Saudi-Arabien: Gefangene als Zwangs-Dschihadisten in Syrien
Ein Geheimdokument aus Saudi-Arabien belegt, dass die saudische
Regierung ihre gefährlichsten inhaftierten Verbrecher, speziell zum Tode
verurteilte, unter der Bedingung freispricht, dass sie beim
Umsturzversuch in Syrien mitwirken. Dieses Vorgehen stellt ein schweres
Kriegsverbrechen dar. Unlängst wurde der Press-TV- und
Al-Alam-Journalist Maya Naser in Damaskus ermordet, nachdem er damit
begonnen hatte, ein analoges, von türkischen Behörden begangenes
Verbrechen zu untersuchen.
Das Geheimdokument zeigt, dass die Behörden in
Saudi-Arabien die Entlassung einer Reihe der gefährlichsten, zum Tode
verurteilten Kriminellen angeordnet haben, welche im Austausch dafür in
Syrien kämpfen mussten. Bevor sie nach Syrien verbracht wurden, hatten
sie sich einem Training in unkonventioneller Kriegführung,
terroristischer Aktivität und dem, was man euphemistisch als “Dschihad”
bezeichnet, zu unterziehen. Die Gruppe der Verurteilten besteht aus 105
Jemeniten, 21 Palästinensern, 212 Saudis, 96 Sudanesen, 254 Syrern, 82
Jordaniern, 68 Somalis, 32 Afghanen, 194 Ägyptern, 203 Pakistanis, 23
Irakis und 44 Kuwaitis. Es ist anzunehmen, dass diese Gruppe nicht die
einzige solche ist, welche von Saudi-Arabien aus nach Syrien geschickt
wurde.
Die Entlassung von zum Tode Verurteilten durch Saudi-Arabien ist ein
eklatanter Verstoß gegen die Genfer Konvention, die unter anderem die
Rechte von gefangen genommenen Zivilsten und Armeeangehörigen in
Kriegszeiten regelt. Ihre Verbringung nach Syrien stellt schätzungsweise
eine Nötigung von Gefangenen dar und könnte dazu führen, dass die
saudische Regierung sich vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den
Haag dazu verantworten müssen wird.
Nach dem Trainingsleitfaden TC 18-01 der US Special Forces wird das
US-Militär sich in absehbarer Zeit vorwiegend in “irregulärer
Kriegführung” engagieren (1). Nach den auf dem 25. NATO-Gipfel
angenommenen Grundsätzen, in denen der illegale Krieg gegen Libyen als
“lehrreich” und “Modell für künftige militärische Interventionen”
beschrieben wird, festigt sich diese Tendenz noch weiter (2). Damit kann
es nicht überraschen, dass Saudi-Arabien nicht das einzige Land der
Anti-Syrien-Koalition ist, das verurteilte Kriminelle in den Kampf
schickt. Im September 2012 wurde der Press-TV- und Al-Alam-Journalist
Maya Naser in Damaskus von einem Scharfschützen ermordet, als er gerade
vom Ort eines doppelten Terroranschlags berichtete. Vertrauenswürdigen
Quellen zufolge haben sich die Scharfschützen zwei Stunden vor dem
Anschlag in Stellung gebracht. Es ist sehr wahrscheinlich, dass das
Abzielen auf Maya Naser und der Anschlag nicht nur zufällig
zusammengefallen sind. In der Woche vor seiner Ermordung untersuchte
Maya Naser die gewaltsame “Verwendung” von Gefangenen durch die Türkei.
Naser begann seine Untersuchungen, nachdem bekannt wurde, dass viele von
den in Syrien erschossenen oder gefangen genommenen Aufständischen
verurteilte Verbrecher waren, die - ihren Gerichtsurteilen zufolge -
sich eigentlich in türkischen Gefängnissen befinden müssten (3). Naser
besaß entsprechende Ausweiskopien, welche seine Behauptung stützten.
Einige der erschossenen oder gefangenen türkischen Kriminellen hatten
Verbindungen zu Organisationen, die Al-Kaida nahestehen. Ein
herausragender unter diesen kriminellen Aufständischen war der Bruder
des Anführers der Tätergruppe, welche 2003 einen Anschlag auf die
HSBC-Bank in Istanbul verübt hatte. Bei diesem Anschlag von 2003 wurden
67 Menschen getötet und mehr als 700 verletzt. Das Dokument aus
Saudi-Arabien nun zeigt, dass der Einsatz von Gefangenen durch
Saudi-Arabien und die Türkei Teil der GCC-NATO-Strategie ist, anstatt
nur ein Einzelfall zu sein.
Die durch Maya Naser gesammelten Beweise sowie das jetzige Dokument aus
Saudi-Arabien rechtfertigen eine Untersuchung und eine Anklage der
Türkei und Saudi-Arabiens sowie auch der NATO vor dem Internationalen
Strafgerichtshof.
Ob auch nur eines dieser Kriegsverbrechen tatsächlich untersucht wird
und zur Anklage kommt, ist mehr als fraglich. Einerseits scheint es
unwahrscheinlich, dass eines der westlichen Länder eine Untersuchung
oder eine Anklage fordern wird. Andererseits lassen sich sowohl Russland
als auch China höchstwahrscheinlich von den ohnehin schon angespannten
bilateralen und multilateralen Beziehungen mit den USA, Großbritannien
und Frankreich leiten. Der Iran, der derzeit den Vorsitz unter den
blockfreien Staaten innehat, befindet sich unter anhaltendem Druck von
Seiten der USA, Kanadas, der EU und seiner arabischen Nachbarn in der
Golfregion. Die Regierung in Teheran wird es sich zweimal überlegen,
bevor sie das Risiko einer weiteren Verschlechterung der diplomatischen
Beziehungen zum Westen eingeht.
Mit anderen Worten wird der eklatante Verstoß der Türkei, Saudi-Arabiens
und der NATO gegen die Genfer Konvention, ihr zwangsweiser Einsatz von
Häftlingen und somit ihr staatlich geförderter Terrorismus kaum vor das
Haager Tribunal kommen, das - ganz im Gegensatz zu diesem Ansinnen -
noch bis zehn Jahre nach dem Römischen Statut
ausschliesslich Staatsoberhäupter und Funktionäre angeklagt, inhaftiert
und verurteilt hat, die es gewagt haben, sich der Hegemonie der USA,
der EU und der NATO zu widersetzen.
Falls dieses Dokument es jemals in die westlichen Mainstream-Medien
schaffen sollte - was man zurecht bezweifeln kann -, könnte es auch
einen nur halbherzigen Skandal provozieren, indem es dazu genutzt wird,
die eine oder andere Partei zum Sündenbock zu machen, um damit die
Verbrechen der jeweils anderen Partei zu kaschieren. Es wird damit wohl
schwerlich zu einer Untersuchung, einer Anklage oder einem Einhalten des
staatlich gestützten Terrorismus und des gewaltsamen Einsatzes von
Häftlingen führen.
Christof Lehmann
10.12.2012
1) TC 18-01 Special Forces Unconventional Warfare (online auf NSNBC)
2) NATO`s
25th Summit in Chicago in Preparation of Global Full Spectrum
Dominance, Interventionism, Possible Preparations for A Regional War
Directed against Russia and China, and Developments in Global Security. Christof Lehmann; 20 May 2012.
3) Killing of Journalist Maya Naser in Damascus possibly tied to his investigation into Turkey War Crimes. Christof Lehmann; 27 September 2012."
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