Freitag, 1. Februar 2013

Israels Angriff auf Syrien: "Das Ziel des Angriffs ist eine Provokation als ein Versuch, erst Syrien, dann den Iran und schließlich die USA zu einer Vergeltung zu verleiten."

"Hier ein kleiner Artikel zum Angriff der Israelis auf Syrien vom Internetportal der russischen Business-Zeitung “Взгляд” (VZ.ru). Er trägt zum Konflikt in Syrien einen gewissen optimistischen Unterton.
Vorrede: Was den Luftangriff auf Syrien betrifft, so gibt es immer noch wenig faktische Klarheit. Deshalb als kleines Vorwort eine Anmerkung zu der hierzulande populären Version (die ursprünglich von AFP verbreitet wurde), der Angriff habe einer Fahrzeugkolonne gegolten, welche “Buk”-Raketen an die Hisbollah (oder wo auch immer hin) liefern sollte.
Die “Buk”-Raketen (NATO-Klassifikation SA-17), von denen die Medien schwätzen (9M38M1 und 9M317) sind als solche von keinerlei Interesse und ohne eine ganze Batterie an Technik und Ausrüstung gar nicht einsatzfähig. Die Komponenten dieser Batterie kann man hier nachschauen (und die Liste dort ist unvollständig, es fehlt ein knappes Dutzend an Versorgungsfahrzeugen, wie etwa das Elektrofahrzeug, eine mobile Kompressorstation, Werkstattwagen usw.).
Um diese ganzen Dinge bedienen zu können, müsste man mindestens eine Brigade russischer ukrainischer Luftabwehrleute anheuern. Die Hisbollah hat dazu einfach nicht das Personal. Und würde auch nur eine halbe Batterie Buks irgendwo im Libanon aufgebaut werden, so würden die Israelis sogleich Fotos davon durch ihre Presse reichen. Von Drohnen oder Satelliten gemachte Fotos natürlich, welche die imminente Bedrohung dieser Verteidigungswaffen veranschaulichen sollen... und damit genug der Vorrede.

Haue, Hölle, Israel

Der Luftschlag Israels gegen Syrien bringt eine ganze Reihe an Fragen hervor. Sicher nicht bei allen. Denn in israelischen Internet-Foren geht es derzeit nur um Haue, Hölle und Israel. “Nur Hardcore!” brüllen die Bewohner des Gelobten Landes in patriotischer Rage. Bislang ist nicht endgültig klar, wen man gebombt, was man gebombt und - als wichtigstes - wozu man gebombt hat, doch das vor Stolz über ihre glorreichen Falken wie Kröten aufgeblähte israelische Wahlvolk interessiert sich nicht für derlei Kleinigkeiten.
Im trockenen Bodensatz der Meldungen sieht der Angriff Israels auf Syrien bislang immer noch ziemlich unklar aus. Die Syrer sprechen von einem Angriff auf ein gewisses militärisches Forschungszentrum, die westlichen Medien vom Angriff auf eine mysteriöse Fahrzeugkolonne - mal sei es ein Transport von “Buk”-Raketen, mal ein Chemiewaffentransport gewesen - die in Richtung der libanesischen Hisbollah unterwegs gewesen sein soll. Das offizielle Israel hüllt sich überhaupt in Schweigen.
Alle bislang geäußerten Versionen sehen gelinde gesagt seltsam aus. Ein Angriff auf ein Forschungszentrum ist vollkommen unlogisch, selbst, wenn darin Komponenten für Chemiewaffen aufbewahrt werden. Damaskus ist zum jetzigen Zeitpunkt die bestgeschütze Stadt in Syrien, die Armee erledigt gerade die Reste der Rebellenbanden in Daraya und verlagert sich in Richtung Duma, wo verschiedenen Quellen zufolge um die 5 Tausend Rebellen festsitzen, samt ihrer Vorratslager, Lazaretts, Waffen- und Lebensmittelreserven. Duma ist zum jetzigen Zeitpunkt bereits praktisch eingekesselt.
In diesem Fall kann man sich zwar um die Sicherheit der Chemiewaffen sorgen, man muss es aber nicht - die Syrer kümmern sich selbst darum.
Ein Päckchen für die Hisbollah und die nervöse Reaktion Israels darauf nimmt sich als Version auch vollkommen seltsam aus. Erstens hat man auch früher bereits auf diese Weise Waffen geschickt - woher sollte die Hisbollah wohl sonst ihre Waffen haben? Zweitens ist die Hisbollah seit inzwischen schon ungefähr einem Jahr hinsichtlich der “syrischen Frage” gespalten: ein Teil tritt für eine vollumfängliche Unterstützung Assads ein, der andere ist der Meinung, man habe sich eher um die eigenen Probleme zu kümmern. Würde man zum jetzigen Zeitpunkt einer der Fraktionen innerhalb der Hisbollah Waffen liefern, so hieße das, ein endgültiges Auseinanderbrechen ihrer Reihen zu bewirken, was Assad sicher nicht gebrauchen kann. Dazu hat noch die libanesische Armeeführung erklärt, dass sie weder von einer Fahrzeugkolonne, noch von einem Angriff auf eine solche Kenntnis habe.
Es gibt einen Umstand, der von den Medien bislang überhaupt nicht betrachtet wird. Der Luftangriff passierte synchron zur Ernennung Kerrys zum US-Außenminister. Ebenso synchron hat gestern die unversöhnliche syrische Opposition durch ihren Chef Moas al-Chatib verkündet, sie sei zu Verhandlungen mit Assad bereit, das heißt also etwas zu tun, was sie im Verlauf der zwei Jahre andauernden “Revolution” immer kategorisch abgelehnt hat.
Das bedeutet, dass der Krieg in Syrien in einer Umbruchsphase angekommen ist. Die Opposition räumt ein, dass sie keine Möglichkeit mehr hat, ihre Ziele auf militärischem Wege zu erreichen und versucht, noch so viel wie möglich Vorteile aus ihrer derzeitigen Lage zu retten; solange die syrische Armee eben die militärischen “Argumente” ihrer Gegner noch nicht vollständig aufgerieben hat. Sicherlich gibt es außer dieser Opposition noch die Islamisten - radikale, hirnverbrannte Dschihadisten, mit denen man unter keinerlei Umständen verhandeln wird. Nach dem neuerlichen Massenmord an Zivilisten in Aleppo hat Präsident Assad versprochen, die Gruppierung namens “Al-Nusra-Front” bis auf den letzten Mann zu vernichten. Mit solchem Gelichter führt man keine Gespräche.
Alles zusammen heißt, dass Syrien es durchlitten und standgehalten hat. Nein, es ist noch lange nicht zu Ende, aber es gibt ein Licht am Ende des Tunnels. Und das ist es, was vielen nicht recht ist. Einschließlich Netanjahu. Einfach deshalb, weil ein Ende des Kriegs in Syrien nach einem Szenario, das nicht dem der arabischen Monarchien und des Westens entspricht, zweifellos ein Erstarken der Positionen des Iran in der Region bedeutet. Nicht einen Sieg, aber doch eine merkliche Änderung des Kräfteverhältnisses.
Netanjahu wird nicht müde, von der iranischen Bedrohung und von Atomwaffen zu erzählen. Es ficht ihn nicht einmal an, dass sowohl der Westen als auch die USA inzwischen mitteilen, dass der Iran seine Atomforschungen “deutlich verlangsamt” habe und es ihm vor 2015 theoretisch nicht möglich sein wird, an einen Atomsprengsatz zu gelangen. Netanjahu sagt aber, dass es jetzt schon möglich ist. Folglich ist es jetzt schon möglich. Er bezweckt, die USA in einen Krieg mit dem Iran zu hetzen, die USA, die das demonstrativ ablehnen, während Kerry nicht minder demonstrativ von der dringenden Notwendigkeit spricht, alle Fragen mit dem Iran auf eine rein diplomatische Ebene zu verlagern.
In diesem Falle soll ein Angriff auf Syrien den Iran dazu herausfordern, sich einzumischen und seine Behauptungen, er sei bereit, das syrische Territorium im Fall einer Intervention zu verteidigen, mit Taten zu belegen. Dann würde man den Iran als Aggressor hinstellen können, Israel veranlaßt die USA zur Einmischung, denn es wird ja nicht irgendwer angegriffen, sondern deren Verbündeter.
Mit anderen Worten, dem Angriff Israels liegen keine rein militärischen Ziele zugrunde. Die israelische Luftwaffe hatte keine militärische Aufgabe. Das Ziel des Angriffs ist eine Provokation als ein Versuch, erst Syrien, dann den Iran und schließlich die USA zu einer Vergeltung zu verleiten.
Was tut ein kluger Mensch, wenn sein Gegner versucht, ihn zu bestimmtem Handeln zu provozieren? Richtig, er macht es gerade andersherum. Hauptsache ist, nicht das zu tun, was der Feind von dir erwartet. Assad benimmt sich bislang wie ein kluger Mensch - er hat sich einfach Netanjahus Spucke aus dem Gesicht gewischt. Genau, wie er es getan hatte, als die Türkei syrisches Territorium beschossen hatte. “Wir ertragen das”, sagten die Syrer. Und wie sehr das auch nach Feigheit aussehen mag, eine solche Reaktion ist am effektivsten.
Für Syrien hat jetzt die Befriedung im Landesinneren Priorität. Wenn es Verhandlungen mit der Opposition geben soll, dann eben auf dem Verhandlungsweg. Wenn nicht, dann werden die Rebellenbanden eben systematisch vernichtet werden. Alle anderen Aufgaben sind von geringerer Wichtigkeit. Und deshalb dulden die Syrer es auch. Es ist klar, dass die im Saft ihrer eigenen Tiraden geifernden israelischen Internetforen die Syrer jetzt massiv verhöhnen - “Wo war sie denn, eure vielgepriesene Luftverteidigung?” Das ist unangenehm. Aber die Syrer haben es nicht eilig damit, die Lösung ihrer wichtigsten Aufgabe - den Frieden im Lande - jetzt zu gefährden. Das ist auch die bestmögliche Entscheidung, die sie treffen können. Und es ist sehr wichtig, dass sie es erst einmal ertragen. Antworten können sie nachher. Wenn sie diese wichtigste Aufgabe gelöst haben."
 

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