Dienstag, 18. Dezember 2012

"Gleich nach der Ankunft in Damaskus fiel auf, dass es keinerlei Panik gibt."

"Der folgende Frage-Antwort-Text erschien bei der russischen Nachrichtenagentur NR2 (“Nowyj Region”) und gibt die Einschätzung eines gewissen Dmitrij Jerschow wieder, der nach Worten der Agentur derzeit in Damaskus ist. Das ist auch wahr, denn nachdem Kreml.TV seine täglichen Live-Übertragungen in Zusammenarbeit mit ANNA-News eingestellt hat, fand sich dieser russische Enthusiast, um Marat Musin vor Ort zu unterstützen. Der Mann ist ein Blogger (hauptberuflich?) und positioniert sich als Politologe. Sein Engagement ist durchaus bemerkenswert und zeigt, auf welcher Ebene nun schon versucht werden muss, die Informationsblockade zu durchbrechen. Dazu braucht man übrigens keine Einladung der syrischen Regierung. Nun ist auch die Schutzausrüstung von Musin - Schutzhelm und kugelsichere Weste - eine Spendengabe. Nicht etwa der syrischen Regierung oder Armee, sondern der russischen Firma Armocom. Ähnliches gilt für die Kamera, die seit ein paar Tagen im Einsatz ist und einfach einem Panzer oder Truppentransporter aufgesteckt werden kann. Sie stammt von einem russischen TV-Projekt namens Neuromir.TV (grob umschrieben ist das ein Projekt der Sparte "user generated content"). Was der in Moskau sitzende Repräsentant des SNC, Mahmud al-Hamsa, über eine staatlich gesteuerte Meinungsmache zugunsten der syrischen Regierung phantasiert, trifft überhaupt nicht zu. Hier engagieren sich normale Bürger, um eine Berichterstattung aus Syrien zu ermöglichen.
Der Artikel bei NR2 titelt “Syrien. Krieg gegen die terroristische Internationale” (wird hier leicht gekürzt übersetzt). Musin selbst hat in Vorlesungen den Begriff “Wahhibitischer Komintern” geprägt, den man hier später auch noch einmal erläutern kann. Weiter unten im Text noch ein ANNA-News-Mitschnitt von Kampfhandlungen am 16.12.2012 in Daraja.

Quelle für den Text ab hier: www.nr2.ru
NR: Dmitrij, welches waren die ersten Eindrücke von dem, was Sie in Syrien gesehen haben?
Dmitrij Jerschow: Gleich nach der Ankunft in Damaskus fiel auf, dass es keinerlei Panik gibt. Es gibt am Flughafen nicht etwa Menschenmengen mit ihrem Hab und Gut, die ganz dringend abreisen wollen. Ganz im Gegenteil, die Atmosphäre im Flughafen von Damaskus ist vollkommen ruhig und unterscheidet sich nicht z.B. von der im Moskauer Flughafen Wnukowo. Um den Flughafen herum und entlang der 30 Kilometer langen Straße nach Damaskus gibt es Checkpoints der Armee. Aber es sind viele Fahrzeuge unterwegs. Es fiel nur auf, dass sie alle recht schnell unterwegs waren. Diese Magistrale ist also nicht etwa durch die Terroristen abgeschnitten, auch wenn es, wie unser syrischer Begleiter sagte, in der letzten Zeit einige erfolglose Versuche dazu gegeben hat.
 
 
NR: Wie gravierend sind die Zerstörungen in Damaskus und in anderen Städten? Arbeiten die Läden in Damaskus? Wie steht es mit der Wasserversorgung, gibt es Mangel an Lebensmitteln? Was ist mit Schulen, Kindergärten, Banken und anderen sozialen und staatlichen Einrichtungen?
Dmitrij Jerschow: Abgesehen vom Stadtteil Abun, wohin die Rebellenbanden vor einem halben Jahr erfolglos einzudringen versuchten, gibt es in Damaskus keinerlei Zerstörungen, abgesehen von den Spuren der ab und an passierenden Terroranschläge - in Damaskus gibt es keine Kämpfe. In den syrischen Städten und Dörfern, in denen gekämpft wird, sind die Zerstörungen hingegen sehr bedeutend. Analog verhält es sich mit den Läden, Banken, Schulen und anderen Einrichtungen. Wo es unruhig ist und gekämpft wird, ist der Großteil dieser Einrichtungen geschlossen. Wo alles ruhig ist, arbeiten die Menschen im gewohnten Rhythmus.
In Damaskus läuft die Wasserversorgung stabil und es gibt auch keine Probleme mit Lebensmitteln. Doch die Wirtschaftssanktionen des Westens und die von ebenda koordinierten, mit den Händen der Islamisten verübten Anschlägen gegen wirtschaftliche Einrichtungen führten zu Preissteigerungen von mehr als 50%, was den Lebensstandard einfacher Syrer natürlich verschlechtert hat.
NR: Gibt es in den Krankenhäusern von Damaskus viele Verwundete?
Dmitrij Jerschow: Es gibt Verwundete, aber es sind verhältnismäßig wenige. Dabei muss man bemerken, dass hier sowohl verwundete Soldaten der syrischen Armee und Zivilisten, wie auch gefangengenommene und verwundete Rebellenkämpfer behandelt werden.
NR: Vor einigen Tagen wurde berichtet, dass die gegen die Regierung kämpfende Opposition dazu übergehen wird, in Syrien lebende russische Staatsbürger umzubringen. Wie wurde diese Nachricht in Syrien selbst aufgenommen, also von den Einwohnern, den russischen Syrern und den Armeeangehörigen? Gibt es Schutzmaßnahmen für russische Bürger?
Dmitrij Jerschow: Die kämpfende Opposition bringt jeden um, egal wann und wie. Das sind Unmenschen, die auch Frauen und Kinder umbringen, nur, um den westlichen Medien entsprechende Bilder zu liefern. Sie sprengen Busse, beschießen Schulen aus Granatwerfern und begehen viele andere Niederträchtigkeiten. In Syrien wird das von den normalen Menschen eindeutig abgelehnt - die Terroristen werden gehaßt. Das muss auch die übrige Welt einmal verstehen. Was konkret den Mordaufruf gegen Russen angeht, so ist dieser von Scheich al-Qaradawi, einem der Ideologen der Salafiten ausgesprochen worden, ebenso vom geistlichen Führer der Al-Nusra-Front, Scheich al-Arur.
NR: Wie ist die Lage in Syrien insgesamt?
Dmitrij Jerschow: Die Gesamtlage ist verhältnismäßig ruhig. In Damaskus, wo ich mich gerade befinde, gibt es keinerlei Panik. Die Stadt lebt ihr gewohntes, gemessenes Leben. Es gibt keine Proteste oder Kampfhandlungen. Die Terroristen, die nach Damaskus vorzudringen versuchten, sind in entfernten Vororten blockiert worden, etwa in Daraja oder Duma, und werden von der syrischen Armee jetzt systematisch vernichtet. In Daraja laufen derzeit recht angespannte Kämpfe. Ich bin dort gleich nach meiner Ankunft in Syrien, am Donnerstag, gewesen, am Freitag habe ich Daraja wieder besucht. Auf den Straßen liegen die Leichen der dort liquidierten Rebellenkämpfer. Das sind Leute aus dem Libanon, aus Libyen, Saudi-Arabien, Irak und aller Herren Länder - eine terroristische Internationale. Wie syrische Armeeangehörige sagten, war selbst ein Australier unter den Getöteten. Wir fanden dort auch Geld in den Währungen Saudi-Arabiens und Libyens.
Mitunter gelingt es der syrischen Armee auch, Instrukteure aus NATO-Ländern zu fangen. Das sind viele Türken, ebenso auch Instrukteure aus Saudi-Arabien.
Abgesehen von Daraja und Duma ist die Situation in Aleppo und auchin Harasta weiterhin schwierig. Ich bin bisher nicht dort gewesen und kann deswegen nicht als Augezeuge der dortigen Vorgänge berichten. Allerdings kann man zum jetzigen Zeitpunkt sagen, dass die Lage in Syrien sich im Großen und Ganzen stabilisiert. Die Armee liquidiert die Terroristen in großen Zahlen, und es hat den Anschein, als gehen dem Katar und Saudi-Arabien die Mittel aus, diese internationalen Banden weiterhin ausreichend mit Kanonenfutter und Waffen zu versorgen.
NR: Was meinen Sie sind die wirklichen Gründe für den Konflikt in Syrien? Wem nützt er?
Dmitrij Jerschow: In erster Linie, so glaube ich, muss man sagen, wem der Konflikt in Syrien nicht nutzt. Das ist das syrische Volk. Vorteilhaft ist der Konflikt für die, welche sich außerhalb Syriens befinden. Das sind zuerst die Hauptsponsoren, der Emir des Katar Hamad bin Chalifa al-Thani und die in Saudi-Arabien herrschende Dynastie der Saud mit ihrer irrwitzigen Idee der Wiedererrichtung eines arabischen Kalifats auf Grundlage der radikalen religiösen Lehre des Wahhabismus. Al-Thani und die Saud bewaffnen und bezahlen Terroristen aus dem gesamten Nahen Osten, damit sie in Syrien kämpfen. Darin werden sie vom türkischen Premier Recep Erdoğan unterstützt, der sich mit seiner eigenen Armee überwarf und durchsetzte, dass die Türkei zum Schlupfwinkel für Abschaum aus dem ganzen Nahen Osten wurde, das von dort aus in den Krieg nach Syrien zieht. Ohne al-Thani, ohne die Saud und Erdoğan gäbe es keinen Konflikt in Syrien. Er wurde von außerhalb durch Kräfte initiiert, die zum syrischen Volk keinerlei Beziehung haben."
 

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