwehrrakten (z.B. S-200) vorzufinden, allerdings ist davon seltsamerweise nicht die Rede. Der Akzent der Meldung (noch deutlicher in russischen Quellen, in denen von “Strela” die Rede ist) liegt eher darauf, dass diese erbeuteten Luftabwehrraketen eben zu denen des tragbaren Typs (MANPADS) gehören.
Nun eine gute Frage: wozu sollte es in einer Basis der Luftabwehr ein Arsenal an tragbaren LAR geben? Vielleicht sollte man für den Fall, dass die S-200 ihr Ziel verfehlt, dafür gerüstet sein, dem feindlichen Flugobjekt hinterherzurennen und ihm eine “Strela” (Cobra?) überzubraten? Wofür sollte es in einem Stützpunkt der Luftabwehr eine Menge an Waffen geben, mit denen ganz andere Streitkräfte operieren? Wenn man das so liest, erscheint es schon seltsam genug, dass die Rebellen dort nicht auch “chemische Waffen” erbeutet haben.
Diese beiden Unstimmigkeiten (Typ “Cobra” und ein Arsenal MANPADS in einem Luftabwehrstützpunkt) lassen eher den Gedanken aufkommen, dass es keinerlei Eroberung von Luftabwehrstellungen gegeben hat - dabei kann es freilich immer noch sein, dass die Rebellen irgendetwas angegriffen haben. Doch unter dem Vorwand der Meldung von erbeuteten MANPADS kann dieser Typ Waffen jetzt quasi “legal” an die Rebellen geliefert werden. Dieselben Rohre werden dann zwar tatsächlich z.B. libyschen Ursprungs sein, aber die Nachricht ist raus - die Rebellen haben sie. Damit dürften sie demnächst auch vermehrt eingesetzt werden.
 
Fazit. Das Kommando über die derzeitigen Operationen der scheinbar so völlig verschiedenen bewaffneten Rebelleneinheiten ist vermutlich, zumindest episodenweise, in den Händen von türkischen oder NATO-Strukturen. Das würde das bisherige Schweigen des FSA-Kommandos und des Militärrats, die Professionalität und Effizienz der an sich recht schwierigen, hier aber gut miteinander koordinierten Operationen erklären.
Zweifellos soll versucht werden, die Lufthoheit der syrischen Streitkräfte in Frage zu stellen. Die vergeblichen Versuche der Errichtung von Flugverbotszonen lassen Versorgung und Nachschub für die Rebellen zu einem fast unmöglichen Unterfangen werden. Mit einer vor den Augen der “Weltöffentlichkeit” plausiblen Herkunft von MANPAD-Systemen kann man nun ohne Weiteres das daran reichhaltige libysche Arsenal in Syrien entladen."
 
 

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