"Lässig lehnte er damals unweit des Grünen Platzes an der Fahrertür
seines Mitsubishi-Jeeps, in der Hand "sein Baby": ein
PSL-C-50-Präzisionsgewehr. Vor einem Jahr im August war Housam Najjair
beim Sturm auf Gaddafis Stadtfestung in Tripolis
an vorderster Front mit dabei. "Den Scharfschützen von Dublin" nannten
ihn seine Kameraden. Zwölf Monate später ist der 33-Jährige, der in
Irland als Sohn eines libyschen Vaters und einer irischen Mutter
aufgewachsen ist, wieder mit der Waffe unterwegs – diesmal in Syrien.
Najjair gehört zu den mehr als tausend ausländischen Kämpfern, die in
den vergangenen Monaten über die Grenzen zur Türkei, zum Irak und zum
Libanon ins Land gekommen sind. Chef dieser Auslandskämpfer ist Najjairs
Schwager Mahdi Harati, der normalerweise mit Frau und vier Kindern
ebenfalls in Dublin lebt und vor der Aufruhr in Nahost als
Arabischlehrer arbeitete. Drei Monate hatten beide im Städtchen Nalut in
den Nafusa-Bergen westlich der libyschen Hauptstadt trainiert, geschult
von Spezialkräften aus Katar und Großbritannien: Wie riegelt man ein
Viertel ab, wie behält man eroberte Gebiete unter Kontrolle, Schießen
mit Gewehr und Panzerabwehrraketen – alle 1.200 Mann der
"Tripolis-Brigade" absolvierten diese militärischen Schnellkurse.
Bis Oktober 2011 blieb Schwager Mahdi Harati noch als Vizechef des Militärrats in Tripolis, dann zog es ihn weiter nach Syrien,
wo er eine neue Kampftruppe aufbaute. "Wir sind die Liwaa al Umma",
brüllen heute die rund hundert Männer, die irgendwo in der nördlichen
Provinz Idlib auf einem staubigen Schulhof angetreten sind. Anders als
bei den Rebellen üblich haben Haratis Männer einheitliche Uniformen und
Armeestiefel. Sogar ein Logo mit dem Titel "Revolutionäre von Shams" –
der alte Name für Syrien – ist auf ihre Khaki-Hemden genäht.
Najjair zögerte nicht lange
Auf etwa 6.000 Mann beziffert der 40-jährige Selfmade-Kommandeur
mittlerweile die Zahl seiner Kämpfer, die sich immer mehr als
Elitetruppe gegen das Assad-Regime verstehen. Das nötige Geld stammt
nach Haratis Worten "von privaten Spendern in Nahost und Nordafrika",
Waffen und Uniformen kommen aus der Türkei. 90 Prozent seiner Truppe
sind Syrer, die Offiziere dagegen alle Libyer, die ihren Chef
ehrfürchtig "Scheich Mahdi" nennen.
Vor zwei Monaten rief der libysch-irische Ex-Lehrer seinen Schwager
Housam Najjair in Dublin an. Der zögerte nicht lange und zog wieder los
in seinen nächsten Bürgerkrieg. "Anfangs war ich total schockiert",
sagte er einem Reuters-Reporter. "Ich hätte heulen können, als ich zum
ersten Mal die Waffen sah. Die Gewehre waren völlig nutzlos, alles altes
Zeug aus dem Irak-Krieg oder von anderswo her." Erst in letzter Zeit
sei es deutlich besser geworden, sagt der gelernte Bauunternehmer.
Inzwischen verfügen die Rebellen auch über Flak-Maschinengewehre und
Panzerfäuste."
Quelle: http://www.zeit.de/politik/ausland/2012-08/housam-najjair-syrien-assad
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