Donnerstag, 19. Dezember 2013

"Syrien: Wie die Jihadisten ihre Opfer foltern"

"Ein neuer Amnesty-Bericht schildert Gräueltaten durch den al-Qaida-Ableger Isis im Norden Syriens. Der Aufstieg der Terroristen veranlasst den Westen zu einem dramatischen Schwenk: Assad soll an der Macht bleiben.

„Sie brachten mich in einen Raum, der nach Diesel und Schweiß stank", erinnert sich der 25-jährige Syrer. „Dann begannen die Elektroschocks. Es dauerte 40 Minuten. Ich schrie die ganze Zeit. Später zogen sie mich an einem Seil in die Höhe. Meine Schulter hielt dem Druck nicht stand und wurde zerstört. Daraufhin schlugen sie mich mit einem Kabel."

Wo heute Gotteskrieger des al-Qaida-Ablegers Islamischer Staat im Irak und der Levante (Isis) foltern, wurden vor Ausbruch des Kriegs kleine Patienten geheilt: Die Folterszenen spielten sich im Masfha-al-Atfal-Kinderkrankenhaus in Aleppo ab. So schilderte es das 25-jährige Opfer Mitarbeitern von Amnesty International (AI.) Die Menschenrechtsorganisation hat mit insgesamt zehn vormaligen Isis-Gefangenen gesprochen, die es über die Grenze in die Türkei geschafft haben. Der AI-Abschlussbericht „Herrschaft der Angst" liegt der „Presse" vor. Er zeugt von bestialischen Gräueltaten durch Gefolgsleute der Terrororganisation Isis, die sich im Norden Syriens in rasantem Tempo ausbreitet. Immer mehr schwarze al-Qaida-Banner wehen in den Provinzen ar-Raqqa und Aleppo, wo die Jihadisten in verwaisten Regierungsgebäuden und eben auch einem Spital ihre Gefängnisse und Scharia-Gerichte eingerichtet haben sollen.

"Ich zählte 94 Peitschenhiebe"

Die Häftlinge sind oft noch keine 18 Jahre alt. Ein Jugendlicher wurde wegen angeblichen Diebstahls täglich mit 40 Peitschenhieben gefoltert. Als er dann auch noch gelogen haben soll, erhöhten seine Peiniger die Dosis. „Bei 94 Peitschenhieben habe ich aufgehört zu zählen", schildert ein Mithäftling in dem AI-Report.

Selbst ein achtjähriger Bub soll sich für wenige Stunden in den Fängen der Extremisten befunden haben. „Lehrt diesen Esel, wie man betet", habe einer der Wärter gesagt. Ein Vater musste den Schilderungen zufolge hilflos mitanhören, wie sein 13-jähriger Sohn im Nebenraum gefoltert wurde und vor Schmerzen schrie.

Die Familie kam frei, Khalil Ibrahim al-Shawakh nicht. Die Jihadisten fanden auf einer Speicherkarte alte Bilder von al-Shawakh und einer fremden Frau in Unterwäsche. Die Aufnahmen waren sein Todesurteil, der verheiratete Mann wurde wegen „Zina" (außerehelichen Geschlechtsverkehrs) exekutiert, berichten mehrere Mithäftlinge in dem AI-Report. Meist würden die Todesurteile mittwochs oder freitags vollstreckt.

Auffallend oft wird den Gefangenen vorgeworfen, auf der falschen Seite der Rebellion zu stehen - also etwa dem vom Westen anerkannten Syrischen Nationalrat anzugehören. Ein 21-jähriger Aktivist erinnert sich, dass ihn die Gotteskrieger der Kollaboration mit dem Regime bezichtigten. Seine Antwort, dass er doch sein Studium unterbrochen habe, um sich der Revolution anzuschließen, beeindruckte die Peiniger nicht. Im Gegenteil. „Das ist eine Revolution von Ungläubigen", sei ihm erklärt worden. „Wir sind hier, um einen islamischen Staat zu erschaffen."

Westen rückt von Rebellen ab

Längst tobt in Syrien ein Krieg im Krieg zwischen moderaten Rebellen und den Verfechtern eines Gottesstaates. Dass die besser ausgerüsteten Jihadisten die Oberhand gewinnen, nützt ausgerechnet Machthaber Bashar al-Assad. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, haben westliche Staaten in einer dramatischen Wende den moderaten Rebellen ausgerichtet, dass die für Jänner geplanten Friedensgespräche in Genf nicht zwangsläufig zu einer Entmachtung Assads führen müssen. Zu groß sei die Angst, dass die al-Qaida-Terroristen nach einem Sturz des Regimes in das Machtvakuum stoßen."

Quelle: http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/1509191/Syrien_Wie-die-Jihadisten-ihre-Opfer-foltern?_vl_backlink=/home/index.do

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