"Jürgen Todenhöfer: Herr Präsident, Angehörige der Opposition und
westliche Politiker sind der Auffassung, dass Sie das größte Hindernis
für den Frieden in Ihrem Land sind. Wären Sie bereit, als Präsident
zurückzutreten, wenn ein solcher Schritt Ihrem Land Frieden bringen und
das Blutvergießen beenden könnte?
Bashar al-Assad: Ein Präsident
sollte vor nationalen Herausforderungen nicht davonlaufen und wir stehen
hier im Augenblick vor einer nationalen Herausforderung in Syrien. Der
Präsident kann sich einer solchen Situation nicht einfach entziehen. Auf
der anderen Seite jedoch, kann man nur dann in einer solchen Funktion
verbleiben, wenn man sich der Unterstützung durch die Öffentlichkeit
sicher sein kann. Daher müsste die Antwort auf diese Frage eine Antwort
seitens der Öffentlichkeit sein und durch das syrische Volk anlässlich
von Wahlen und nicht durch den Präsidenten gegeben werden. Ich kann mich
als Kandidat aufstellen, ich kann zur Wahl antreten oder auch nicht.
Aber ob ich gehe oder nicht gehe, das soll das syrische Volk
entscheiden.
Jürgen Todenhöfer: Glauben Sie, dass Sie nach wie vor eine Mehrheit in Ihrem Land hinter sich haben?
Bashar
al-Assad: Wenn ich nicht die Unterstützung durch die Öffentlichkeit
hätte, wie könnte ich dann in diesem Amt verbleiben? Die Vereinigten
Staaten sind gegen mich, der Westen ist gegen mich, zahlreiche regionale
Mächte und Länder sind gegen mich, wenn dann auch noch das Volk gegen
mich wäre, wie könnte ich mich dann in meiner Stellung halten? Also
lautet die Antwort: Ja. Natürlich genieße ich nach wie vor die
Unterstützung durch die Öffentlichkeit – wie groß diese ist, wie viel
Prozent, darüber habe ich im Moment keine Zahlen. Das ist eine andere
Frage. Aber, um in dieser Stellung zu bleiben, in einer solchen
Situation, dazu braucht man die öffentliche Unterstützung.
Jürgen
Todenhöfer: Ich bin zu einigen dieser Demonstrationen gegangen - auch
in Homs. Das waren friedliche Demonstrationen. Ist es nicht legitim,
dass die Menschen mehr Freiheit und Demokratie fordern und weniger Macht
in den Händen nur einer Familie, in den Händen der Geheimdienste?
Bashar
al-Assad: Können wir zuerst Ihre Frage korrigieren, damit wir eine
korrekte Antwort geben können? Es gibt hier keine Macht in den Händen
einer Familie. Es gibt in Syrien den Staat und es gibt die Institutionen
– vielleicht nicht die idealen Institutionen. Aber hier regiert nicht
eine Familie das Land. Wir sind ein Staat. Das dazu. Und nun können wir
Ihre Frage beantworten. Natürlich haben sie das Recht, sie haben das
legitime Recht, ob sie nun als Demonstranten auftreten oder nicht. Nicht
nur die Demonstranten verlangen ja nach Freiheit. Tatsächlich verlangt
die Mehrheit des Volkes nach Reformen, nach politischen Reformen – und
nicht nach Freiheit. Freiheit haben wir. Nicht die ideale Freiheit.
Nein, sie verlangen nach Reformen. Sie wollen in stärkerem Maße
Beteiligung an der Macht und an der Regierung ihrem Land. Und das ist
legitim. Aber die Mehrheit beteiligt sich nicht an den Demonstrationen.
Da gibt es die, die demonstrieren und die anderen. Aber legitim ist das.
Jürgen Todenhöfer: Eine Frage, die jedermann im Westen und auch
in Ihrem Lande stellt: Wer hat diese Tausenden Zivilisten umgebracht,
die in dem Konflikt ums Leben gekommen sind? Die Opposition beschuldigt
Sie.
Bashar al-Assad: Wenn man fragt, wer jemanden umgebracht
hat, gilt es zunächst zu klären, wer denn umgebracht wurde. Man kann
nicht über die Verbrecher reden, solange man die Opfer nicht kennt. Die
Opfer, die Sie ansprechen, gehören in ihrer Mehrheit zu den
Unterstützern der Regierung. Wie kann man gleichzeitig Verbrecher und
Opfer sein? Die Mehrheit von Ihnen sind Menschen, die die Regierung
unterstützen und ein großer Teil der übrigen sind völlig unschuldige
Menschen, die durch unterschiedliche Gruppen in Syrien getötet wurden.
Jürgen
Todenhöfer: Würden Sie einräumen, dass zumindest ein gewisser
Prozentanteil dieser unschuldigen Zivilisten durch Ihre
Sicherheitskräfte getötet wurde?
Bashar al-Assad: Nein, eine
Zahl haben wir nicht. Es gibt eine Untersuchungskommission, die alle
Verbrechen untersucht, die sich in Syrien ereignet haben. Den Listen,
den Namen, die uns vorliegen, zufolge, wurde der (weitaus) größte Anteil
von Banden getötet. Es handelt sich dabei um ganz verschiedene Banden.
Ob nun Al Kaida oder Extremisten oder Gesetzlose, die sich schon vor
Jahren dem Zugriff der Polizei entzogen haben.
Jürgen Todenhöfer:
Also sagen Sie, dass die Rebellen, die Sie als Terroristen bezeichnen,
mehr Zivilisten umgebracht haben als die Sicherheitskräfte?
Bashar
al-Assad: Eigentlich nicht. Sie haben mehr Sicherheitsleute und
Soldaten vielleicht umgebracht, als Zivilisten. Ich spreche hier über
die Regierungsanhänger.
Jürgen Todenhöfer: Aber wenn wir nur über die Zivilisten sprechen?
Haben
die Rebellen mehr Zivilisten umgebracht als die Sicherheitskräfte? Oder
haben die Sicherheitskräfte mehr Zivilisten umgebracht?
Bashar
al-Assad: Ja, das meine ich ja gerade. Wenn wir über die
Regierungsanhänger reden, dann sind die Opfer aus Sicherheitsdiensten
und Armee zahlreicher als die Zivilisten.
Jürgen Todenhöfer: Sie
sagten, es laufen Untersuchungen gegen diejenigen Angehörigen der
Sicherheitsdienste, die unschuldige Zivilisten getötet haben könnten.
Sind einige von ihnen bestraft worden?
Bashar al-Assad: Ja, natürlich. Sie wurden inhaftiert und werden nun vor Gericht gestellt. Wie jeder andere Verbrecher.
Jürgen
Todenhöfer: Wer hat das Massaker von Hula begangen, bei dem mehr als
einhundert Menschen brutal ermordet wurden, darunter zahlreiche Kinder?
Bashar
al-Assad: Verbrecherbanden kamen zu Hunderten von außen, nicht aus der
Stadt und griffen die Stadt und Polizisten an. Sie haben die Stadt und
die dort stationierte Polizei- und Sicherheitseinheit angegriffen. Und
dann brachten sie viele Familien und dabei auch, wie Sie erwähnen,
Kinder und Frauen um. Und diese ermordeten Familien zählten tatsächlich
nicht zur Opposition sondern zu den Regierungsanhängern.
Jürgen
Todenhöfer: Jemand, der in Hula lebt, und der Angehörige seiner Familie
verloren hat, sagte mir, die Mörder hätten Armeeuniformen getragen.
Warum trugen sie Armeeuniformen?
Bashar al-Assad: Einfach, um
unsere Regierung zu beschuldigen. Das ist schon oft so gelaufen. Sie
begehen ein Verbrechen, nur um unsere Regierung zu beschuldigen. Sie
begehen ein Verbrechen, sie veröffentlichen Videos, gefälschte Videos,
sie tragen die Uniformen unserer Soldaten um sagen zu können, es war die
Armee – sie hat die Menschen umgebracht in Syrien.
Jürgen Todenhöfer: Sie sagen, das sei eine der Strategien der Rebellen?
Bashar al-Assad: Ja, von Anfang an. Das machen sie dauernd so. Und zwar nicht nur in Hula, sondern an vielen Orten.
Jürgen Todenhöfer: Wer sind diese Rebellen, die Sie als Terroristen bezeichnen?
Bashar
al-Assad: Das ist eine bunte Mischung aus Leuten von Al Kaida und
anderen Extremisten, nicht unbedingt von Al Kaida, sowie Gesetzlosen,
die sich dem Zugriff der Polizei entziehen und vorwiegend Drogen von
Europa in die Golfregion schmuggeln. Und viele andere, die wegen der
verschiedensten Verbrechen verurteilt wurden. Also ein buntes
Durcheinander.
Jürgen Todenhöfer: Wie viele Rebellen bekämpfen Ihre Regierung?
Bashar al-Assad: Zahlen gibt es nicht, aber Sie können ruhig von Tausenden reden.
Jürgen Todenhöfer: Zwanzig, dreißig?
Bashar al-Assad: Kann ich Ihnen nicht sagen. Ich werde Ihnen keine Zahl nennen, wenn ich das nicht mit Genauigkeit tun kann.
Jürgen Todenhöfer: Würden Sie sagen, dass alle diese Rebellen Terroristen sind?
Bashar
al-Assad: Es kommt darauf an, was sie tun. Wenn sie Menschen
attackieren, wenn sie niederbrennen und zerstören, dann ist das nach dem
Gesetz Terrorismus. Aber es sind auch Personen dabei ohne Verbrecher zu
sein. Aus den verschiedensten Gründen. Zum Beispiel aus finanziellem
Interesse. Manche bekommen Geld, andere werden bedroht. Andere machen
sich irgendwelche Illusionen oder haben solche verloren. Also, sie sind
nicht alle Terroristen. Deswegen haben wir viele von ihnen auf freien
Fuß gelassen, nachdem sie ihre Waffen niedergelegt hatten.
Jürgen Todenhöfer: Konnten Sie einige der Al Kaida–Kämpfer festnehmen, die Sie vorhin erwähnt haben?
Bashar al-Assad: Ja, wir haben viele von ihnen verhaftet – Dutzende.
Jürgen Todenhöfer: Und aus welchen Ländern stammen die?
Bashar al-Assad: Ich meine Tunesier und Libyer.
Jürgen Todenhöfer: Kann ich mit einem von ihnen sprechen?
Bashar al-Assad: Ja, das können Sie.
Jürgen Todenhöfer: Mit einem Dolmetscher, allein?
Bashar al-Assad: Natürlich.
Jürgen Todenhöfer: Welche Rolle spielen in diesem Konflikt die Vereinigten Staaten?
Bashar
al-Assad: Sie sind Teil dieses Konflikts. Sie spannen einen Schirm auf
und bieten diesen Banden politischen Schutz um Syrien zu
destabilisieren.
Jürgen Todenhöfer: Sie sagen, die Vereinigten Staaten unterstützen die Rebellen politisch - ist das korrekt?
Bashar al-Assad: Ja, ganz genau.
Jürgen
Todenhöfer: Und Sie sagen, diese Rebellen, die Sie Terroristen nennen,
bringen Zivilisten um? Das heißt, Sie machen die US-Regierung, zumindest
teilweise, verantwortlich für die Ermordung von unschuldigen syrischen
Zivilisten. Ist das richtig?
Bashar al-Assad: Natürlich. Ja,
genau. Solange sie in irgendeiner Weise Terroristen Unterstützung
gewähren, werden Sie zu deren Partner. Mit Waffen, Geld oder öffentliche
und politische Unterstützung in der UNO - oder wo auch immer – ist das
die Implikation.
Jürgen Todenhöfer: Es ist Ihnen bekannt, dass
Politiker im Westen das anders sehen und dass sie über eine
Militärintervention in Syrien diskutieren? Wie würden sie darauf
reagieren? Vergeltung üben gegen Staaten des Westens?
Bashar
al-Assad: Es geht da nicht um Vergeltung sondern um die Verteidigung
unseres Landes. Unsere Priorität ist es, unser Land zu verteidigen und
nicht Vergeltung zu üben gegenüber irgendjemandem. Dies ist unsere
Pflicht und daher auch unser Ziel.
Jürgen Todenhöfer: Und sind sie vorbereitet auf solch einen Angriff?
Bashar al-Assad: Ob man vorbereitet ist oder nicht. Man hat sein Land zu verteidigen und muss also vorbereitet sein.
Jürgen
Todenhöfer: Wenn die Vereinigten Staaten für Sie ein Teil des Problems
sind, warum verhandeln Sie dann nicht mit Ihnen? Warum laden Sie Hillary
Clinton nicht nach Damaskus ein? Warum machen Sie nicht den ersten
Schritt?
Bashar al-Assad: Wir haben nie irgendeinem Land oder
irgendeinem Vertreter eines Landes die Tür versperrt, solange sie zur
Lösung eines Problems beitragen wollen. Vorausgesetzt, sie sind
ernsthaft und aufrichtig. Aber sie haben die Tür zugeschlagen. Wir haben
damit kein Problem. Ich habe immer wieder, auch öffentlich, bekannt
gegeben, dass wir bereit sind für jede Art von Hilfe und Dialog.
Jürgen
Todenhöfer: Wären Sie bereit zu einem Dialog mit Hillary Clinton? Wären
Sie bereit, mit ihr durch die Straße von Damaskus zu gehen? Ihr die
Krankenhäuser zu zeigen – die ganze Situation in der Stadt?
Bashar
al-Assad: Wie gesagt, versperren wir die Tür niemandem und dazu gehören
auch die Amerikaner und alle anderen. Es geht da nicht speziell um
Hillary Clinton oder einen anderen Regierungsvertreter, wir haben damit
kein Problem. So etwas haben wir immer wieder getan - wie Sie sagen -
mit anderen durch die Straße zu laufen - und würden das auch wieder tun.
Gar kein Problem.
Jürgen Todenhöfer: Kommen wir zur Lage im
Inneren. Sind Verhandlungen mit den verschiedenen Oppositionsgruppen
nach wie vor eine realistische Option oder gehen Sie davon aus, dass Sie
diesen Konflikt bis zum bitteren Ende durchfechten müssen?
Bashar
al-Assad: Der Dialog ist eine strategische Option, was immer Sie sonst
auch tun. Welche anderen Optionen Sie auch sonst noch haben mögen. Den
Dialog brauchen Sie und sei es nur, um sicherzustellen, dass Sie auch
friedlich etwas erreichen können. Aber solange Sie es mit Terrorismus zu
tun haben, und solange der Dialog nicht funktioniert, müssen Sie den
Terror bekämpfen. Sie können nicht nur einfach auf Dialog setzen solange
sie Ihr Volk und Ihre Soldaten umbringen.
Jürgen Todenhöfer: Aber Sie könnten ja den Dialog mit denen führen, die nicht Terroristen sind.
Bashar
al-Assad: Wir hatten im letzten Sommer einen Dialog und wir hatten sie
auch ständig weiter dazu eingeladen. Einige von ihnen haben „ja“ gesagt,
den Dialog akzeptiert und sich an den Parlamentswahlen beteiligt. Sie
bekamen auch Sitze im Parlament und Ministerien in der neuesten
Regierung von letzter Woche.
Jürgen Todenhöfer: Aber bei den letzten Wahlen sind sie nur auf 2% gekommen.
Bashar
al-Assad: Ja, aber daran sind nicht wir Schuld. Wir haben denen ja
nicht so und so viel Prozent anzubieten. Wir bilden ja nicht die
Regierung.
Jürgen Todenhöfer: Wären Sie auch bereit, mit der Opposition im Exil zu reden?
Bashar al-Assad: Ja. Und das haben wir auch gesagt. Wir sind bereit, mit allen zu reden.
Jürgen Todenhöfer: Wären Sie auch bereit, mit Rebellen zu reden und zu verhandeln, wenn diese ihre Waffen niederlegen?
Bashar
al-Assad: Eindeutig: Ja. Wir haben das auch schon getan und haben ihnen
eine Amnestie gewährt. Einige von ihnen leben inzwischen ein ganz
normales Leben – ohne alle Probleme.
Jürgen Todenhöfer: Sie sind also bereit, mit jedem zu reden, der seine Waffen niederlegt?
Bashar al-Assad: Natürlich. Und wir haben auch schon vorher mit ihnen gesprochen, um zu den genannten Ergebnissen zu kommen.
Jürgen Todenhöfer: Wie steht es mit dem Kofi-Annan-Plan, ist er gescheitert?
Bashar
al-Assad: Nein, der sollte auch nicht scheitern. Kofi Annan macht
bisher eine schwierige, aber sehr gute Arbeit. Wir wissen, dass er auf
zahllose Hindernisse stößt, aber sein Plan sollte nicht scheitern. Es
ist ein sehr guter Plan.
Jürgen Todenhöfer: Nennen Sie mir das größte Hindernis.
Bashar
al-Assad: Das größte Hindernis ist, dass viele Länder den Erfolg dieses
Plans gar nicht wollen, also bieten sie politische Unterstützung an und
versorgen die Terroristen in Syrien weiterhin mit Waffen und mit Geld.
So versuchen sie, den Plan zum Scheitern zu bringen.
Jürgen Todenhöfer: Wer schickt Waffen nach Syrien? Welches Land unterstützt die Rebellen am meisten?
Bashar
al-Assad: Wenn man keine konkreten Beweise hat, dann muss man nach
Anzeichen gehen. Das sind ja Länder, die offiziell ankündigen, sie
wollten diese Terroristen unterstützen. In erster Linie der
Außenminister Saudi Arabiens und sein Amtskollege in Katar. Sie haben
ihre Unterstützung ganz offen bekannt gegeben. Wohlgemerkt, was die
Bewaffnung betrifft. Die Türkei hat, meine ich, logistische Hilfe beim
Schmuggeln angeboten.
Jürgen Todenhöfer: Und die Vereinigten Staaten?
Bashar al-Assad: Die Vereinigten Staaten bieten im Wesentlichen, soweit wir wissen, politische Unterstützung.
Jürgen Todenhöfer: Auch Kommunikationsmittel?
Bashar
al-Assad: Uns liegen gewisse Informationen darüber vor. Ich habe es
nicht erwähnt, weil wir keine konkreten Beweise haben, die wir Ihnen
vorlegen könnten.
Jürgen Todenhöfer: Und wie sieht es mit dem
Kofi-Annan-Plan einer Einheitsregierung mit den verschiedenen
Oppositionsgruppen, unter Einschluss von Mitgliedern der Bath-Partei,
aus?
Bashar al-Assad: Da sprechen Sie jetzt von der Genfer Konferenz.
Jürgen Todenhöfer: Ja, von seinem Plan einer Einheitsregierung.
Bashar
al-Assad: Wir haben in Syrien darüber gesprochen. Wir haben jetzt ja
eine Einheitsregierung – auch mit der Opposition. Auch mit dem Teil der
Opposition, der sich an den Wahlen beteiligt hat. Die sind ja auch in
der Regierung. Aber man braucht natürlich Kriterien, wie definiert sich
Opposition. Da gibt es Zehntausende, Hunderttausende oder Millionen.
Können die alle mitmachen? Für diese Art von Demokratie der Regierung
brauchen Sie Mechanismen neben den Kriterien. Für mich, zum Beispiel,
die Wahlen. Wenn sie Menschen vertreten, dann kandidieren sie, gewinnen
Sitze und können dann auch in die Regierung. Wenn sie aber, ohne Sitze,
nur Opposition machen, wen vertreten sie dann? Vielleicht nur sich
selbst.
Jürgen Todenhöfer: Wann sind denn die nächsten Wahlen?
Bashar al-Assad: Welche Wahlen meinen Sie? Die zum Parlament?
Jürgen Todenhöfer: Nein, die nächsten Präsidentschaftswahlen.
Bashar al-Assad: Nein, nein, ich meine die Parlamentswahlen. Die waren ja erst vor zwei Monaten.
Jürgen
Todenhöfer: Aber die Exilopposition, zum Beispiel, war ja gar nicht
dabei. Würden Sie eine Beteiligung der Exilopposition an einer
Interimsregierung akzeptieren? Nennen wir die Übergangsregierung einmal
so.
Bashar al-Assad: Wenn die unsere Regeln und Gesetze
einhalten können und sich nicht an kriminellen Aktivitäten beteiligen
und nicht die NATO und andere Länder auffordern, Syrien anzugreifen, was
ja gegen unsere Gesetze verstößt, dann haben sie das Recht,
mitzumachen. Kein Problem für uns. Ein großer Teil der Opposition in
Syrien war ja auch dabei. Warum sollten wir die Opposition außerhalb des
Landes fernhalten. Dafür hätten wir als Regierung gar keinen Grund.
Jürgen Todenhöfer: Ein Mann wie Ghalioun oder den neuen Präsidenten des Nationalrats, würden sie die akzeptieren?
Bashar
al-Assad: Es geht da nicht um Namen oder Positionen sondern um
Grundsätzliches. Da müssen wir uns jeden Einzelfall ansehen. Hat jemand
gegen geltendes Recht verstoßen, sodass er nicht kandidieren könnte? Das
muss für jeden gelten. Das ist keine Frage der Mittel.
Jürgen
Todenhöfer: Herr Präsident, wenn Sie daran denken, was aus den Führern
Ägyptens und Libyens geworden ist, wenn Sie sich der Bilder erinnern,
die wir alle im Fernsehen gesehen haben – haben Sie dann nicht Angst um
Ihre Familie, um Ihre Frau und Ihre kleinen Kinder?
Bashar
al-Assad: Sie sprechen von zwei ganz verschiedenen Szenarien. Wenn Sie
an Al Gaddafi denken: Das war ja reine Brutalität, das war kriminell.
Was immer er verbrochen haben mag, wer immer er war, niemand auf der
Welt kann das hinnehmen, jemanden so umzubringen. Bei Mubarak war das
ganz anders. Das war ein Prozess. Jeder Bürger, der im Fernsehen einen
Prozess sieht, versetzt sich an seine Stelle und denkt „da möchte ich
nicht stehen“, also soll er sich entsprechend verhalten. Aber wenn Sie
Angst ansprechen, dann muss ja der Vergleich stattfinden und wir sind in
einer völlig anderen Situation. In Ägypten ist es ganz anders gelaufen
als in Syrien, in einem anderen geschichtlichen Zusammenhang. Ebenso das
gesellschaftliche Gefüge. Und wir haben immer eine andere Politik
verfolgt. Da gibt es keine Gemeinsamkeiten und keinen Vergleich. Und man
braucht auch keine Angst haben - höchstens Bedauern oder Mitleid
empfinden.
Jürgen Todenhöfer: Sie haben eine harte Opposition
gegen sich und entschlossene Rebellen. Sie wissen, was die vorhaben.
Daher noch einmal meine Frage: Haben Sie Angst um Ihre Familie?
Bashar
al-Assad: Das wichtigste überhaupt bei allem, was man tut: Man muss
davon überzeugt sein. Da muss man nicht um sein Leben fürchten. Die
Leute können ganz anderer Meinung sein als Sie, aber sie spüren, dass
Sie im Interesse Ihres Landes handeln. Wer sich für sein Land einsetzt,
muss keine Angst haben. Wenn Sie die Bevölkerung schützen, warum sollen
Sie dann Angst haben. Gut, Sie sprechen von Tausenden von Opfern. Aber
was wäre, wenn Sie Hunderttausende hätten? So könnte es ja in Syrien
kommen.
Jürgen Todenhöfer: Wenn man alles zusammenfasst, welche
Lösung haben Sie für den Konflikt in diesem Land? Und noch einmal meine
Frage: Denken Sie, dass Sie das bis zum bitteren Ende durchkämpfen
müssen?
Bashar al-Assad: Wir müssen eine Lösung auf zwei Achsen
sehen: Dass Terroristen bekämpft werden müssen, steht völlig außer Frage
– überall auf der Welt. Und was machen Sie, wenn jemand Zivilisten
umbringt, Unschuldige, Kinder und auch Ihre Soldaten, die Polizei und
alle? Da müssen Sie kämpfen, da ist keine Dialogbereitschaft. Und so ist
es hier bisher. Dann die zweite Achse: Der Dialog mit den verschiedenen
politischen Kräften und gleichzeitig der Reformprozess, der zur
Einbindung aller führt. Und dann werden die Menschen an der Urne
entscheiden, wer sie vertreten soll.
Jürgen Todenhöfer: Können diese Reformen denn nicht schneller kommen?
Bashar
al-Assad: Das ist sehr subjektiv. Sie sagen langsam und ich vielleicht
schnell. Am Ende muss gelten, dass man so schnell macht wie möglich,
ohne einen zu hohen Preis dafür zu bezahlen oder große Nebenwirkungen zu
riskieren. Also, so schnell wie möglich, und das hat nichts mit mir zu
tun und auch nicht mit der Regierung. Das ergibt sich aus den objektiven
Umständen in Syrien.
Jürgen Todenhöfer: Herr Präsident, unsere
Zeit läuft ab. Wo würden Sie Ihr Land gerne in zwei Jahren sehen? Welche
Vision haben Sie für Syrien?
Bashar al-Assad: Ich würde gerne zu
jedem Zeitpunkt ein blühendes Land sehen. Damit meine ich eine bessere
Wirtschaft, eine bessere Lage in jeder Hinsicht. Kulturell und in allen
Belangen. All das geht nicht ohne Sicherheit. Ohne Sicherheit gibt es
keinen Traum von einer besseren Zukunft. So sehe ich mein Land.
Jürgen
Todenhöfer: Herr Präsident, ich bedanke mich für dieses Gespräch. Alles
Gute für Ihr Land. Vor allem Frieden, Freiheit und Demokratie."
Quelle: http://www.daserste.de/weltspiegel/beitrag_dyn~uid,9hbnurpbql12if1k~cm.asp
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