"Saad Hariri ist überall
präsent im Libanon, auch wenn er seine Zeit als Premier (2009 bis 2011)
hinter sich hat und im Ausland lebt, meist in Paris. Er ist immer noch
sehr einflussreich und mit mit 42 Jahren der jüngste Multimilliardär der
Welt. Vor allem aber ist er der Sohn von Rafik Hariri, der viele Jahre
Regierungschef war und am Valentinstag 2005 bei einem Bombenanschlag
starb, mutmaßlich auf Geheiß Syriens.
Die Kämpfer treffen sich in einer Garage
Kein Wunder,
wenn der junge sunnitische Politiker, der das finanzielle und politische
Erbe seines Vaters angetreten hat, den Kampf der Rebellen gegen den
verhassten Assad-Clan gutheißt. Aber bei Solidaritätsbekundungen ist es
angeblich nicht geblieben: Hariri und Mitglieder seiner
Zukunftsbewegung, so heißt es, organisieren Waffenlieferungen an die
militante Opposition.
Von einer
Unterstützung durch Hariri will man im Sunniten-Viertel Bab al-Tabaneh
nichts wissen. "Keinen Cent bekommen wir", sagt Abu Munir in seiner
großräumigen Garage. Sie ist der Treffpunkt seiner Kämpfer, "wenn von
oben wieder einmal geschossen wird".
Der glatt
rasierte Mittdreißiger gibt sich als Nachbarschaftsführer, der bei
Streitigkeiten vermittle. Nein, nein, eine Miliz habe er nicht. Und die
Pistolen, die bei ihm und seinem Begleiter im Gürtel stecken, brauche
man nur zu Selbstverteidigung. "Gegen die Terroristen in Dschabal
Mochsen, die ihre Waffen direkt aus Damaskus bekommen!"
3500 Salafisten in Tripoli
Dann führt er
ganz nach oben in das sechste Stockwerk des Gebäudes. Eine mehrere Meter
lange Sandsackbarrikade mit dem Blick nach oben ins Viertel der
Alawiten. "Ja, wir schießen von hier aus auch mit Panzerabwehrraketen",
sagt er lapidar. Durchs Fenster sieht man in der Häusersilhouette einige
ausgebrannte Wohnungen.
Seine Sympathie
für den Kampf der Freien Syrischen Armee bekennt Abu Munir deutlich.
"Assad muss weg, und das möglichst schnell." Von Waffen und militanten
Islamisten, die von Tripoli aus über die nahe Grenze nach Syrien
geschmuggelt werden, will er aber ebenso wenig etwas wissen wie von der
Beteiligung Hariris.
Dabei ist
Tripoli bekanntermaßen der Ausgangspunkt des Schmuggels nach Syrien und
ein Zentrum des erzkonservativen, sunnitischen Islams. Von dessen
radikalsten Vertretern, den Salafisten, soll es in Tripoli rund 3500
geben. Und sie verstecken sich nicht: Kürzlich plünderten sie Geschäfte
von Alawiten und zündeten sie an.
"Gott bevorzugt Kopf abschneiden"
Ideologischen
Nachschub erhalten die Extremisten offenbar aus dem Ausland. Am Strand
von Tripoli wurden 60 noch verpackte Kopien eines Buches gefunden, die
offensichtlich in aller Eile zurückgelassen wurden. Titel des 600 Seiten
starken Machwerks: "Sachfragen zur Wissenschaft des Heiligen Kriegs".
Autor: Scheich Abdul-Rahman al-Ali, ein Islamgelehrter des
Terrornetzwerks al-Qaida.
Darin wird das
Töten von Zivilisten, selbst von Frauen, Kindern oder älteren Menschen
im Dschihad gerechtfertigt. Ungläubigen den Kopf abzuschneiden, sei
"beabsichtigt und bevorzugt von Gott und dem Propheten".
Aber auch
handfestere Unterstützung bekommen die Salafisten und ihre
Glaubensbrüder in Syrien im Kampf gegen Assad. Wie aus Quellen der
Hafenbehörde von Tripoli verlautet, kamen in jüngster Zeit drei Schiffe
mit Waffenlieferungen libyscher Islamisten an.
Waffen von Islamisten aus Libyen
Ein viertes
hatten die libanesischen Behörden im April dieses Jahres aufgebracht: In
drei Containern an Bord der aus Libyen kommenden "Letfallah II" fanden
sie Panzerabwehraketen, Maschinengewehre und Munition.
Saad Hariri
kommt in Person zweier einflussreicher Mitglieder seiner Partei
Zukunftsbewegung ins Spiel, Khaled Daher und Muin Morabi. Die beiden
Abgeordneten sollen vom Libanon aus militante, syrische
Oppositionsgruppen bewaffnen.
"Mit Geldern
aus Saudi-Arabien", versichert ein Journalist einer bekannten
libanesischen Tageszeitung, der anonym bleiben will. Der Reporter machte
an der Grenze Videoaufnahmen von 40 Sam-7 Luftabwehrraketen, die Teil
einer umfangreichen Lieferung waren.
Hariri will wieder an die Macht im Libanon
Das Engagement
der beiden Abgeordneten der Zukunftsbewegung ist ohne das Wissen von
Parteichef Saad Hariri nicht denkbar. Wie schon sein Vater, der sein
Vermögen in Saudi-Arabien machte, hat auch der Sohn gute Beziehungen ins
heilige Land des Islams.
Saad wurde in
Saudi-Arabien geboren und verwaltete bis zum Tod seines Vaters 2005 dort
das Familienvermögen. Der Sturz des syrischen Regimes ist für Hariri
und seine Partei der Schlüssel ihrer Politik: Eine historische Wende,
die die Zukunftsbewegung in die Regierung und Hariri wieder ins Amt des
Premierministers bringt.
Mit dem Ende
Assads, so glaubt man, sei auch das Schicksal seines Verbündeten, der
Hisbollah, besiegelt. Die schiitische Partei und Miliz ist der große,
politische Gegenspieler der Zukunftsbewegung.
Den Haag macht die Hisbollah verantwortlich
Mit der
Hisbollah verbindet Hariri zudem ein ganz persönlicher Aspekt: Der
Internationale Strafgerichtshof in Den Haag stellte Haftbefehle gegen
Mitglieder der Organisation aus, die am Attentat auf seinen Vater
beteiligt gewesen sein sollen.
Ein anderer
Akteur aus dem engeren Umfeld Saad Hariris ist Okab Sakr. Er ist
ebenfalls Abgeordneter der Zukunftsbewegung. Ein Kommandeur einer 4000
Mann starken syrischen Rebellentruppe behauptet, er habe Aufnahmen von
Telefongesprächen mit Sakr.
"Wir können
euch alles beschaffen, was ihr wollt. Waffen und Geld", soll er
angeboten haben. Abu Abdelrahman, der Kommandeur, lehnte dankend ab. Er
ist selbst ein wohlhabender Mann, kann seine Truppe aus eigenen Mitteln
finanzieren und will auf niemandes Rechnung arbeiten.
Das Geld kommt aus Saudi-Arabien
Der Hariri-Mann
Sakr ist mittlerweile nicht mehr im Libanon, offiziell residiert er in
Belgien. Nach Auskunft der Zukunftspartei macht er eine "Pause". Über
sein Handy war Sakr zu einer Stellungnahme nicht erreichbar.
Der
libanesische Abgeordnete ist mittlerweile in der Türkei tätig. "Er
managt das gesamte Geld der Saudis", sagt Scheich Mahmud Elsour in einem
Hotel im türkischen Antakya, nur 20 Kilometer von der syrischen Grenze
entfernt.
Der Mann weiß,
wovon er spricht: Er führt im Namen der Freien Syrischen Armee
Verhandlungen mit dem Syrischen Nationalrat in Istanbul und mit
ausländischen Regierungsvertretern über ihr Vorgehen in Syrien.
Türkei stellt angeblich Geleitschutz
Sakr pendelt
zwischen Istanbul und dem Grenzgebiet hin und her. In der türkischen
Hauptstadt werden Planung und Organisation durchgeführt. Sakr soll
Vertreter unter den Rebellen in allen 14 syrischen Provinzen haben. Die
Waffen werden vom türkischen Geheimdienst und Militär transportiert.
Augenzeugen
beobachteten offiziellen Geleitschutz für Waffenlieferungen an der
Grenze. Der libanesische Politiker Sakr ist dann meist mit dabei. Erst
im August soll er die Übergabe von mehreren Zehntausend Kalaschnikows
und Dutzenden von Panzerabwehrraketen überwacht haben.
Die
Waffenlieferungen Sakrs gehen nur an ausgewählte Rebelleneinheiten.
Nicht jeder kommt in den Genuss der Unterstützung aus Saudi-Arabien.
"Wir bekommen von diesen Geldern nichts", sagt Mohammed Hamoudi, der
zwei Rebellenbataillone in der Region von Latakia anführt.
Hilfe bekommen nur die Islamisten
Mit "wir" meint
der Kommandeur die Freie Syrische Armee unter dem Oberbefehl von
General Mustafa Scheich. "Wir kämpfen für einen demokratischen,
säkularen Staat", erklärt Hamoudi. "Aber dafür gibt man uns keinen Cent.
Die Saudis unterstützen nur Islamisten."
Die
Muslimbruderschaft sei aber nicht darunter. "Die wird von Katar
unterstützt", behauptet der Kommandeur. Neben Saudi-Arabien und Katar
soll auch Kuwait, ein weiterer Golfstaat, in Syrien mitmischen.
Das Emirat gilt
als Finanzpate von Ahrar al-Scham, die "Brigade des freien Levante".
Sie operiert in den syrischen Städten Idlib und Aleppo. Die Brigade
bezeichnet sich "von keiner Partei oder Organisation abhängig", spricht
aber vom Heiligen Krieg und will "eine rechtschaffene und gerechte
Herrschaft des Islams" etablieren.
Leid der Kinder wird in Kauf genommen
Ahrar al-Scham
ist im Internet mit eigener Facebook-Seite und mit Twitter-Konto
präsent. "Publicity ist entscheidend", sagt ein Medienoffizier der
Rebellen, der seinen Namen allerdings nicht nennen möchte. "Je mehr
Videos von Angriffen und Bombenanschlägen im Netz stehen, desto mehr
Geld wird gespendet."
Jeder Sponsor
scheint sich seine bevorzugten Rebellengruppen auszusuchen. Frieden oder
ein schnelles Ende des mittlerweile 19 Monate dauernden Bürgerkriegs
erreicht man damit nicht.
Im Gegenteil:
Das Chaos sowie das Leiden und Sterben der Zivilbevölkerung wachsen.
Aber das scheinen die Geldgeber und Männer wie Okab Sakr einem höheren
Ziel unterzuordnen: Assad und sein Regime müssen fallen. Koste es, was
es wolle."
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen