Freitag, 6. Juli 2012

Homs, Stadt der Unterwelt: (Teil I)


Es war ein wunderschöner Abend im Mai, das Wetter war herrlich und ich saß auf dem Balkon meiner Wohnung und genoß eine Tasse Kaffee, als das Telefon klingelte. Eine zitternde Stimme am anderen Ende – es war mein bester Freund, aus Homs. Er bat mich, ihm bei seiner umgehenden Flucht aus Hamidiyah zu helfen, nachdem die Milizen von den dortigen Familien – darunter auch seiner (er, seine Frau und zwei Kinder) verlangten, ihre Häuser für Flüchtlinge aus anderen Gebieten zu räumen.
Am nächsten Morgen sprang ich in mein Auto und dachte bei mir, das wäre das Dümmste und Abenteuerlichste, was ich seit langer Zeit getan habe.
Eineinhalb Stunden vergingen von meinem Wohnort bis nach Homs, es war sehr wenig Verkehr auf der Autobahn, keine Polizei, keine Geschwindigkeitskontrollen und weder Armee noch Milizen. Ich hab nicht daran gedacht, dass irgendetwas Schlimmes passieren könnte, genoß das Fahren mit hoher Geschwindigkeit, die laute Musik und ich sang wie ein Super Star.
Bei der Ankunft am Eingang der Stadt hielt mich ein Checkpoint der Armee auf, ein Soldat mit mürrischem Gesicht näherte sich meinem Auto und fragte nach meinen Papieren, überprüfte meine ID und verglich diese mit einer Liste gesuchter Personen. Beim Anblick meiner ID und meines Namens änderte sich das Gesicht des Soldaten und er wünschte mir fröhlich eine gute Fahrt und ließ mich gehen.
Mein Ziel war Hamidiyah, und ich kannte die Stadt wie meine Handflächen, die Stadt, nicht das, was davon übrig ist. Ich kam an der Statue des verstorbenen syrischen Präsidenten Hafiz al-Assad vorbei und passierte dann Bab Hood auf dem Weg zu meinem Ziel. Die Straßen waren leer, überall an den Gebäuden gab es Spuren von Kugeln, ein Gebäude hatte riesige Löcher, überall lag Müll herum und der Geruch war widerlich. Ich betrat eine Geisterstadt. Ich muss zugeben, in diesem Moment begann ich zu ahnen, wie dumm meine Entscheidung war.
Einige Kilometer weiter, genau an der Ausfahrt Midan, gab es einen weiteren Checkpoint, aber das schienen keine regulären Soldaten oder Sicherheitskräfte zu sein: lange Bärte, keine Schnurrbärte, einige von ihnen mit seltsamen Waffen und Maschinengewehren ausgerüstet. Sie hatten die Straße mit einem Pickup-Truck blockiert, auf dem ein Maschinengewehr installiert war. Ein höchstens 16 oder 17 Jahre altes Kind näherte sich meinem Auto mit einem Maschinengewehr AK-47 in der Hand, richtete es auf mein Gesicht und fragte nach meiner ID und meinem Ziel. Ich gab ihm die ID und sagte ihm, ich wollte nach Hamidiyah (mein Cousin sei krank und ich müsse ihn in´s Krankenhaus bringen). Er überprüfte die ID und fragte mich in fremdem Dialekt (eher von außerhalb Homs): „Bist du Christ und woher kommst du?“ Ich versteckte meine Angst und erklärte: ja, ich bin Christ und ich komme aus Damaskus. Ich antwortete mit so fester Stimme wie nur möglich. „Hast du irgendetwas aus der Bibel auswendig gelernt und du musstest den ganzen Weg zu deinem Freund kommen?“ fragte er in sarkastischem Tonfall. Ja, ich kannte die Bibel auswendig und ja Sir, ich musste aus Damaskus kommen. Mein Freund ist so gut wie mein Cousin, deswegen musste ich lügen, damit er glaubte, ich sei den ganzen Weg wegen meines Cousins gefahren, ganz zu schweigen von meiner Glaubwürdigkeit als Christ. Ich antwortete, während ich mein unerschrockenes Gesicht nicht mehr aufrecht erhalten konnte. „Na Gott sei Dank ein Christ weniger“, sagte er und fügte hinzu, „Sie brauchen keine Angst vor uns zu haben. Sie können jetzt weiter fahren.“, während er mir meine ID wieder gab. Er wies jemanden über Funk an, nicht zu schießen (anscheinend ein Scharfschütze auf irgendeinem Dach mit Blick auf den Checkpoint, wie mir mein Freund später erklärte).
Ich fuhr einige Meter, bis ich den Neuen Uhrenplatz erreichte. Ein Armee-Checkpoint stoppte mich. Sie schienen in Panik zu sein, mich zu sehen. Sie luden ihre Waffen nach und forderten mich auf, meine Hände zu zeigen und fragten mich, was ich tue. Ich antwortete ihnen das gleiche. „Bitte greifen Sie langsam nach Ihrer ID“, forderte der Offizier mich auf. Ich tat es, er überprüfte die ID, verglich sie mit einer Liste in seiner Hand und sagte: „Okay, mein Sohn, sei vorsichtig. Es ist ein sehr gefährliches Gebiet und du könntest getötet werden. Es gibt überall auf den Dächern Mörder.“
Ich ließ den alten Uhrenplatz hinter mir, wo mich ein weiterer Checkpoint erwartete, mit Menschen mit Bärten und diesen professioneller erscheinenden schwarzen T-Shirts mit einem islamischen Slogan, Männer mittleren Alters, jeder mit Panzerfäusten und Gewehren. Einer von ihnen näherte sich mir. Es gab fast die gleichen Fragen mit Betonung auf meinen religiösen Hintergrund und dem Hinweis, es sei besser, meine Verwandten mit zu nehmen. Aber er erklärte, ich müsste eine andere Straße nehmen, denn diese sei mir nicht erlaubt.
So musste ich also zurück fahren zur Abdul-Mun'em-Ryad-Straße in der Nähe der Hauptpost von Homs, und mich dann in Richtung al-Konrsh wenden, um nach Hamidiyah zu gelangen.
Alles in allem passierte ich 7 Checkpoints der Milizen und 2 der Syrischen Armee und nach fast einer Stunde erreichte ich die Wohnung meiner Freunde in amidiyah (für den Weg von Homs nach Hamidiyah benötigt man normalerweise maximal 10 bis 15 Minuten.).
Alle Straßen waren voll von Checkpoints der Rebellen und von Bewaffneten, überall war Müll, ständig wurden von Checkpoints über Funk Anweisungen an Scharfschützen auf Dächern gegeben, mich passieren zu lassen. 

Autor: Maya Naser

Quelle: http://syriapolitics.blogspot.de/2012/07/part-i-homs-underworld-city.html  

2 Kommentare:

  1. Thank you very much for your translation, I'd really still appreciate writing my name as the writer on it.

    P.S
    You might already have done that and I couldn't understand it

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