Dienstag, 12. Juni 2012

Bericht aus Syrien

"In Tell Biseh, nördlich von Homs, gab es mehrere Tage lang Kämpfe zwischen der syrischen Armee mit den bewaffneten Banden, um das Dorf wieder einzunehmen, das in deren Händen war. Wegen der chemischen und uranabgeschwächten Waffen in den Händen dieser Banden hat die Armee die Kämpfe intensiviert, nachdem das Ultimatum Freitag abgelaufen ist, die Waffen niederzulegen, und die FSA sowieso den nie gehaltenen Waffenstillstand aufgekündigt hatte.
Die schwersten Kämpfe gab es in Haffeh, etwa 20 km von Lattakia im Osten, im Küstengebirge, wo mehrere Hundert Rebellen konzentriert waren und ein Emirat errichtet hatten. Der Emir, ein Holzkohlenbrenner für Wasserpfeifen, ist dabei ums Leben gekommen. Viele seiner Anhänger haben sich in den Dörfern und Wäldern um Haffeh versteckt. Die Ortschaft liegt inmitten der Wälder des Küstengebirges mit Aleppokiefern, Wacholdersträuchern, einheimischen Eichen und Summaq-Sträuchern. Das sind dort auch noch ursprüngliche Waelder, also nicht aufgeforstet. In den letzten 20 Jahren hatte Syrien nämlich ein umfassendes Aufforstungsprogramm von vielen Dutzend Millionen Bäumen in Angriff genommen, nachdem seit dem Altertum und unter den Osmanen viele Bäume abgeholzt worden waren. Die Gegend ist normalerweise eine Sommerfrische. Im Winter gibt es Schnee und etwas weiter in den Bergen, in Slunfeh, verbringen viele Leute die Wochenenden im Sommer oder auch die Ferien.
Etwa 60 Soldaten sollen dort seit dem 5. Juni umgekommen sein, etwa 50 km von der türkischen Grenze entfernt. Die Stadt und die umliegenden Dörfer sind am Sonntag den 6. Tag in Folge beschossen worden, nachdem die Bewohner nach Lattakia geflohen und zusätzliche Truppen zur Verstärkung angekommen waren. Während die bewaffnete Opposition die Gegend nun für die reguläre Armee als nicht mehr sicher erklärt, ist sie das wohl vor allem für sie selbst nicht mehr. Denn solange sie sich mit Bombenlegen und Hinterhaltsattacken beschäftigte, hatte sie die Oberhand. Wenn sie sich aber gegen eine organisierte Armee stellen muss, ist das schon etwas anderes, umso mehr, als sie ja nur auf eine sehr kleine Minderheit in der Bevölkerung rechnen kann. Man kann jemanden gezielt mit 2 oder 3 Mann töten, wenn er aus seinem Haus kommt, oder durch eine Bombe an seinem Auto, oder per Fernzündung eine Bombe explodieren lassen, ohne hier mehr als 2-3 Leute zu brauchen, sowie einen wirksamen Hinterhalt mit 10-12 bewaffneten Leuten ausführen, ein Stadtviertel kann man mit 50 Leuten halten. Aber eine richtige Armeeoffensive ist dann etwas Anderes, wie wir schon in Baba Amr gesehen haben.
Es scheint so, dass die Armee eine Generaloffensive gegen die Hauptkonzentrationspunkte der Aufständischen gestartet hat, ohne sich mehr darum zu kümmern, was die UNO sagt, denn es geht hier schließlich um die Sicherheit des Volks.
Ein erster, symbolischer Erfolg ist die Wiedererlangung der totalen Kontrolle des al Qussour-Viertels im Nordwesten von Homs. Schließlich sind seit der Befreiung von Baba Amr 3 Monate vergangen. Aber wenn man in diesem dichtbesiedelten Stadtviertel, das normalerweise 40000 Einwohner zählte, wo überall Scharfschützen lauern können, wo die Gebäude durch Löcheröffnungen miteinander verbunden sind wie in Baba Amr und auch durch antike unterirdische Gänge, wenn man da also behutsam vorgehen will, ohne das Viertel dem Erdboden gleichzumachen, dann kann man es nicht einfach nur mit Kanonen und Raketen beschießen, da braucht man genug Zeit. Diesmal wurden auch Hubschrauber eingesetzt.
Bleiben jetzt noch die Christenviertel von al-Hamidiyeh und al-Khaldiyeh weiter im Norden, wo die letzten Truppen vom FSA-Kommandeur Abdel Razzak Tlass sind, der sich vor den UNO-Beobachtern damit gebrüstet hat, diese Viertel vollständig unter seiner Kontrolle zu haben, d.h. etwa 1/5 der Stadt. Hier wird es auch langsam, aber sicher vorwärts gehen. Im Übrigen ist Baba Amr kaum mehr ein Thema in den Medien.
Seit letzter Nacht sind ¾ von al-Khaldiyeh zurückerobert. Die syrische Armee geht wie bei einer chirurgischen Operation vor mit Hilfe ihrer Spitzel innerhalb der Rebellengruppen.
Auf Grund des behutsamen Vorgehens der Armee, um möglichst wenige zivile Opfer beklagen zu müssen, sind die Verluste in ihren eigenen Reihen beträchtlich. Alle Dienstgrade sind darunter vertreten : Offiziere, Unteroffiziere, Wehrpflichtige. Vorgesetzte verstecken sich nicht hinter den Soldaten. Aber auch die Terroristen haben große Verluste erlitten.
Mit 25 neuen Sicherheitskräften, die zu Grabe getragen wurden, macht das jetzt in 3 Tagen schon 103. Seit Anfang Juni sind also schon mehr als 200 Armee- und Polizeiangehörige im Kampf bei Attentaten oder gezielten Tötungen gefallen. Dies bedeutet einen wirklichen Krieg, aber keinen Bürgerkrieg, denn die FSA vertritt keinen bedeutenden Teil der Bevölkerung, sondern eine Bewegung von einigen Tausend Terroristenkämpfern, die abseits der Bevölkerung agiert, die aber proportional noch recht wirksam ist, auf Grund ihrer finanziellen, logistischen und politischen Unterstützung, die sie von arabischen und westlichen Regierungen erhält. Ihre Metastasen, die sie produziert, müssen wie bei jedem Krebsgeschwür schnellstens bekämpft werden, egal was Ban Ki-moon und Kofi Annan sagen, die sehr wohl die Lage vor Ort kennen. Diese Realität macht den UNO-Friedensplan unwirksam.
Die kuweitische Tageszeitung Al-Qabas hat die Anwesenheit einiger Dutzend Koweitis in den Rängen des syrischen Aufstands bestätigt; außerdem noch Saudis, Algerier, Pakistanis, Marokkaner; 250 sollen es sein. Die westliche Presse hat auch anerkannt, dass mehrere hundert Libyer über die Türkei nach Syrien gekommen sind. Auch tunesische Freiwillige wurden von der syrischen Armee gefangengenommen oder getötet. In Anerkennung der Tatsache, das die Mitglieder der FSA diese Dschihadisten-Aspiranten an der türkisch-syrischen oder syrisch-libanesischen Grenze in Empfang nehmen, bevor sie sie bewaffnen und in verschiedenen Kampfgruppen verteilen, macht al-Qabas es genauso wie die europäischen Zeitungen (s. FAZ), die eher auf atlantischer Linie sind und auch ihr Herz für ein BisschenWahrheit entdeckt haben. Was interessant zu wissen wäre, ist, wieviele dieser ausländischen Freiwilligen im Monat Juni in Syrien verteilt sind und wieviele sie im Verhaeltnis zu den Einheimischen im Rahmen der FSA sind. Das ist nicht leicht, selbst wenn sie gefangen oder getötet werden, denn die „freundlichen Organisatoren“ der FSA statten die Neuankömmlinge mit falschen syrischen Papieren aus, worauf al-Qabas hinweist. In Baba Amr jedoch haben die syrischen Behörden eine ganze Reihe von ausländischen Staatsangehörigen unter den Toten und Gefangenen ausgemacht.
Der russische Außenminister Sergeï Lavrov hat am 9. Juni darauf hingewiesen, dass sein Land genügend Beweise hat für eine ausländische Beteiligung, zugunsten des Aufstands, in allen Bereichen. Er hat sogar den Journalisten anvertraut, dass er in privaten Gesprächen feststellen konnte, dass seine westlichen Diplomatenkollegen sich vollkommen dieser praktischen Aspekte der syrischen „Revolution“ im Klaren sind. Die Anwesenheit ausländischer Aktivisten in den Rängen der FSA wird auch von einigen Oppositionellen im Ausland eingeräumt wie Haytham Manaa."

Quelle: http://urs1798.wordpress.com/2012/05/24/kommentarbereich-fur-barbara-syrien-syria-ab-24-05-2012/#comment-23550

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