„Saudiarabien arbeitet daran,
den Einfluss der Brüder zu stoppen. Der Vorsitzende der Nationalen Koalition
der syrischen Opposition (NK), Muaz al-Khatib, schrieb letzte Woche auf seiner
Facebook-Seite: «Kurz, die Ideologie von al-Kaida passt nicht zu uns, und die
Aufständischen in Syrien müssen dazu klar Stellung beziehen.» Khatibs Kommentar
zielte auf eine Erklärung des Führers von Jabhat an-Nusra, Abu Mohammed
al-Jaulani, in der dieser dem Führer der zentralen Kaida, Aiman az-Zawahri,
Treue und Gehorsam versprochen hatte. Die Verlautbarungen Khatibs und Jaulanis
waren nur zwei in einer Serie von Positionsbezügen, die in den letzten zwei
Wochen den Zwist innerhalb der Opposition und deren fatale Abhängigkeit von äusseren
Kräften offenbarten.
Kaida oder Brüder?
Viel deutlicher als Jaulanis
Bekenntnis zur Kaida wurde in der syrischen Opposition die Erklärung
kritisiert, in welcher der irakische Kaida-Ableger die Vereinigung mit Jabhat
an-Nusra bekanntgab. Zwei salafistische Gruppen wiesen das Communiqué der
Iraker zurück, weil es Rechtfertigungen für die Repression des Regimes und für
eine Intervention der Amerikaner liefere. Doch keine der aufständischen Gruppen
und Parteien sagte sich von Jabhat an-Nusra los, ohne deren Kampfkraft und
Organisationserfahrung der Kampf gegen das Asad-Regime wenig Siegesaussichten
hat.
Im Unterschied zu ihrer rein
taktischen Kritik an Jabhat an-Nusra hatte die Freie Syrische Armee (FSA) kurz
zuvor ein wahres Pamphlet gegen die Muslimbrüder veröffentlicht. Die
Muslimbrüder werden darin bezichtigt, die Opposition sowie deren militärische
und humanitäre Aktivitäten zu monopolisieren und damit «den Sieg der Revolution
zu verzögern». Ghassan Hitto, der von der NK zum Chef einer provisorischen Regierung
gewählt wurde und als Kreatur der Brüder angesehen wird, werde niemals ein
Kabinett bilden können, geloben die Unterzeichner der Erklärung.
Der schrille Ton lässt
erkennen, dass Säkularisten und Nationalisten, die sich in der Erklärung Luft
verschaffen, im Anti-Asad-Lager eine klare Minderheit darstellen. Wie ein
westlicher Experte der Opposition kürzlich geschrieben hat, «existiert die FSA
nicht». Mehr als von deren offiziellem Generalstab werden die Operationen der
Dutzenden von Rebellengruppen von Absprachen ihrer Kommandanten auf dem Feld
bestimmt. Kenner streiten sich über die Einordnung dieser Verbände in
Kategorien wie «nationalistisch», «islamistisch», «salafistisch» oder
«jihadistisch».
Unter all diesen Gruppen
suchen sich ausländische Mitspieler, die in Syrien ihre Interessen durchsetzen
wollen, passende Verbündete. Wie in der syrischen zeichnen sich aber auch in
der internationalen Anti-Asad-Koalition Interessenkonflikte ab. Arabische
Medien sahen die syrische Opposition bisher durch eine türkisch-katarische
Allianz dominiert, welche die Muslimbrüder förderte und auf deren Machtübernahme
in Damaskus hinarbeitete.
Schutz für Jordanien
Dieses Projekt ist jedoch
wegen der Streitereien in der Opposition und wegen des militärischen Patts
zwischen dem Regime und den Rebellen auf Grund gelaufen. Laut einem Artikel auf
der englischen Webseite des im Besitz der saudischen Königsfamilie stehenden
TV-Senders al-Arabiya verfolgt Riad nun einen «Plan B», wobei «B» für Prinz
Bandar bin Sultan steht, den ehemaligen Botschafter in Washington und jetzigen
Chef des saudischen Geheimdienstes. Die Waffenlieferungen an die Rebellen über
Jordanien und deren Vormarsch im Süden Syriens sind laut dem Artikel Teil
dieses Plans. Den saudischen Aktivismus erklären Beobachter mit der Furcht vor
einer Machtübernahme der Muslimbrüder in Damaskus, die der Monarchie in
Jordanien und der Macht anderer arabischer Herrscherfamilien gefährlich werden
könnte. Mit dem saudischen Plan dürfte auch das Ausbildungsprogramm für 3000
syrische Rebellen zusammenhängen, das Amerika in Jordanien laut einem Bericht
der «Washington Post» aufgezogen hat. Washingtons Ziel ist es offenbar, ein
Gegengewicht zu Jabhat an-Nusra und anderen Jihadisten zu schaffen, um diese
von der Macht in Damaskus sowie von der jordanischen und israelischen Grenze
fernzuhalten.
Die Gefahr steigt, dass innere
Streitigkeiten und äussere Intrigen den Krieg zwischen Regime und Opposition zu
einem Kampf aller gegen alle ausarten lassen. Die Hoffnungen der syrischen
Bevölkerung, endlich in Freiheit und Frieden zu leben, könnten dadurch auf
viele Jahre hinaus unerfüllt bleiben.“
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