Irgendwann schaffte ich es zu dem Haus meines Freundes in
Hamidiyah. Sein Haus befand sich in der Nähe der Kirche Holy Girdle of St Mary
in Homs. Die Kirche war verwüstet, das Gebäude selber war nicht von Kanonenschüssen
getroffen worden – es hatte keine großen Löcher – stattdessen gab es Spuren von
Schüssen und RPGs an den Wänden. Am Haupteingang der Kirche war Müll
aufgetürmt, und im Haupthof sah ich bewaffnete Zivilisten. Ich habe keine
Checkpoints der Milizen bemerkt, aber zwei bärtige, bewaffnete Männer mit
einigen Kindern um sie herum waren an der Straßenecke.
Ich fand keinen Platz, das Auto zu parken, Wrackteile
waren auf der rechten Straßenseite gestapelt. So musste ich das Auto in der
Mitte der sehr engen Straße anhalten, stieg aus, verriegelte es und ging zum
Haus meines Freundes, als ich plötzlich jemanden schreien hörte: „Hey, du! Was
denkst du, wo du bist? Und wohin willst du, du Sohn einer Hure (Hündin)?“ Ich
sah über die Schulter und fand einen 12,
vielleicht 13 Jahre alten Jungen mit einer AK-47 auf der Schulter – so groß wie
er selber -, der mit mir sprach. „Ich
gehe nach oben in die Wohnung meines Cousins“, antwortete ich in sarkastischem
Tonfall, während ich das Kind ansah. Er sah mich an, verlangte meine ID und
beschimpfte mich. Ich gab ihm die ID, er warf einen Blick darauf, sah mich an
und fragte: „Bist du Christ?“ „Ja, das bin ich“, antwortete ich. „Warte hier,
bis der Chef kommt“ wies er mich an. Ein paar Minuten später kam ein anderes
Kind, vielleicht 16 oder 17 Jahre, nahm meine ID und fragte das kleinere Kind,
ob ich Christ sei. Ich fiel ihm in´s Wort und bestätigte das. „Ich habe nicht
dich gefragt, … .Du antwortest, wenn ich mit dir rede.“, schrie er mich an. „Ja,
Sir, wie Sie wünschen.“, antwortete ich. Das 12 Jahre alte Kind sagte: „Laut
seinem Namen scheint er Christ zu sein. Außerdem hat er es gerade eingestanden.“
„Warum bist du hier?“, fragte mich das ältere Kind. „Ich bin auf dem Weg zu dem
Haus meines Cousins. Er möchte die Gegend verlassen und ich bin gekommen, um
ihn mitzunehmen.“ „Warte hier, bis der große Boss kommt“, wies mich der ältere
Junge an.
Während ich auf den „Big Boss“ wartete, hörte ich eines
der Kinder – das ältere – dem anderen erzählen, wie er und eine große Gruppe
seiner „Brüder“ – so nannte er sie – in der Nacht zuvor einen Armee-Checkpoint
angegriffen und viele von ihnen getötet hätten. Er erzählte Details, die mir
persönlich Angst einjagten, einschließlich der Tatsache, dass sie einen
Soldaten lebendig verbrannten, nachdem sie ihn gefangen genommen hatten. Der
12Jährige lächelte und pries Gott (Gott ist groß) und erklärte, die Alaviten
hätten das verdient.
Ich unterbrach das Gespräch und sagte in sehr ruhigem
Ton: „Aber nicht alle von ihnen sind Alaviten, einige von ihnen sind Sunniten,
und einige andere sind Christen und Drusen. Ich persönlich bin von mehreren
Posten aus Ostsyrien (Deir Azzor [Anmerkung: das ist Kurdengebiet]) angehalten
worden, was ich an ihrer Sprache erkannt habe.“ Das ältere Kind sah mich an und
erwiderte: „Warum sollten sie bei der Armee kämpfen? Sie verdienen es, mit dem
Schwert abgeschlachtet zu werden. Alle Alaviten sind gottlos und ungläubig, und
das gilt auch für alle, die sie unterstützen.“ „Wenn wir Assad gestürzt haben –
fuhr der 16Jährige fort – werden wir die Regeln der Scharia auf diejenigen
anwenden, die nicht Moslems sind. Wir werden ihre Männer töten und ihre Frauen
versklaven. Wir werden auch die Moslems bestrafen, die uns nicht unterstützt
haben, besonders die Einwohner von Damaskus, die uns immer wieder unterdrückt
haben.“
Als 10 Minuten vergangen waren, kam ein Mann mittleren
Alters mit langem Bart und schwarzem T-Shirt, der ein RPG und ein Gewehr auf
der Schulter trug. „Warum wollen deine Verwandten das Gebiet verlassen?“,
fragte er mich. „Ich weiß nicht. Sie haben mich nur gebeten, sie abzuholen und
hier bin ich.“, antwortete ich zitternd. „Hast du deine Taufurkunde von der
Kirche dabei?“, fragte er. „Nein, habe ich nicht. Ich wusste nicht, dass ich es
hätte mitbringen müssen.“, antwortete ich. „Wie kann ich sicher sein, dass du
kein Alavit oder Ismaelit bist, oder sogar Druse?“, fragte mich der Mann. „Ich
weiß nicht, wie Sie das herausfinden können, aber mein Name ist Maya und ich
bin Christ. Ich kann Ihnen auch Teile der Bibel zitieren.“, antwortete ich. „Ok,
du kannst gehen.“, sagte er. Er drehte sich um und gab etwas über Funk durch. 20
Minuten später, als mein Freund und ich seine Angehörigen in´s Auto brachten,
wurden wir von demselben alten, bewaffneten Mann unterbrochen. „Warum gehst du?“
Der bewaffnete Mann richtete seine Frage direkt an seinen bewaffneten Freund. „Sie
haben vor einigen Tagen über Lautsprecher angekündigt, dass alle Einwohner von
Hamidiyah – die bisher noch nicht aus dem Gebiet geflohen sind – ihre Häuser
verlassen sollten, oder alle Familien werden in einem Gebäude versammelt, denn
ihr wollt Flüchtlingen unsere Häuser als Wohnungen geben!“, antwortete mein
Freund. „Ok, ihr habt 10 Minuten, um das Gebiet zu verlassen“, sagte der
Bewaffnete, während er sich entfernte.
Mein Freund ging zurück zu seinem Haus und rief seine
Kinder und seine Frau runter. In der Zwischenzeit ging ich zu meinem Auto und
wartete ein paar Minuten, bis die Familie meines Freundes in das Auto sprang.
Wir fuhren Richtung Tartous und wurden auf die gleiche Art und Weise mit
Hindernissen konfrontiert, wie ich auf meinem Weg nach Hamidiyah.
Zwei Stunden später waren mein Freund und seine
Familie offiziell geflüchtet. Ein anderes Leben erwartet sie. Nicht leichter,
aber mit Sicherheit sicherer, wie er es ausdrückte: „Jetzt kann ich beruhigt
schlafen und weiß, dass meine Kinder nicht abgeschlachtet oder gefangen
genommen werden.“ Autor: Maya Naser
Quelle: http://syriapolitics.blogspot.de/2012/07/part-ii-hell-on-earth-how-christians.html
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