Freitag, 19. Juli 2013

»Aggression gegen unsere Studierenden«

"Wegen Sanktionen gegen Syriens Zentralbank konnten Auslandsstipendien in EU-Staaten nicht ausgezahlt werden. Ein Gespräch mit Mohammad Yahia Mualla

Mohammad Yahia Mualla ist Minister für Hochschulbildung in Syrien. Der Doktor der Agrarwissenschaften leitet seit 2007 die Tischreen Universität in Damaskus

Ihr Land hat ein Stipendienprogramm für syrische Studierende im Ausland. Wie ist deren Situation heute?
Wir haben zur Zeit 2200 Studierende im Ausland. Sie studieren in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Rußland, China, Iran, Indien, Malaysia, Österreich sowie in der Tschechischen Republik und anderen Ländern. Der Austausch erfolgt auf der Basis von Abkommen unseres Hochschulministeriums mit den zuständigen Stellen in den besagten Staaten. Gleichzeitig haben wir bilaterale Vereinbarungen mit den jeweiligen Universitäten, wo die Studierenden sind. Die Vereinbarung besagt, daß die Studierenden von uns das Stipendium erhalten. Doch in der derzeitigen Krise haben einige der europäischen Staaten eine aggressive Haltung gegen Syrien eingenommen. Sie haben Sanktionen verhängt, was auch den Geldtransfer zu unseren Studierenden blockiert.  
Was bedeutet das?
Die Sanktionen blockieren die syrische Zentralbank und damit unsere Zahlungen an die Studierenden. Das betrifft Länder wie Deutschland, Frankreich, England und andere europäische Staaten. Und natürlich die USA. Ich betrachte das als eine Aggression gegen unsere Studierenden, gegen Syrien und auch gegen das Völkerrecht. Aber wir haben einen Weg gefunden, das Geld zu übermitteln. Allerdings müssen unsere Studierenden Gebühren zahlen, um es ausgehändigt zu bekommen.  
Haben Sie zum Beispiel mit der Bundesregierung in Berlin Kontakt aufgenommen, um über dieses Problem zu sprechen?
Die einzelnen Staaten verweisen darauf, daß die Sanktionen von der Europäischen Union verhängt wurden, nicht von einzelnen Staaten wie etwa Deutschland. England und Frankreich nehmen eine besonders harte Haltung gegen Syrien ein. Deutschland auch, aber dort gab es Professoren, die sich sehr für unsere Studierenden eingesetzt haben. Das war und ist der Fall an den Universitäten von Rostock, Aachen, Ilmenau und einigen anderen Hochschulen. Dort wurden Spenden für unsere Studierenden gesammelt, damit sie die Zeit überbrücken konnten, bis sie wieder an ihr Geld kamen. Dafür bedanken wir uns sehr.  
Westliche Medien haben vor einiger Zeit berichtet, daß der syrische Staat den Studierenden, die im Ausland gegen die syrische Regierung demonstriert haben, das Stipendium gestrichen habe.
Das ist das westliche Verständnis von Demokratie. Nehmen wir die Britische Rundfunkanstalt BBC, die das auch berichtet hat. Schon 2011 hat sie verbreitet, der Präsident der Tischreen Universität sei getötet worden. Ich sitze vor Ihnen, also was sagt uns das? Manche Medien spielen eine schmutzige Rolle, besonders in England und Frankreich. Wir kennen diese Staaten seit 1920, als sie unser Land unter sich aufteilten und besetzten. Heute helfen sie den Terroristen in Syrien, während sie sie in Mali bekämpfen. Was für ein Verständnis ist das? Aber zurück zur Frage: Die Berichte sind falsch. Wir bezahlen die Stipendien für alle unsere Studierenden im Ausland. Ja, einige haben mit der Opposition im Ausland gegen die Regierung protestiert, aber alle sind unsere Söhne und Töchter.  
Bis 2011 gab es viele bilaterale Vereinbarungen zwischen europäischen Staaten und Syrien im Bereich der Hochschulbildung. Wurden alle diese Vereinbarungen von EU-Seite gestoppt?
Einige Projekte wurden gestoppt, aber für einige haben wir eine finanzielle Vereinbarung getroffen, die weiterhin gilt. Es hängt von den Partneruniversitäten ab. Ich betone, daß nicht wir, sondern die andere Seite die Projekte gestoppt hat. Mit vielen Ländern haben wir aber weiter gute Beziehungen und schicken unsere Studierenden dorthin. In die Tschechische Republik, nach China, Rußland, Japan, Indien… Und es kommen Professoren von dort, um bei uns zu unterrichten.
Glauben Sie, daß sich die Beziehungen wieder bessern werden?
Es liegt nicht an uns. Wir wollen gute Beziehungen mit allen Staaten und Universitäten in der Welt. Aber jetzt gibt es diese schwere Krise bei uns, und westliche Staaten unterstützen Terroristen, die aus so vielen Ländern hierher nach Syrien gekommen sind. Unser Auftrag ist die Wissenschaft und die Bildung, aber auch hier ist für uns ganz klar, daß zukünftige Beziehungen mit den USA, Frankreich und Großbritannien nur möglich sein werden, wenn sie uns als souveränen Staat anerkennen."

Quelle: http://www.jungewelt.de/2013/07-20/019.php

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