"Die Syrien-Berichterstattung in den deutschen Medien folgt
weitgehend unkritisch den Vorgaben der US-Propaganda. Nur wenige
Journalisten, in erster Linie Peter Scholl-Latour, Manuel Ochsenreiter
und Jürgen Todenhöfer, wagen einen genaueren Blick und denken selbst, wo
andere bloß abschreiben. Auch Der Freiheitliche wollte nun wissen: was
geschieht wirklich? Zu diesem Zweck stellten wir der syrischen
Schriftstellerin und Aktivistin Fatime Oomyadin einige Fragen…
Frau Oomyadin, bitte stellen Sie sich doch unseren Lesern kurz vor!
Gern. Ich danke für Ihr Interesse an den Vorgängen in Syrien. Wie Sie
sagen, ist die Berichterstattung in westlichen Medien leider einseitig
und verbreitet die von Qatar fabrizierten Lügen. Daher schätze ich Ihr
Interesse sehr. Zu mir: ich bin 1973 in Tyros / Libanon geboren als
Tochter eines Syrers und einer Libanesin. Mein Vater ist sunnitischer
Muslim, meine Mutter stammt aus einer jüdischen libanesischen Familie.
Religion ist in meiner Familie der persönlichen Entscheidung untergeben,
wir betrachten uns als syrische Patrioten. 1984 wanderten wir – nach
neun Jahren des Bürgerkrieges im Libanon überdrüssig – nach Deutschland
aus. Meine insgesamt 14 Jahre in Deutschland haben mich sehr beeinflußt.
Zum Einen besuchte ich die Schule, lernte Deutsch, zum Anderen hatte
ich deutsche Freunde, las deutsche Literatur (in die ich mich
verliebte). Als Teenagerin hatte ich einen deutschen Freund. In Berlin
wohnend, sind wir Zeugen des Mauerfalls und der Wiedervereinigung
geworden. Der Mauerfall hat uns tief bewegt, das war ein ungeheurer
Moment. Mein Vater ist ein beherrschter Mann, der Emotionen höchstens in
Ironie kundtut. Am Abend des 09. November 1989 saß er vor dem TV-Gerät,
sah die Bilder von den jubelnden Menschen und weinte hemmungslos. Dann
rief meine Tante an und berichtete, in Damaskus führen die Menschen
Autokorso und machten Party aus Freude für Deutschland. Wir haben uns
für die Deutschen sehr gefreut, haben gespürt: da endet eine schlimme
Zäsur der Geschichte, und die Menschen in Europa (das größer ist als die
EU) finden zusammen. 1993 bin ich dann zum Studium (Sprach- und
Literaturwissenschaften) nach Damaskus gegangen. Bis zu diesem Zeitpunkt
war Syrien das Land meines Vaters gewesen, jetzt lernte ich es kennen…
und verliebte mich in dieses von der Geschichte des 20. Jahrhunderts so
gebeutelte Land, seine Menschen, seine Zivilisation. Die 1990er Jahre
waren nicht einfache Jahre in Syrien. Ich erinnere mich, wie an einem
Tag Hafez al-Assad einen Vortrag mit anschließender Aussprache hielt.
Natürlich, Hafez war ein Mann mit ungeheurer Präsenz, traute sich wenige
Menschen zu fragen. Ich erinnere aber eine Antwort auf die Frage, was
denn von uns jungen Akademikern in spe erwartet würde. Hafez dachte kurz
nach und sagte dann: „Sie sollten eines nie vergessen: es ist das
syrische Volk, das Ihnen Ihr Studium ermöglicht. Arbeiter, Handwerker,
Bauern, Soldaten geben ihren Einsatz, daß Sie hier sein können. Das
sollten Sie als Privileg sehen, und jedes Privileg ist eine
Verpflichtung. Daher meine Antwort, was wir von Ihnen erwarten: egal, in
welche Positionen Sie gelangen werden, vergessen Sie niemals, daß die
Brotfrau, der Teeverkäufer, der Kupferschmied, der Busfahrer es waren,
die Ihnen dies ermöglicht haben. Beweisen Sie, daß Sie dieser
Auszeichnung würdig sind.“ 1997 kam meine Tochter Leila zur Welt, sie
ist eine wirklich stolze Damaszenerin. Nach einem erneuten Aufenthalt in
Deutschland 2004-2008 kamen wir dann zurück nach Syrien, wo wir in
Aleppo, in der Stadt meines Vaters, leben. Ich bin verwitwet und
alleinerziehend für Leila. Im Übrigen bin ich nur Autorin, keine
Schriftstellerin – und ‘Aktivistin’ ist ein Begriff, den ich mir nicht
nehmen möchte.
Immer wieder lesen wir, in Syrien gebe es eine Diktatur der
alawitischen Minderheit unter Assad über die sunnitische Mehrheit,
welche sich deshalb in der Freien Syrischen Armee (FSA) organisiert
habe, um Assad zu stürzen und zu ihrem Recht zu kommen…
Daran ist wahr, daß die sunnitischen Muslimbrüder seit der Entwicklung
Syriens zu einem modernen, säkularen republikanischen Staate in den
1950er Jahren ALLE Mittel nutzen, um diesen freien, säkularen – modernen
– Staat zu vernichten und Syrien in einen wahhabitischen
(salafistischen) Gottesstaat zu verwandeln. Wir müssen ein wenig
historisch denken, um das zu verstehen: Syrien ist die Wiege des
Christentums; der Christenverfolger Saulus wurde in Damaskus zum
Christen Paulus, die ersten Klöster und mönchischen Orden entstanden in
Syrien. Syrien ist auch Sitz des ersten islamischen Kalifats der
Umayyaden, die von Damaskus aus den Islam in den Orient, den
nordafrikanischen Maghreb und bis nach Spanien trugen. 1918 endete mit
dem Untergang des Osmanischen Reiches formal die Fremdherrschaft über
Syrien. Die Erbmasse der Osmanen übernahmen nur zu gern die
imperialistischen Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien, die im
„Sykes-Picot“-Abkommen von 1917 bereits Großarabien in mehrere Staaten
mit künstlich gezogenen Grenzen aufgeteilt hatten, um eigene
Einflußgebiete zu generieren. So wurden aus dem historischen Syrien
(„Cham“) die Staaten Irak, Transjordanien, Palästina und Syrien – als
Torso einstmaliger Größe – kreiert. Syrien wurde vom Völkerbund
Frankreich als sogenanntes „Mandat“ zugeschlagen – eine milde
Umschreibung der faktischen kolonialen Übernahme. Nach einem mehr als 20
Jahre währenden bewaffneten Widerstand gegen die Besatzung konnte
Syrien sich 1945 endlich – aus eigener Kraft – befreien. In der Folge
kam es zu einer Phase der Instabilität, gekennzeichnet von raschen
Regierungswechseln. Der christliche Syrer Michel Aflak gründete die
Bewegung al Baath (Wiedergeburt), die mit panarabischer,
nationalistischer und sozialistischer Politik die Araber einen und vom
Joch der Bevormundung befreien sollte. 1970 gelang dem baathistischen
Luftwaffenoffizier Hafez al-Assad ein Putsch gegen die Regierung – womit
er einen drohenden Krieg gegen Jordanien abwendete. Hafez’ Ziel war
eine Stabilisierung Syriens durch geordnete Machtverhältnisse. Als
Alawit (eine der schiitischen Richtung des Islam entstammende Sekte) lag
ihm daran, die religiösen Minderheiten vor Schikane und Verfolgung zu
schützen – was ihm die Loyalität der Alawiten (die er anführte), aber
auch der Christen und Juden sicherte. Die Alawiten kommen aus dem
Küstenstreifen zwischen Banyas und Latakia. Die Loyalität der Alawiten
und Christen brachte in der Folge eine zahlenmäßig überproportionale
Beteiligung dieser religiösen Minderheiten an der Macht mit sich. Dies
kann man, – will man in religiös-sektiererischen Kategorien denken,
sicher kritisieren. So wie man dann sicher Deutschland als „Gottesstaat“
titulieren würde, denn Deutschland wird regiert von einer
Pastorentochter und einem Theologen als Bundespräsident… Was sagen
eigentlich Ihre Katholiken dazu? Die westliche Interpretation, Hafez
habe Syrien quasi für die Alawiten erobert, ist falsch: sie
mißinterpretiert die Rolle von Stammes- und Clanloyalitäten, die noch
heute die basisdemokratische Grundlage der syrischen (arabischen)
Gesellschaft bilden. Die Versammlung direkt gewählter und direkt ihren
Stammesmitgliedern verantwortlichen Stammesoberer (Sheikhs) ist
wesentlich demokratischer, als so manche parlamentarische Demokratie auf
dieser Welt… Mehrere Interventionen („regime change“ sagt man heute)
der USA mittels CIA-Anschlägen und einer feindlichen Politik der USA
motivierten Syrien, sich der Bewegung der Blockfreien anzuschließen und
mit der Sowjetunion zusammenzuarbeiten. Diese Anbindung an den
‘unheiligen Kommunismus’, das baathistische,
nationalistisch-sozialistische System und die alawitische Herkunft
Assads brachten die Muslimbrüder (eine Gründung des britischen
Geheimdienstes, wie man heute weiß) dazu, sich in Feindschaft zu begeben
und mittels Terror ihre absolute Minderheitsposition zu kompensieren,
mit dem Ziel, den rein sunnitischen Gottesstaat herbeizubomben. Die
sozialen Reformen der Baath-Regierung unterstützten vor allem die
besitzlose Landbevölkerung, stellten die Frauen den Männern gleich, und
sorgten für ein gut ausgebautes Sozial- und Bildungssystem mit Chancen
für alle. Diese Reformen wollten die Muslimbrüder zurückdrehen. In den
Augen der Muslimbrüder hat ein Landarbeiter seinem Herrn, eine Frau
ihrem Mann Untertan zu sein – und Bildung erscheint diesen
Koranauslegern als ein zu verachtendes Gut. In den 1970er und 1980er
Jahren erschütterten die Muslimbrüder das nach Sicherheit und nationalem
Aufbau sehende Syrien immer wieder mit brutalem Terrorismus, Morden und
Entführungen sowie Bombenanschlägen. 1982 schließlich ließ Hafez die
Hochburg der radikalsten Gotteskrieger, Hama, bombardieren. Mit diesem
Machtzeugnis zerschlug er die Organisation der Muslimbruderschaft, und
sorgte dafür, daß Syrien sich nach Jahrzehnten der Unruhen endlich
beruhigen und erholen konnte. In den vergangenen Jahren haben die
Muslimbrüder, dank vielfältiger Unterstützung aus Saudi Arabien, Qatar
und den USA, sich reorganisiert und mit Terror und Haß-Propaganda
(„Christen nach Beirut – Alawiten ins Grab“) den Krieg gegen das
weltliche Syrien wieder aufgenommen. Die Mehrheit der Syrer steht zu
Syrien, natürlich gibt es vom fanatischen Anhänger Assads bis zum ebenso
fanatischen Gegner das gesamte Spektrum an Meinungen. Ist das so anders
als in Deutschland? Der über uns gebrachte, von außen gesteuerte Krieg
der „FSA“ und anderer vom Ausland bezahlter, instruierter, bewaffneter
Banden hat mit den religiösen Gruppierungen nichts zu tun – er
mißbraucht sie nur. Die FSA als bewaffnete Truppe von Muslimbrüdern und
Kriminellen will die Syrer in Haß gegeneinander stürzen, auf daß sie
leichter die Macht an sich reißen können. Die FSA ist keine islamische
Gruppierung im rechtmäßigen Verständnis des Islam, sondern eine in der
Türkei gegründete und von der türkischen Regierung maßgeblich
beeinflußte Bande von Massenmördern, die Christen, Schiiten, Alawiten
und Sunniten umbringt. Die FSA verantwortete die Massaker von al-Houla
und Tremseh. Die „al-Farrouq“-Brigade der FSA hat etwa 50.000 Christen
aus Homs vertrieben, in Aleppo hat sie die Christen nachts aus den
Häusern getrieben, die Menschen mußten fliehen mit nichts außer dem Hemd
auf dem Körper – oder, wurden wie die Alawiten, gleich erschossen. Ich
habe das Blut und die Löcher in den Wänden gesehen (und darüber
geschrieben). Die FSA mordet syrische Kinder, Frauen, Männer wahllos und
aus Kalkül – die Religion ist nur ein Vehikel. Vermutlich redet sie den
weniger intelligenten ‘Kämpfern’ ein, daß sie die Sunniten befreiten…
aber, wie gesagt, das ist Propaganda und durchsichtig. Die FSA kann
nicht ernsthaft von sich sagen, sie vertrete die sunnitische Mehrheit
derjenigen, die sie vergewaltigt, schlägt, foltert, umbringt. Dies gilt
natürlich ebenso für den al-Qaida-Ableger „Jabhat al-Nusra“, der sich
durch seine Grausamkeit als absolut unislamisch bewiesen hat.
Wie schätzen Sie, ist das Zahlenverhältnis zwischen syrischen und ausländischen Kämpfern innerhalb der FSA?
Dazu gibt es keine Zahlen, nur eine grobe Orientierung anhand der sicher
gestellten Pässe von gefangengenommenen oder getöteten Terroristen. Die
FSA wurde im Juni 2011 in Istanbul als Terrororganisation für den
operativen Krieg gegen Syrien gegründet. Die FSA ist der operative Arm
des „Nationalrates“. Ausbildung, Bewaffnung und Führung liefen in der
Türkei durch die türkische Armee, die CIA und den Mossad. Die
Flüchtlingslager, bereits im Sommer 2010 an der Grenze errichtet, dienen
als Rekrutierungsbasen. Im Laufe des Jahres 2012 – insbesondere durch
die grausamen Massaker von al-Houla, Tremseh, Daraya, sowie die
Kriegführung gegen das Volk, hat die FSA mögliche anfängliche Sympathien
völlig verloren – welcher Mensch erstrebt für sein Volk schon Massaker,
Vergewaltigung, Tod, Elend und Leid? So sank der – ohnehin nie hohe –
Anteil der Syrer in der FSA, was zu einem vermehrten Import
ausländischer Jihadisten („Gotteskrieger“) durch die Dispatcher des
Todes, Türkei und Qatar, geführt hat. Die ratio innerhalb der FSA dürfte
bei etwa 70:30 liegen, Die anderen al-Qaida zugeordneten wahhabitischen
Bünde wie die „al-Nusra-Front“ sind faktisch rein ausländisch bestückt.
Die meisten Ausländer sind saudischer, jordanischer, maghrebinischer
oder yemenitischer Herkunft, aber auch Afghanen, Pakistaner, Briten und
Australier haben den Weg nach Syrien gefunden….
Wie ist das Verhältnis der verschiedenen religiösen Gruppen in Syrien untereinander?
Als hier in Aleppo die Syrische Armee die von der FSA eroberte und
verwüstete Umayyaden-Moschee zurückeroberte, haben christliche Soldaten
sich am Hofeingang die Schuhe ausgezogen, aus Respekt vor dem Gotteshaus
ihrer muslimischen Brüder.
Über Glassplitter, Trümmer sind sie gelaufen, mit blutigen Füßen. Sie
haben gekämpft, um das Gotteshaus ihrer muslimischen Brüder zu befreien.
In Homs haben Soldaten eine Kirche vor dem Sturm der FSA Banden
bewahrt, anschließend haben Muslime und Christen in der Kirche gebetet.
Ist Ihnen dies genug Erklärung für die herzliche Brüderlichkeit der
Menschen, die zuerst Syrer sind, und erst dann etwas anderes?
Bashar Al-Assad ist während seiner Präsidentschaft auf die
Opposition zugegangen, insbesondere wurden andere Parteien erlaubt. Ich
las einmal (sinngemäß), Bashar Al-Assad selbst sei glaubwürdig in seinem
Reformwillen, müsse sich damit aber gegen gewisse alte Machtstrukturen,
welche sich unter seinem Vater gebildet hätten, durchsetzen.
Tatsächlich herrschte dieser weitaus autoritärer. Wie schwer ist das
Erbe, welches der Präsident zu tragen hat? Wird er im Volk als „der
Nachfolger“ oder als eigenständiger starker Führer wahrgenommen?
Zunächst: es wurden nicht nur Parteien zur Parlamentswahl 2012
zugelassen – es sind auch Oppositionspolitiker in die aus den
Parlamentswahlen hervorgegangene Regierung eingetreten. Dies zeigt: die
INNERsyrischen Strömungen vereinen sich in der Frage der Verteidigung
Syriens. Die im Ausland lebenden Herrschaften, die sich „legitime
Vertretung des syrischen Volkes“ nennen, werden hier von niemandem
anerkannt. Mit Terroristen, Mördern unserer Kinder, Zerstörern unserer
Städte, Lügnern und schmutzigen Kriminellen wie Qhatib oder Saba wollen
wir nichts zu tun haben.
Anfangs haben viele Bashar al-Assad als schwachen Nachfolger gesehen.
Auch für Hafez war Bashar „zweite Wahl“ gewesen (ursprünglich war der
Erstgeborene Basil vorgesehen, der jedoch 1994 starb). Bashar ist ein
erfolgreicher Augenarzt gewesen, der sich dem Wunsch des Vaters zu einer
‘dynastischen’ Nachfolge gebeugt hat, auch, um den Schutz der Alawiten
weiter sicherzustellen. Im Amt jedoch hat Bashar ein Format entwickelt,
welches sicher nicht alle Beobachter ihm zugetraut haben. Er hat
wichtige Reformen angenommen – so die Liberalisierung der Wirtschaft
oder die Einführung des Internets. Die Medienlandschaft ist
diversifiziert – Sie können tatsächlich in Syrien heute 10 oder mehr
Sender haben mit Nachrichten, die vollkommen unabhängig sind, und daher
sehr unterschiedlich auch berichten und kommentieren. Wenn ich in
Deutschland bin, sehe ich 10 oder 12 Sender, und alle sagen wortwörtlich
das Gleiche…
Natürlich gehen weitreichende Reformen in einem Land, welches 30 Jahre
strikt und eisern regiert worden ist, in dem sich eine Machtelite
etabliert hat, die weniger an Format denn an Pfründen zu messen war,
nicht über Nacht. Natürlich haben Bonzen aus der Baath-Nomenklatur und
den Behörden versucht, Bashars Reformen, welche sie egoistisch als
Gefahr eigener Pöstchen sahen, zu hintertreiben. Ein Paradebeispiel
hierfür ist Riad Hijab langjähriger Baath-Bonze, erfolgloser Gouverneur
und Landwirtschaftsminister. In den zwei Monaten seiner Funktion als
Ministerpräsident betrieb er Landes- und Hochverrat: er instruierte
landwirtschaftliche Betriebe, Vertrauenspersonen von ihm große Mengen an
Salpeter auszugeben – dieser wurde später für Bomben genutzt, die viele
Syrer umgebracht haben. Nachdem er von Bashar entlassen worden war,
setzte er sich nach Jordanien ab und seither verbreitet er von da für
das empfangene qatarische Blutgeld diejenigen Lügen, die al-Jazeera,
al-Arabiya, Orient, BBC, CNN, ARD, ZDF, usw. gern senden wollen…. Nach
Beendigung des Krieges wird Bashar aufräumen müssen.
Was wäre nach einem Sturz Assads zu erwarten?
Zu erwarten ist realistisch eine Irakisierung bzw. Balkanisierung
Syriens. Chaos, der totale Zusammenbruch und ein lang dauernder, sehr
blutiger Bürgerkrieg. Weiterhin die Zerteilung Syriens unter die Feinde
Israel und Türkei, evtl. weitere Fragmentierung anhand ethnischer
Linien.
Als „Operation Desert Storm“ gegen den Irak Saddam Husseins
lief, beteiligten sich auch syrische Kontingente. Meines Wissens hatten
zu diesem Zeitpunkt US-amerikanische Neocons allerdings bereits deutlich
gemacht, daß auch Syrien auf ihrer Abschußliste stand. War die syrische
Führung so naiv, zu glauben, diese Unterstützung der US-Interessen
würde sie dauerhaft aus dem Fadenkreuz bringen? Was waren die Motive?
Naivität nehme ich weniger an. Sicher waren damals noch ALLE Menschen
weltweit so wenig brutalisiert, an eine tatsächliche Umsetzung der
radikalen Neocon-Planspiele zu glauben. Seit 2001 sind wir schlauer.
Speziell für Syrien allerdings galt auch der Wunsch, den unberechenbar
und aggressiv auftretenden Nachbarn Saddam Hussein, mit dem Hafez al-
Assad eine tiefsitzende gegenseitige Feindschaft verband, einzudämmen.
Erinnern Sie sich bitte, daß Syrien, um Saddam begegnen zu können, sich
mit den Mullahs von Teheran verbunden hat. Heute ist das Verhältnis zur
Islamischen Republik Iran freundschaftlich und tief, damals entsprang
die Solidarität des sozialistisch-säkularen Baath-Syrien mit dem
schiitischen Gottesstaat wohl eher Machtkalkül. Religiöse Nähe, wie sie
wenige Analysten ausmachen, kann ich speziell für die Assads als auch
die politische Führung nicht ausmachen.
Es ist noch gar nicht so lange her, daß die Türkei unter Erdogan eng mit
Syrien zusammenarbeitete. Mittlerweile dürfte sie der aggressivste
Gegner Syriens in der Region sein. Wie kam es zu diesem Wechsel, was
verspricht sich Erdogan davon?
Das ist eine gute Frage, die ich gern an den türkischen
Ministerpräsidenten richten würde. Natürlich gibt es zu Erdogans
radikaler Wendung diverse Interpretationen – aber, wie der Name sagt, es
sind Vermutungen. Verräterisch sind auf jeden Fall die seit 2011 neu
intensivierten Beziehungen zu Israel. Eine ausgeprägte Großmannssucht
ist Herrn Erdogan zu attestieren. Türkische Freunde verrieten mir, daß
es einen Plan für ein „Great game“ gebe, an dessen Ende Israel sich den
Großteil Syriens und Teile des Irak einverleiben würde („Erez Israel“),
die Kurden eine autonome Region aus den Kurdengebieten der Türkei,
Syriens und des Irak erhielten, und Syrien aufgeteilt werden würde.
Dieses Horrorszenario scheint mir glaubwürdig, aber ist natürlich nicht
verifiziert von offizieller Seite.
Wie wurden der Krieg gegen Libyen und das Ende Ghaddafis eigentlich in Syrien wahrgenommen?
Für uns war dies eine atemberaubende Erfahrung: Israel, die USA in
Eintracht mit den imperalistischen Mächten Europas und den
Golf-Diktatoren mißbrauchen unter Zuhilfenahme der NATO eine
UN-Resolution, um den Führer eines souveränen Landes wegzubomben…. Die
aktive Unterstützung des Westens für al-Qaida, der Einsatz der
Jihadisten als Kämpfer für die USA und Israel, sind erstmals der ganzen
Welt vor Augen geführt worden. Diese Arbeitsteilung hat sich dann in
Syrien wiederholt.
Kurz nach der Ermordung Ghaddafis wurde ich auf ein anderes
Problem aufmerksam, als ich im Netz eine „Pro-Palästina-Seite“ fand,
welche allerdings das Ende des libyschen Oberst feierte und massiv gegen
Assad hetzte. Tatsächlich scheint die Hamas zwischen eher nationalen,
proiranischen und den Moslembrüdern nahestehenden Kräften gespalten zu
sein. Wie ist insgesamt das Verhältnis zwischen Syrien und
Palästinensern insgesamt und der Hamas im Speziellen?
Vorweg: die Hamas ist nicht proiranisch, denn sie ist in ihrem
Verständnis eine sunnitisch-orthodoxe Bewegung. Allerdings haben Sie
richtig bemerkt, daß die Hamas sich seit 2011 geradezu panisch von
Syrien abgewendet und insbesondere Qatar an den Hals geworfen hat – die
Übersiedlung Meshals von Damaskus nach Doha, der Besuch des qatarischen
Emirs und die Zusagen von größeren Summen für Hilfsprojekte scheinen
dies zu bestätigen. Meshal und Haniye sieht man seither ständig mit der
FSA-Flagge wedeln. Da hat viel Geld gelockt, und ein süßes Leben.
Solchen Verlockungen sind charakterschwache Menschen nicht gewachsen.
Daß die Hamas durch ihre Liebschaft mit dem seinerseits auf das Engste
mit Israel verbundenen Qatar an Glaubwürdigkeit verliert, sieht man
daran, daß die provokativen Raketenangriffe vom Gazastreifen auf Israel
von der Hamas nicht beeinflußt werden konnten… Syrien hat seit den
1950er Jahren bereitwillig seine Türen für das entrechtete
palästinensische Volk geöffnet, mit ca. 500.000 aufgenommenen
palästinensischen Flüchtlingen hat das Syrische Volk eine große
Integrationsaufgabe geschultert. Unsere Brüder und Schwestern aus den
von den Zionisten geraubten Landstrichen Palästinas sind voll
integriert. Daß die Palästinenser wissen, wer ihr echter Freund ist,
ersehen Sie an den schwindenden Sympathiewerten für die verräterische
PLO und Hamas. Gleichzeitig haben die Palästinenser innerhalb Syriens
alle Versuche der antisyrischen Terroristen, sie mit Gewalt gegen die
Regierung aufzustellen, zurückgewiesen. Unsere palästinensischen Brüder
und Schwestern sind Teil der großsyrischen Familie.
Al-Jazeera galt einst als recht seriöse Nachrichtenquelle für
den Nahen Osten. Seit der Emir von Katar den Sender übernommen hat, hat
sich die Ausrichtung geändert. Welche Rolle spielt Al-Jazeera im Fall
Syrien?
Die Entwicklung Al-Jazeeras macht mich traurig, denn dieser Sender
startete einst hoffnungsgebend als „Stimme Arabiens“. Allerdings: schon
Vergleiche mit dem stets eingebundenen Sender CNN müßten mißtrauisch
machen. Heute ist Al-Jazeera das Sprachrohr des bekannt aggressiven
qatarischen außenpolitischen Kurses, und Propagandamittel gegen Syrien
und den Iran. Nach Auftrag mit Schauspielern hergestellte Videos, die
angebliche Verbrechen der syrischen Armee ‘dokumentieren’ sollen,
zeigen, daß dieser Sender mit „Bericht“ nichts, mit „Lüge und
Propaganda“ alles zu tun hat. Die hergestellten Lügen al-Jazeeras sind
alle durch Dokumente widerlegt. Zum Beispiel wurde der Auftakt der
syrischen Krise schlicht erfunden, mit bezahlten Schauspielern, die nach
dem Freitagsgebet in einigen Städten auf die Straßen gingen und
lauthals den Sturz der damaszener Regierung / des Präsidenten forderten.
Auch die ‘Entführung und Folter’ von Kindern aus Dara’a ist schlicht
erfunden, in Wirklichkeit liefen umfangreiche Gespräche zwischen
Regierung und Vertretern von Beduinenstämmen im Süden, die lauthals
Verbesserungen ihrer Bedingungen gefordert hatten.
In Qatar sind Szenerien gefilmt worden, die dann als Akte von Gewalt des
‘Assad-Regimes’ gegen das syrische Volk via al-Jazeera und dem
saudischen Pendant al-Arabiya verbreitet worden sind – auch sind in Doha
umfangreiche Nachbauten syrischer Städte und des damaszener
Präsidentenpalastes erstellt worden, um in dieser Hollywood-Kulisse
Spielszenen zu filmen, die dann als realistische Berichte „von
Aktivisten“ über das Internet von den westlichen Medienpartnern
verbreitet und dort unreflektiert als „IST-Situation“ verbreitet werden.
So kommen qatarische Propagandalügen auf Ihren Bildschirm in
Deutschland. Mit Syrien haben diese Erstellungen so viel zu tun wie ein
Grashalm mit der Raumfahrt. Goebbels wäre mehr als begeistert vom Coup
des qatarischen Emirs, al-Jazeera zum wirksamsten Propagandainstrument
zu machen.
Was hat Monsanto mit der Aggression gegen Syrien zu tun?
Dazu gibt es Spekulationen, zu deren Verifikation oder Falsifikation mir
die Hintergründe fehlen. Sicher erscheint, daß Monsanto großes
Interesse hat, Einfluß weltweit zu gewinnen. Inwieweit Monsanto auch in
die Strategie Kissingers zur „Depopulation“ (Konzept von 1973) oder
andere Ziele der USA integriert ist, fragen Sie besser jene, die dort
entscheiden.
Auch Israels Rolle ist kompliziert. Syrien ist traditionell
anti-zionistisch, aber verhandlungsbereit gewesen. Nun scheint Israels
Regierung (wenn auch im Land nicht ohne Widerspruch) zumindest gegen
Assad radikale Sunniten zu unterstützen, mit welchen aber kein Auskommen
möglich wäre. Der bisher als extremer Zionist bekannte US-Politiker
Henry Kissinger meinte ganz nüchtern, in zehn Jahre werde es kein Israel
mehr geben. Was ist da los? Planen zionistische Politiker in der Region
selbst einen Flächenbrand, der Israels Ende bedeuten könnte?
Den Satz von Kissinger, wiedergegebenen in einer zionistischen New
Yorker Klatschpostille, habe ich auch gelesen… Der Luftangriff der
Israelis auf Jamraya am 30. Januar zeigt gewiß, daß Israel aktiv die
al-Qaida unterstützt – bzw. diese benutzt. Das zionistische Regime will
Assad stürzen, selbst auf die Gefahr eines Flächenbrandes hin.
Verständlich: wer sein Regime auf den Knochen von Menschen baut, wer
sein Land auf geraubtem Land errichtet, der denkt wohl nur in
faschistoiden Kriterien.
Auch die Bundesrepublik Deutschland hat mittlerweile ein
ernstzunehmendes Problem mit sunnitischen Extremisten, welche hier auf
einen Staat unter der Scharia hinarbeiten, namentlich der
Moslembruderschaft und insbesondere den Salafisten – also jenen Kräften,
welche den wesentlichen Teil der Feinde Assads in Syrien stellen. Im
Grunde müßte die BRD doch diesbezüglich im säkulären Syrien einen
Verbündeten sehen… warum unterstützt sie stattdessen diese Extremisten?
Und was würden sie raten: wie sollte sich Deutschland gegenüber den hier
lebenden Moslembrüdern und Salafisten verhalten?
Die fatale Rolle Deutschlands bedaure ich sehr. Die aggressive
antisyrische Position der Politik, die vorbereitete Kriegshandlung
(Patriot-Stationierung), die Unterstützung der Terroristen, die massiven
Lügen der Medien – bis zum Mordaufruf an Assad – machen es mir schwer,
meine Liebe für Ihr schönes, großartiges Land aufrecht zu erhalten.
Die Motive vermag Ihnen Herr Westerwelle sicher besser zu erklären. Er
ist es ja auch, der seit April 2011 ganz offen gegen die Regierung in
Damaskus arbeitet, Terroristen nach Berlin einlädt, ihnen dort ein
Verbindungsbüro einrichtet, und dessen „think tank“ „Stiftung für
Wissenschaft und Politik“ unter Volker Perthes aktiv an einem Konzept
über Syrien nach Assad arbeitet. In diesem Zusammenhang verweise ich auf
das hauseigene Interview des Auswärtigen Amtes mit dem Staatsekretaer
Hoyer vom Mai 2011, in dem dieser (ich zitiere sinngemäß) sagte:
Deutschland unterstützt die Opposition. Auf Nachfrage des hauseigenen
Fragestellers, ob Herr Hoyer bzw. sein Chef denn wisse, wer diese
Opposition sei, erwiderte Herr Hoyer deutlich: nein, man wisse nicht,
wer im Einzelnen die Opposition ausmache.
Hieran erkennen Sie m.E. deutlich die Fremdsteuerung deutscher Politik.
Man weiß nicht so genau, aber, auf jeden Fall – man ist dafür.
Offenkundig wird die deutsche Außenpolitik an anderen Orten als Berlin
definiert…. Dies mag auch Ihre berechtigte Frage beantworten, weshalb
Deutschland in Syrien die übelsten al-Qaida-Elemente Terrorismus ausüben
und Syrien zerstören läßt, während es in Mali eben jene Terroristen
bekämpft.
Es steht mir nicht an, Deutschland Ratschläge zu erteilen. Aus meiner
Schilderung der Rolle der Muslimbrüder in Syrien als aktive
terroristische Zellen zur Errichtung eines islamischen Kalifates, sowie
aus dem Verhalten der Muslimbrüder in Ägypten und Tunesien kann man
jedoch seine Rückschlüsse auf Motivationen, Propaganda und
Vorgehensweisen der Muslimbrüder in Deutschland tätigen. Nun ist nicht
jeder Salafist (so sehr ich dieses gelebte Mißverstaendnis des Islam
auch ablehne) ein gewaltbereiter Bombenleger. Die gewaltbereiten Kräfte
zu identifizieren und rechtzeitig auszuschalten, ist Herausforderung
Ihrer Behörden. Grundsätzlich aber erleichtert die islamophobe
Grundstimmung in D dem Gast jedoch klar
gemacht werden; hier gelten Gesetze, für alle – wer sich nicht daran
hält, wird bestraft. Dies ist auch ein psychologisch wichtiges Zeichen
an die okzidentale Mehrheitsgesellschaft, daß rechtsfreie
Parallelgesellschaften nicht geduldet werden.
Möchten Sie unseren Lesern noch etwas mitteilen?
Hinterfragen Sie alles, was man Ihnen plausibel machen möchte. Je
verschwommener die Bilder, je vager die Information, je abstruser die
Meldung – desto höher ist die Chance, daß es alles nur Lüge ist.
Wenn Sie sehen was mit Syrien passiert – bevor Sie sagen, ist doch ok,
ist weit weg.. fragen Sie sich bitte: möchten Sie, daß alles, was hier
passiert – Vergewaltigung, Raub, Folter, Entführung, Massaker,
Zerstörung – auch genauso IHNEN wiederfährt? Falls NEIN: warum ist es
dann für Sie ‘ok’, daß es mit IHREN Steuergeldern in Syrien passiert?
Frau Oomyadin, wir danken für die Beantwortung unserer Fragen!
Ich danke Ihnen und wünsche Ihnen und Ihren Lesern von Herzen das Beste."
Quelle: http://aip-berlin.org/2013/02/08/eine-stimme-aus-syrien-interview-an-syrische-aktivistin/
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