ZAVTRA: Marat Masitowitsch, Sie sind der Leiter einer Gruppe von
Journalisten der Nachrichtenagentur ANNA-News, und sind vor ein paar
Tagen von der Frontlinie zurückgekehrt, wo sie syrischen Streitkräfte
gegen die Rebellenbanden kämpfen. Wie ist derzeit die Lage in Syrien?
Was passiert in Damaskus?
Daraja - Front nahe der Hauptstadt
Marat Musin: Wir sind in Daraja, einem Vorort von Damaskus,
gewesen, wo eine größere Gruppe Rebellen umstellt ist; wir sind bis in
Sichtweite ihres Haupt-Kommandozentrums vorgedrungen. In manchen
Augenblicken befand sich der Gegner kaum zwei Meter von uns weg, hinter
einer Wand... und wir warteten auf den Angriff.
Unter den Rebellenbanden gibt es sehr viele Ausländer. Auf jeden Fall
habe ich dutzende ihrer verbrannten Leichen dokumentiert. Die Leichen
der Ausländer werden verbrannt, damit man sie nicht identifizieren kann.
Syrer werden hingegen beerdigt.
Angeworben werden in diese Banden Syrer aus den kaum gebildeten
Schichten und Arbeitslose - gegen ein paar Groschen und Drogen. An den
Frontlinien finden wir andauernd Spritzen, Ampullen und Tabletten - sie
liegen direkt auf den Straßen herum.
Auf einem Schützenpanzerwagen kamen wir unter der Deckung von zwei
Panzern zu einem eingenommenen Kommandopunkt der Rebellen heran - es
handelte sich dabei um ein paar unterkellerte Gebäude, die mit
Schießscharten und Schützenpositionen ausgestattet waren. Um diese
Gebäude gab es 9 Tage lang heftige Kämpfe. Wir wurden auch beschossen,
in der Panzerung blieben die Spuren von 12,7-Millimeter-Geschossen
zurück. Hier, im Bereich der Medresse von Daraja, wurde eine recht große
Einheit Salafiten vernichtet. Bei der Erstürmung sind 4 Soldaten und
ein Leutnant unter schwerem Gegenfeuer in das Erdgeschoss des Gebäudes
eingedrungen und haben dieses Stockwerk gesichert. Daraufhin haben acht
Soldaten unter dem Kommando eines Oberst das zweite Stockwerk
eingenommen. Die Rebellen zogen sich in die Kellergewölbe zurück und
saßen still, ohne zu schießen. Als die Hauptmacht der Armee ins Gebäude
einzog, schossen sie den Soldaten durch Ritzen und Löcher in die Beine.
Acht von denen, die zu Boden gingen, wurden durch Kopfschüsse getötet.
Nach dieser Episode wurden verständlicherweise keine Gefangenen mehr
gemacht. Die Leute waren wirklich in Rage. Man hat später über 90
Leichen aus diesem Kellergewölbe geborgen. Der Kommandeur dieser
Salafitenbrigade war ein Saudi, er und sein Sohn sind dort erschossen
worden.
Später kamen wir an Stellungen, von denen aus die Erstürmung eines
befestigten Viertels der Banditen beginnen sollte. Wir haben gehört, wie
sich die Offiziere mit den Rebellen im Nachbarhaus in Wortwechsel
einließen; die Banditen lehnten es ab, sich zu ergeben, und antworteten
mit Schimpftiraden. Die Soldaten verloren also die Lust am Verhandeln,
eine Sturmgruppe ging los und vernichtete sie.
Auf derlei Einsätze gehen bei den Syrern nur Freiwillige - das habe ich mit eigenen Augen gesehen.
ZAVTRA: Die syrisch Armee führt unentwegt Kämpfe in Ortschaften,
erstürmt die Positionen der Terroristen und unternimmt
Anti-Terror-Einsätze. Wie ist Ihre Meinung zu den Fähigkeiten der
Soldaten, was deren Einsätze und die persönlichen Qualitäten anbelangt?
Motivation & Moral
M.M.: Die syrischen Soldaten und Offiziere legen Beharrlichkeit
und Heldenmut an den Tag. Mitunter grenzt ihre Aufopferung an
Leichtsinn. Doch diese Eigenschaft zeugt ohne viele Worte von ihrer
Furchtlosigkeit und der Bereitschaft, sich für ihr Vaterland zu opfern.
Als wir unterwegs durch eine gefährliche Gegend waren, wurden wir von
einfachen Soldaten, die nicht einmal Schutzwesten trugen, rechts und
links abgeschirmt. Unser Begleiter hat uns dann und wann einfach
gewarnt: “Vorsicht, hier ist es gefährlich!” und uns durch seinen
eigenen Leib abgeschirmt. In Daraja gerieten wir unter
Scharfschützenfeuer. Wir mussten über eine Straße sprinten, die
durchschossen wurde. Beinahe wäre unser Kameramann erschossen worden.
Der Scharfschütze tat einen Fehlschuss. Als ich auf dieser Strecke
stolperte und fiel, kamen sogleich zwei Soldaten heran, um mich aus
dieser Lage zu retten. Beide waren auf offener Straße in der Schußlinie.
Dabei kenne ich nicht einmal die Namen dieser Soldaten.
Und solche Fälle gibt es viele. Unter den einfachen Soldaten gibt es
wirklich Helden. Wir kamen einmal unter Sperrfeuer. Unser Begleiter, ein
junger Mann von vielleicht 20 Jahren, wurde von einer Kugel kurz
unterhalb des Herzens getroffen. Die Wunde war schrecklich, alles war
zerrissen. Er überlebte, verbrachte drei Monate auf der Intensivstation
und kam später in seine Einheit zurück, mit Kalaschnikow und Pistole. Er
hat sich eben entschieden.
ZAVTRA: Woher haben die Rebellen in Syrien denn so viel Waffen?
M.M.: Waffen haben sie genug. Scharfschützengewehre,
Panzerabwehrwaffen, Maschinengewehre - alles ist da. Es gab viel alten
Plunder, denn z.B. aus Libyen kamen frachterweise Waffen, darunter auch
aus US-amerikanischer und israelischer Produktion. Weiterhin ist der
Kanal aus der Türkei offen. Wir haben selbst gesehen, wie die Syrer
Lufteinsätze flogen, und die Rebellen beharkten sie mit
Boden-Luft-Raketen.
Die syrische Aufklärung hat Informationen darüber, dass in den
Flüchtlingslagern in der Türkei britische und amerikanische Instrukteure
Al-Kaida-Leute ausgebildet haben, welche denn auch mit den MANPADS
ausgerüstet wurden. Die Rebellenbanden benutzen auch Flammenwerfer, eine
Waffenart, die ich bei den Syrern nicht gesehen habe. Sie besitzen auch
hochpräzise, weitreichende Scharfschützengewehre und Computersysteme
zur Steuerung derselben, Panzervernichtungswaffen... Die Syrer benutzen
hingegen unsere Panzer, T-72 mit dynamischer Panzerung. Sie kämpfen und
besiegen diese aufgepeppte internationale Militärmaschinerie.
ZAVTRA: Trifft es zu, dass es unter den Rebellenbanden eine große Zahl an Ausländern gibt?
Freiheit für Palästina = Terror gegen Syrien?
M.M.: Das trifft zu. Dabei denken viele von denen sogar, dass
sie.. auf dem Territorium Israels für die Freiheit Palästinas kämpfen!
Da gibt es beispielsweise Afghanen, die gar nicht wissen, was Syrien
überhaupt ist. Ich habe unzählige solcher Leichen gefilmt, die sie nicht
zu verbrennen geschafft haben. Saudis und Pakistanis kann man zum
Beispiel oft an den mit Henna gefärbten Bärten erkennen. Wir finden auch
unentwegt Geld in ausländischen Währungen, aus Libyen, dem Sudan, der
Türkei.
Die geheuerten Söldner sind vor allem Islamisten aus Problemgebieten.
Das Anwerben kostet nicht viel: für 400-500 US-Dollar gehen sie in den
Tod. Schuhada
werden gekauft. Väter verkaufen einfach ihre Söhne, damit diese sich
irgendwo in Syrien in die Luft sprengen. Aktiv sind auch und vor allem
irakische Zellen der Al-Kaida. Ich habe insgesamt 12 Mann interviewt,
die Kommandeure verschiedenen Ranges in der sogenannten Al-Nusra-Front
waren. Vor ungefähr einem Monat hat das US-State Department diese
Struktur auf die Liste der terroristischen Organisationen gesetzt. Das
ist wie der Klassiker: “Ich habe dich geboren, ich werde dich auch
töten.” (Anspielung auf Nikolaj Gogols “Taras Bulba” - apxwn.)
ZAVTRA: Was denken Sie, wird der Zustrom von Söldnern nach Syrien
noch zunehmen, oder ist die Spitze bereits hinter uns und die Zahl
dieser Gruppierungen wird sinken?
Hintergründe: Strategiewechsel der US-Nahost-Politik
M.M.: Wenn man in Betracht zieht, dass die USA ein Fiasko ihrer
Nahost-Politik eingestanden haben, so kann man annehmen, dass sie von
ihrer Doktrin, Krieg mit den Händen salafitischer Kommandos zu führen,
Abstand nehmen. Dieser Prozess nahm nach dem Mord am US-Botschafter in
Libyen am 11. September 2012 seinen Anfang. Gerade dieser Botschafter
war es ja, der die Al-Kaida gewissermaßen betreut hatte. Wir sind
inzwischen sehr sicher, dass die USA den Abbau der Trainingslager von
Terroristen durchgewunken haben.
Die Ablösung von David Petraeus, welcher der Urheber des militärischen
Konzepts ist, das auf den “salafitischen Komintern” setzt, zeugt davon,
dass die Kriegspartei der NATO abgelöst worden ist. Mit dem Amtsantritt
des neuen US-Verteidigungsministers, der dem Iran gegenüber etwas
freundlicher gesinnt ist, wird klar - Washington zieht seine Schlüsse
aus den Fehlern, und auch dort treten etwas vernünftigere Leute auf die
Bühne. Syrien nun ist zu einer Deponie geworden, wo die Rester des
aufgegebenen salafitischen Projekts entsorgt werden.
ZAVTRA: Fachleute führen an, dass, nachdem man Syrien zwei Jahre
lang mit Krieg gebeutelt hat, inzwischen die geopolitischen und
wirtschaftlichen Interessen der USA und ihrer Verbündeten in den
Vordergund rücken. Worin macht sich das bemerkbar?
M.M.: Offensichtlich wird man sich jetzt mit dem Iran darüber
einigen, die Erdgasleitung Iran - Irak - Syrien zu verlegen. Katar
bleibt im Fokus der strategischen Interessen der Vereinigten Staaten:
das ist nichts anderes als Exxon-Mobile. Unsere Analytiker sagen, dass
das Tandem USA-Katar Ägypten quasi aufgekauft hat. Vor einem Monat gaben
sie den Ägyptern einen Kredit über 5 Milliarden US-Dollar, von denen
eine Milliarde geschenkt war. Weitere 23 Milliarden werden in eine
Erweiterung des Suezkanals investiert sowie in ein
Erdgasverflüssigungsterminal an der Küste. Die Amerikaner haben ihren
Präsidenten in Ägypten eingesetzt, indem sie das von ihnen kontrollierte
Projekt “Moslembrüder” aktiviert haben. Wenn Mursi sich seinerzeit in
den Vereinigten Staaten mit Raketentechnik befasst hat, so ist es nur
normal, ihn mit den Geheimdiensten dieses Landes in Verbindung zu
wähnen. (...) All das läuft im Rahmen der Strategie, das Erdgas aus dem
Norden - aus Russland - durch das Erdgas aus dem Süden zu ersetzen,
welches von den US-Verbündeten oder zu ihnen neutralen Staaten stammt.
Das ist nichts weiter als ein Schlag gegen Gazprom, ein Preiskrieg und
eine Überführung unserer potentieller Verbündeter ins Lager unserer
potentiellen Konkurrenten und Feinde. Das Ziel besteht darin, Iran von
China zu entfremden und ihn mit Gazprom kollidieren zu lassen - also mit
Russland. Dass sieht man recht gut am Vorgehen Katars und den
Neubesetzungen im US State Department.
Was Syrien in dieser Situation zu tun hätte, ist soweit klar. In diesem
Jahr wird der Krieg vorübergehen. Die Versuche, Baschar al-Assad zu
liquidieren, werden noch um die 6-9 Monate anhalten. Katar hat Israel
seinerzeit zwei Jahre kostenlose Erdgaslieferungen angeboten, wollte der
Mossad die gezielte Tötung Assads vornehmen. Der Mossad hat allem
Anschein nach diese Information durchsickern lassen. Bekannt ist jedoch
auch, dass private europäische Militärfirmen Gelder für die Liquidierung
syrischer Regierungsmitglieder empfangen haben (...).
ZAVTRA: Es gab die Meldung, dass die Familie Baschar al-Assads schon de facto an Bord eines russischen Militärschiffs ist...
M.M.: Unsinn. Erstens war ich Zeuge von Telefonaten meiner
Bekannten mit dem syrischen Präsidenten. Mitunter beschweren wir uns bei
ihm auch, dass unsere Arbeit behindert wird. In Syrien werden
Journalisten behütet, und wir filmen ja nun gerade an den Frontlinien.
Sicher, wir versuchen, keine Militärgeheimnisse mit preiszugeben.
Ich möchte noch einmal unterstreichen - der Druck wird noch maximal ein
halbes Jahr aufrechterhalten. Das sieht man übrigens auch an der Art der
Terroranschläge. Während man ehedem Bomben sprengte, um möglichst viele
Menschen unter der Zivilbevölkerung mit in den Tod zu reissen, so
attackiert man inzwischen gezielt Einrichtungen der Grundversorgung, um
die Bevölkerung zu provozieren und das alles auf Assad abzuwälzen.
Wir kamen beispielsweise nach Harasta - eine gesäuberte Ortschaft. Kurz
bevor wir ankamen, wurden drei Arbeiter einer Großbäckerei erschossen.
Harasta blieb eine Woche lang ohne Brot. Und wer trägt die Schuld? Die
Rebellen stellen auch Videokameras auf, und “plötzlich” geht an der
Stelle, an der sie filmt, eine Granate nieder und reißt 60 Menschen in
den Tod, die dort nach Brot anstanden. Solch ein Online-Terrorangriff!
Sie können dreimal raten - wessen Granate ist das, wenn die Rebellen
vorher wissen, wo sie zu filmen haben? Getönt hat es aber in der ganzen
Welt: “Baschar hat vom Flugzeug aus eine Schlange nach Brot anstehender
Menschen weggebombt.” Damit ist aber klar, dass die Probleme bei der
Versorgung mit Lebensmitteln, oder mit Heizöl zum Beheizen der Wohnungen
dazu da sind, die Menschen auf die Straße zu treiben. Die salafitischen
Brigaden sind an dieser Aufgabe gescheitert. DIe Banditen,
Vergewaltiger, die Junkies unter den Syrern, die Ausländer, die man dort
zu Hunderten hat ins Gras beißen lassen, haben ihren Auftrag nicht
erfüllt.
Wenn die amerikanische Militärdoktrin auf menschenfresserische
Strömungen setzt, auf solche, wie den “salafitischen Komintern”, so ist
das ein Weg in den Abgrund. Die Rebellen sagen: “Wir killen alle, die
keine Salafiten sind, die Frauen und Töchter werden wir vergewaltigen,
sie werden zu unseren Sklavinnen.” Sie sehen selbst, welche Wahl jeder
normale Mensch hat - entweder sich außer Landes begeben, oder zur Waffe
greifen und seine Stadt, seine Straße, sein Haus, seine Verwandten und
Freunde beschützen. Viele in Syrien haben ihre Entscheidung getroffen.
Natürlich gibt es auch eine gewisse Menge an Feiglingen, Verrätern,
welche der Meinung sind, dass sie die Sache aussitzen können. Das ist
eben wie überall.
Diese menschenfresserische Kriegskonzeption ist es aber auch, die in
Syrien zur Gegenreaktion geführt hat: die Menschen begannen zu kämpfen,
Syrien hat seinen Himmel mittels Luftabwehr dichtgemacht. Hätten wir
damals solche Systeme die Donau hinauf zu den Serben gebracht, bevor die
Aggression gegen Jugoslawien begann, so hätte die NATO-Luftwaffe dort
kein so leichtes Spiel gehabt. Syrien nun ist “dicht”, es sind moderne
Systeme der Luftabwehr in Stellung und Alarmbereitschaft. (...)
Dem syrischen Volk steht eine vollkommen andersartige Organisation,
andere Werte, ein leicht zu manipulierendes, agressives Medium
gegenüber. Bei den Rebellenbanden sind Fatwas im Umlauf, die es ihren
Mudschaheddin gestatten, unter den Bedingungen des “heiligen Krieges”
Menschen zu vergewaltigen... in Homs habe ich einen zweifach
vorbestraften Banditen befragt. Dieser Bandit, selbst ein Sunnit, hat
Sunniten vergewaltigt. Und sich rechtfertigt: “Ich habe sie doch nicht
getötet!”.
Wir kamen beispielsweise nach Harasta - eine gesäuberte Ortschaft. Kurz
bevor wir ankamen, wurden drei Arbeiter einer Großbäckerei erschossen.
Harasta blieb eine Woche lang ohne Brot. Und wer trägt die Schuld? Die
Rebellen stellen auch Videokameras auf, und “plötzlich” geht an der
Stelle, an der sie filmt, eine Granate nieder und reißt 60 Menschen in
den Tod, die dort nach Brot anstanden. Solch ein Online-Terrorangriff!
Sie können dreimal raten - wessen Granate ist das, wenn die Rebellen
vorher wissen, wo sie zu filmen haben? Getönt hat es aber in der ganzen
Welt: “Baschar hat vom Flugzeug aus eine Schlange nach Brot anstehender
Menschen weggebombt.” Damit ist aber klar, dass die Probleme bei der
Versorgung mit Lebensmitteln, oder mit Heizöl zum Beheizen der Wohnungen
dazu da sind, die Menschen auf die Straße zu treiben. Die salafitischen
Brigaden sind an dieser Aufgabe gescheitert. DIe Banditen,
Vergewaltiger, die Junkies unter den Syrern, die Ausländer, die man dort
zu Hunderten hat ins Gras beißen lassen, haben ihren Auftrag nicht
erfüllt.
Wenn die amerikanische Militärdoktrin auf menschenfresserische
Strömungen setzt, auf solche, wie den “salafitischen Komintern”, so ist
das ein Weg in den Abgrund. Die Rebellen sagen: “Wir killen alle, die
keine Salafiten sind, die Frauen und Töchter werden wir vergewaltigen,
sie werden zu unseren Sklavinnen.” Sie sehen selbst, welche Wahl jeder
normale Mensch hat - entweder sich außer Landes begeben, oder zur Waffe
greifen und seine Stadt, seine Straße, sein Haus, seine Verwandten und
Freunde beschützen. Viele in Syrien haben ihre Entscheidung getroffen.
Natürlich gibt es auch eine gewisse Menge an Feiglingen, Verrätern,
welche der Meinung sind, dass sie die Sache aussitzen können. Das ist
eben wie überall.
Diese menschenfresserische Kriegskonzeption ist es aber auch, die in
Syrien zur Gegenreaktion geführt hat: die Menschen begannen zu kämpfen,
Syrien hat seinen Himmel mittels Luftabwehr dichtgemacht. Hätten wir
damals solche Systeme die Donau hinauf zu den Serben gebracht, bevor die
Aggression gegen Jugoslawien begann, so hätte die NATO-Luftwaffe dort
kein so leichtes Spiel gehabt. Syrien nun ist “dicht”, es sind moderne
Systeme der Luftabwehr in Stellung und Alarmbereitschaft. (...)
Dem syrischen Volk steht eine vollkommen andersartige Organisation,
andere Werte, ein leicht zu manipulierendes, agressives Medium
gegenüber. Bei den Rebellenbanden sind Fatwas im Umlauf, die es ihren
Mudschaheddin gestatten, unter den Bedingungen des “heiligen Krieges”
Menschen zu vergewaltigen... in Homs habe ich einen zweifach
vorbestraften Banditen befragt. Dieser Bandit, selbst ein Sunnit, hat
Sunniten vergewaltigt. Und sich rechtfertigt: “Ich habe sie doch nicht
getötet!”.
In den christlichen und alawitischen Vierteln von Homs sind von den dort
lebenden ca. 20.000 Frauen um die 1.200 entführt, vergewaltigt und
umgebracht worden. Auf der “anderen Seite” wirkt ein krimineller Pöbel.
Die Technologien sind erprobt - Gelder aus dem Ausland, Blockade von
Straßen, Raub, Mord. In gewissen NATO-Dokumenten liest man zu dieser
Technologie auch im Klartext: solches Humanmaterial wird von
Instrukteuren gesteuert. Offen und pragmatisch wird da auf
hirnverbrannte Verbrecher gesetzt. Es ist wie in Libyen, als man solche
Leute en masse aus den Gefängnissen herausließ und sie dann in den Kampf
schickte.
ZAVTRA: Nicht nur die syrische Armee, sondern wohl auch die
gewinnen an Erfahrung, welche dieser entgegenstehen. Gibt es dadurch für
Russland ein erhöhtes Risiko, mit einer solchen Masse an Wahhabiten
zusammenzustossen, die auch noch im Nahen Osten ihre Erprobung
durchlaufen haben?
Wohin “nach Syrien”?
M.M.: Scheich al-Qaradawi, der die Terroristen schon damals während des zweiten Tschetschenienfeldzugs unterstützte, ruft sie ja jetzt bereits schon dazu auf, gegen Russland vorzugehen.
Und er ist es ja, der als eine der einflussreichsten
Führungspersönlichkeiten in wahhabitisch-salafitischen Kreisen gilt. Am
12. Oktober des vergangenen Jahres, als es um Fragen der Finanzierung
salafitischer Extremisten ging, hat er offen verkündet, dass der
Hauptfeind nicht die USA sind, sondern Russland.
Es wird Versuche geben, die Situation im Wolgagebiet, im Ural und im
Nordkaukasus zu destabilisieren. Allerdings geht derzeit die von US
State Department wohlwollend unterstützte Finanzierung dieser Strömungen
zurück. Im Großen und Ganzen ist dieser strategische Plan der
Angelsachsen gegen Russland gescheitert.
Meine Bekannten unter den Armeeangehörigen schätzen, dass man die
Salafiten noch im Verlauf von vielleicht zwei Jahren in Syrien
vernichten werden muss. Ich meine, der amerikanische politische Zyklus
ist recht kurz - sie werden sich vielleicht noch ein halbes Jahr lang in
Geduld üben, hernach wird verhandelt. Sie werden die für sie passenden
Entscheidungen, auch in Russland und im Iran, dann einfach kaufen,
sicherlich nicht, ohne vorher unsere Verhandlungsposition maximal
geschwächt zu haben, um es möglichst billig zu haben. Allerdings werden
die Saudis klammheimlich, wie es scheint, aufgegeben. Darin sind sich
die Experten eigentlich einig. (...)
ZAVTRA: Es scheint, als widmen wir dem Schlüsselland Türkei etwas zu wenig Aufmerksamkeit...
M.M.: Die Türkei wollte wohl zu einer Art Ukraine werden (aus russischer Perspektive ein Transitland für Ressourcen - apxwn).
Den Türken gefiel der Gedanke, dass, geht der Erdgastransport einmal
durch ihre Gebiete, sie profitieren und sich entspannt zurücklehnen
können; deshalb haben sie bei der ganzen Sache auch so aktiv mitgemacht.
Doch wie es sich herausstellte kann man Erdgas verflüssigen, und man
muss dabei eben nicht unbedingt eine Pipeline durch die ganze Türkei
ziehen. Insofern ist Erdogan eine politische Leiche, denn er hat die
Armeeführung ausgetauscht, die sich kategorisch gegen einen Krieg
ausgesprochen hat. Die Türken bekamen Probleme, als sie erfuhren, dass
man um ihrem Einflussbereich herum auch zivile Flugzeuge abzuschießen
gedenkt. Wir wissen aus sicherer Quelle, dass die NATO-Instrukteure die
Al-Kaida-Kämpfer darauf abrichten, auch solche Flugzeuge ins Zielfeuer
zu nehmen. Sicher ist Russland für sie Feind, aber die Türkei liegt nun
einmal viel näher, so dass sie sich erst einmal dort umtun werden. Käme
es zu einer Islamisierung in deren radikaler Auslegung, so bedeutete das
ein Auseinanderfallen der Türkei. Solche Prozesse gehen dann Richtung
Europa weiter - beispielsweise in Frankreich und Deutschland. Gegen die
Türken wirkt auch der kurdische Faktor. Warum sollten die Kurden sich
keine tragbaren Boden-Luft-Raketen beschaffen können?
ZAVTRA: Stehen die Kurden in der jetzigen Situation eher auf Seiten der syrischen Regierung?
M.M.: Nun, sie haben annähernd die Hälfte der syrischen Grenze
zur Türkei dicht gemacht. Es ist eine andere Sache, dass, hast du einmal
weitreichendere Autonomie gekostet, du sie nicht wieder hergeben
willst. Das ist natürlich ein zweischneidiges Schwert. Das wird es wohl
auch sein, warum man die Drusen nicht unter Waffen gestellt hat. Sie
hätten ja die Grenze nach Jordanien sichern können.
ZAVTRA: In der berühmten Januarrede hat Baschar al-Assad
ausgesagt, dass ein Krieg unter einer neuen Maske gegen Syrien geführt
wird. Was hat das zu bedeuten?
Terror-Technologien
M.M.: Gegen Syrien werden Technologien einer Manipulation der
Gesellschaft eingesetzt. Die Aufgabe der Rebellenbanden ist es, die
Bevölkerung auf ihre Seite zu bringen, entsprechende Bruchstellen zu
finden, damit auch andere Kreise - Beamte, Ärzte, Sozialarbeiter - die
Seiten wechseln. Die einen kauft man, die anderen bedroht man, irgendwo
schießt man mit Granaten auf eine Menschenmenge und sagt dann, “das war
Assad”. So funktioniert das. Im Großen und Ganzen ist es nicht so
wichtig, was passiert ist, sondern das, wie das gezeigt wird. Das ist
wohl das Merkmal der Rohstoffkriege des 21. Jahrhunderts, im Unterschied
zu den Kriegen des 20. Jahrhunderts. Wie sich allerdings herausgestellt
hat, kann man dieser gigantischen Medien- und Gehirnwäschemaschinerie
widerstehen.
ZAVTRA: Viele Syrer sind der verbreiteten Meinung in die Falle
gegangen, dass es sich hier um einen Konflikt zwischen der Regierung und
der Opposition handelt. Es sieht so aus, als seien auch viele Menschen
in Russland und in der ganzen Welt diesem Irrtum aufgesessen.
M.M.: Man muss immer zu verstehen suchen, wessen Interessen
hinter diesem oder jenem Prozess stehen, mit wessen Händen er
durchgeführt wird. Was ist das für ein Konflikt - ein künstlich
geschaffener oder ein objektiv vorhandener? Die USA haben den Syrern
verkünden lassen: “Jungs, wir werden euer Land umformatieren und es in
den Asphalt stampfen... alles das für euer kommendes Glück - ihr werdet
besser leben, für euer eigenes Geld, denn eure Bürokratie hat sich
einfach zu viel unter den Nagel gerissen. Die Konten frieren wir ein,
geben den Rebellen und Salafiten von der Al-Kaida die Möglichkeiten,
alles schnell zu bereinigen.” So wurde Libyen gekauft, zerlegt und
zerstört, dort, wo jetzt die Hungerleider klagen: “Wir dachten, dass wir
besser leben werden, es ist aber viel schlimmer, als unter Gaddafi!”.
Dort ist ja sogar schon die Selbstmordrate auf Grundlage dieser sozialen
Lage merklich angestiegen.
Was habt ihr denn gedacht? Man hat es euch doch klar gesagt: “Was tut
ihr? Ihr vernichtet euer eigenes Land im Interesse des
Rockefeller-Clans, der britischen und französischen Erdölhändler.” War
doch aber klar, Berlusconi hat alles offen gesagt..."
Quelle: zavtra.ru
Quelle: http://apxwn.blogspot.de/2013/02/chronik-eines-ressourcenkriegs.html
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen