Freitag, 19. April 2013

"In Syriens Opposition ist die Kritik an den Muslimbrüdern lauter als an der Kaida."



„Saudiarabien arbeitet daran, den Einfluss der Brüder zu stoppen. Der Vorsitzende der Nationalen Koalition der syrischen Opposition (NK), Muaz al-Khatib, schrieb letzte Woche auf seiner Facebook-Seite: «Kurz, die Ideologie von al-Kaida passt nicht zu uns, und die Aufständischen in Syrien müssen dazu klar Stellung beziehen.» Khatibs Kommentar zielte auf eine Erklärung des Führers von Jabhat an-Nusra, Abu Mohammed al-Jaulani, in der dieser dem Führer der zentralen Kaida, Aiman az-Zawahri, Treue und Gehorsam versprochen hatte. Die Verlautbarungen Khatibs und Jaulanis waren nur zwei in einer Serie von Positionsbezügen, die in den letzten zwei Wochen den Zwist innerhalb der Opposition und deren fatale Abhängigkeit von äusseren Kräften offenbarten.
Kaida oder Brüder?
Viel deutlicher als Jaulanis Bekenntnis zur Kaida wurde in der syrischen Opposition die Erklärung kritisiert, in welcher der irakische Kaida-Ableger die Vereinigung mit Jabhat an-Nusra bekanntgab. Zwei salafistische Gruppen wiesen das Communiqué der Iraker zurück, weil es Rechtfertigungen für die Repression des Regimes und für eine Intervention der Amerikaner liefere. Doch keine der aufständischen Gruppen und Parteien sagte sich von Jabhat an-Nusra los, ohne deren Kampfkraft und Organisationserfahrung der Kampf gegen das Asad-Regime wenig Siegesaussichten hat.
Im Unterschied zu ihrer rein taktischen Kritik an Jabhat an-Nusra hatte die Freie Syrische Armee (FSA) kurz zuvor ein wahres Pamphlet gegen die Muslimbrüder veröffentlicht. Die Muslimbrüder werden darin bezichtigt, die Opposition sowie deren militärische und humanitäre Aktivitäten zu monopolisieren und damit «den Sieg der Revolution zu verzögern». Ghassan Hitto, der von der NK zum Chef einer provisorischen Regierung gewählt wurde und als Kreatur der Brüder angesehen wird, werde niemals ein Kabinett bilden können, geloben die Unterzeichner der Erklärung.
Der schrille Ton lässt erkennen, dass Säkularisten und Nationalisten, die sich in der Erklärung Luft verschaffen, im Anti-Asad-Lager eine klare Minderheit darstellen. Wie ein westlicher Experte der Opposition kürzlich geschrieben hat, «existiert die FSA nicht». Mehr als von deren offiziellem Generalstab werden die Operationen der Dutzenden von Rebellengruppen von Absprachen ihrer Kommandanten auf dem Feld bestimmt. Kenner streiten sich über die Einordnung dieser Verbände in Kategorien wie «nationalistisch», «islamistisch», «salafistisch» oder «jihadistisch».
Unter all diesen Gruppen suchen sich ausländische Mitspieler, die in Syrien ihre Interessen durchsetzen wollen, passende Verbündete. Wie in der syrischen zeichnen sich aber auch in der internationalen Anti-Asad-Koalition Interessenkonflikte ab. Arabische Medien sahen die syrische Opposition bisher durch eine türkisch-katarische Allianz dominiert, welche die Muslimbrüder förderte und auf deren Machtübernahme in Damaskus hinarbeitete.
Schutz für Jordanien
Dieses Projekt ist jedoch wegen der Streitereien in der Opposition und wegen des militärischen Patts zwischen dem Regime und den Rebellen auf Grund gelaufen. Laut einem Artikel auf der englischen Webseite des im Besitz der saudischen Königsfamilie stehenden TV-Senders al-Arabiya verfolgt Riad nun einen «Plan B», wobei «B» für Prinz Bandar bin Sultan steht, den ehemaligen Botschafter in Washington und jetzigen Chef des saudischen Geheimdienstes. Die Waffenlieferungen an die Rebellen über Jordanien und deren Vormarsch im Süden Syriens sind laut dem Artikel Teil dieses Plans. Den saudischen Aktivismus erklären Beobachter mit der Furcht vor einer Machtübernahme der Muslimbrüder in Damaskus, die der Monarchie in Jordanien und der Macht anderer arabischer Herrscherfamilien gefährlich werden könnte. Mit dem saudischen Plan dürfte auch das Ausbildungsprogramm für 3000 syrische Rebellen zusammenhängen, das Amerika in Jordanien laut einem Bericht der «Washington Post» aufgezogen hat. Washingtons Ziel ist es offenbar, ein Gegengewicht zu Jabhat an-Nusra und anderen Jihadisten zu schaffen, um diese von der Macht in Damaskus sowie von der jordanischen und israelischen Grenze fernzuhalten.
Die Gefahr steigt, dass innere Streitigkeiten und äussere Intrigen den Krieg zwischen Regime und Opposition zu einem Kampf aller gegen alle ausarten lassen. Die Hoffnungen der syrischen Bevölkerung, endlich in Freiheit und Frieden zu leben, könnten dadurch auf viele Jahre hinaus unerfüllt bleiben.“ 

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