Freitag, 6. Juli 2012

„Wenn wir Assad gestürzt haben – fuhr der 16Jährige fort – werden wir die Regeln der Scharia auf diejenigen anwenden, die nicht Moslems sind. Wir werden ihre Männer töten und ihre Frauen versklaven." -- Die Hölle auf Erden, (Teil II)


Irgendwann schaffte ich es zu dem Haus meines Freundes in Hamidiyah. Sein Haus befand sich in der Nähe der Kirche Holy Girdle of St Mary in Homs. Die Kirche war verwüstet, das Gebäude selber war nicht von Kanonenschüssen getroffen worden – es hatte keine großen Löcher – stattdessen gab es Spuren von Schüssen und RPGs an den Wänden. Am Haupteingang der Kirche war Müll aufgetürmt, und im Haupthof sah ich bewaffnete Zivilisten. Ich habe keine Checkpoints der Milizen bemerkt, aber zwei bärtige, bewaffnete Männer mit einigen Kindern um sie herum waren an der Straßenecke.
Ich fand keinen Platz, das Auto zu parken, Wrackteile waren auf der rechten Straßenseite gestapelt. So musste ich das Auto in der Mitte der sehr engen Straße anhalten, stieg aus, verriegelte es und ging zum Haus meines Freundes, als ich plötzlich jemanden schreien hörte: „Hey, du! Was denkst du, wo du bist? Und wohin willst du, du Sohn einer Hure (Hündin)?“ Ich sah über die Schulter und fand einen  12, vielleicht 13 Jahre alten Jungen mit einer AK-47 auf der Schulter – so groß wie er selber -,  der mit mir sprach. „Ich gehe nach oben in die Wohnung meines Cousins“, antwortete ich in sarkastischem Tonfall, während ich das Kind ansah. Er sah mich an, verlangte meine ID und beschimpfte mich. Ich gab ihm die ID, er warf einen Blick darauf, sah mich an und fragte: „Bist du Christ?“ „Ja, das bin ich“, antwortete ich. „Warte hier, bis der Chef kommt“ wies er mich an. Ein paar Minuten später kam ein anderes Kind, vielleicht 16 oder 17 Jahre, nahm meine ID und fragte das kleinere Kind, ob ich Christ sei. Ich fiel ihm in´s Wort und bestätigte das. „Ich habe nicht dich gefragt, … .Du antwortest, wenn ich mit dir rede.“, schrie er mich an. „Ja, Sir, wie Sie wünschen.“, antwortete ich. Das 12 Jahre alte Kind sagte: „Laut seinem Namen scheint er Christ zu sein. Außerdem hat er es gerade eingestanden.“ „Warum bist du hier?“, fragte mich das ältere Kind. „Ich bin auf dem Weg zu dem Haus meines Cousins. Er möchte die Gegend verlassen und ich bin gekommen, um ihn mitzunehmen.“ „Warte hier, bis der große Boss kommt“, wies mich der ältere Junge an.
Während ich auf den „Big Boss“ wartete, hörte ich eines der Kinder – das ältere – dem anderen erzählen, wie er und eine große Gruppe seiner „Brüder“ – so nannte er sie – in der Nacht zuvor einen Armee-Checkpoint angegriffen und viele von ihnen getötet hätten. Er erzählte Details, die mir persönlich Angst einjagten, einschließlich der Tatsache, dass sie einen Soldaten lebendig verbrannten, nachdem sie ihn gefangen genommen hatten. Der 12Jährige lächelte und pries Gott (Gott ist groß) und erklärte, die Alaviten hätten das verdient.
Ich unterbrach das Gespräch und sagte in sehr ruhigem Ton: „Aber nicht alle von ihnen sind Alaviten, einige von ihnen sind Sunniten, und einige andere sind Christen und Drusen. Ich persönlich bin von mehreren Posten aus Ostsyrien (Deir Azzor [Anmerkung: das ist Kurdengebiet]) angehalten worden, was ich an ihrer Sprache erkannt habe.“ Das ältere Kind sah mich an und erwiderte: „Warum sollten sie bei der Armee kämpfen? Sie verdienen es, mit dem Schwert abgeschlachtet zu werden. Alle Alaviten sind gottlos und ungläubig, und das gilt auch für alle, die sie unterstützen.“ „Wenn wir Assad gestürzt haben – fuhr der 16Jährige fort – werden wir die Regeln der Scharia auf diejenigen anwenden, die nicht Moslems sind. Wir werden ihre Männer töten und ihre Frauen versklaven. Wir werden auch die Moslems bestrafen, die uns nicht unterstützt haben, besonders die Einwohner von Damaskus, die uns immer wieder unterdrückt haben.“
Als 10 Minuten vergangen waren, kam ein Mann mittleren Alters mit langem Bart und schwarzem T-Shirt, der ein RPG und ein Gewehr auf der Schulter trug. „Warum wollen deine Verwandten das Gebiet verlassen?“, fragte er mich. „Ich weiß nicht. Sie haben mich nur gebeten, sie abzuholen und hier bin ich.“, antwortete ich zitternd. „Hast du deine Taufurkunde von der Kirche dabei?“, fragte er. „Nein, habe ich nicht. Ich wusste nicht, dass ich es hätte mitbringen müssen.“, antwortete ich. „Wie kann ich sicher sein, dass du kein Alavit oder Ismaelit bist, oder sogar Druse?“, fragte mich der Mann. „Ich weiß nicht, wie Sie das herausfinden können, aber mein Name ist Maya und ich bin Christ. Ich kann Ihnen auch Teile der Bibel zitieren.“, antwortete ich. „Ok, du kannst gehen.“, sagte er. Er drehte sich um und gab etwas über Funk durch. 20 Minuten später, als mein Freund und ich seine Angehörigen in´s Auto brachten, wurden wir von demselben alten, bewaffneten Mann unterbrochen. „Warum gehst du?“ Der bewaffnete Mann richtete seine Frage direkt an seinen bewaffneten Freund. „Sie haben vor einigen Tagen über Lautsprecher angekündigt, dass alle Einwohner von Hamidiyah – die bisher noch nicht aus dem Gebiet geflohen sind – ihre Häuser verlassen sollten, oder alle Familien werden in einem Gebäude versammelt, denn ihr wollt Flüchtlingen unsere Häuser als Wohnungen geben!“, antwortete mein Freund. „Ok, ihr habt 10 Minuten, um das Gebiet zu verlassen“, sagte der Bewaffnete, während er sich entfernte.
Mein Freund ging zurück zu seinem Haus und rief seine Kinder und seine Frau runter. In der Zwischenzeit ging ich zu meinem Auto und wartete ein paar Minuten, bis die Familie meines Freundes in das Auto sprang. Wir fuhren Richtung Tartous und wurden auf die gleiche Art und Weise mit Hindernissen konfrontiert, wie ich auf meinem Weg nach Hamidiyah.
Zwei Stunden später waren mein Freund und seine Familie offiziell geflüchtet. Ein anderes Leben erwartet sie. Nicht leichter, aber mit Sicherheit sicherer, wie er es ausdrückte: „Jetzt kann ich beruhigt schlafen und weiß, dass meine Kinder nicht abgeschlachtet oder gefangen genommen werden.“ 

Autor: Maya Naser

Quelle: http://syriapolitics.blogspot.de/2012/07/part-ii-hell-on-earth-how-christians.html 

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