"Abu Zubair al-Adhri ist eines der aktuellsten Beispiele: Am Montag
dieser Woche teilten Kampfgefährten auf einer dschihadistischen
Internetseite mit, der junge Mann sei in der syrischen Stadt Idlib ums
Leben gekommen. Sie posteten sogar ein Foto seiner Leiche. Abu Zubair,
so ließen sie wissen, sei "einer der Löwen" der mit Al-Kaida verbündeten
Organisation Jabhat al-Nusra gewesen.
Seit Beginn des Bürgerkrieges vor über zwei Jahren und mittlerweile
beinahe täglich veröffentlichen islamistische Webseiten solche und
ähnliche Nachrichten über Kämpfer, die auf den Schlachtfeldern Syriens
ums Leben gekommen sind. Sie verherrlichen sie zumeist als "Märtyrer",
die Botschaft ihres Todes wird als "frohe Kunde" verkauft, ihr Beispiel
anderen zur Nachahmung empfohlen.
Diese Publikationen dienen also der Propaganda. Zugleich aber sind
sie wertvolle Informationsschnipsel, um einen Einblick in die
Zusammensetzung der militanten Gruppen
in Syrien zu gewinnen. Denn zum einen sind die veröffentlichten Daten
erstaunlich oft korrekt – das hatte sich zwischen 2003 und 2008 schon im
Irak gezeigt und ist im Falle Syriens ebenfalls vielfach bestätigt
worden. Und zum anderen lassen sich aus den digitalen Nachrufen Trends
herauslesen. Abu Zubair al-Adhri beispielsweise stammte aus
Aserbaidschan – er war also einer von schätzungsweise 2.000 bis 5.500
sogenannten Foreign Fighters, die den Bürgerkrieg in Syrien zu ihrem eigenen Anliegen gemacht haben.
Nicht alle dieser Foreign Fighters landen – wie Abu Zubair al-Adhri – bei den Kaida-Verbündeten von Jabhat al-Nusra. Viele Freiwillige haben sich auch der eher säkular geprägten Freien Syrischen Armee (FSA) oder verschiedenen teils rein lokal orientierten Gruppierungen angeschlossen.
Europäer stellen sieben bis elf Prozent der ausländischen Kämpfer
Nun gibt es erstmals eine Studie, die sich intensiv mit den aus Europa angereisten Foreign Fighters
in Syrien auseinandersetzt. Weil sie eine Vielzahl arabischer und
europäischer Pressemeldungen, darüber hinaus aber auch dschihadistische
Webseiten ausgewertet hat, ist es die erste Untersuchung, die über reine
Schätzwerte hinauskommt. Exakte Daten gibt es trotzdem nicht einmal
näherungsweise. Aber präzisere Eingrenzungen sind im Moment nirgends zu
haben.
Autor der Studie, die das International Centre for the Study of Radicalisation (ICSR) des Londoner King's College heute veröffentlicht, ist der US-Terrorexperte Aaron Zelin
vom Washington Institute for Near East Policy, der seit Jahren Daten
dieser Art sammelt und aufbereitet. Das wichtigste Ergebnis lautet:
Zwischen 140 und 600 Kämpfer aus europäischen Staaten sind in den
vergangenen 15 Monaten nach Syrien eingereist. Ihr Anteil an den Foreign Fighters liegt damit zwischen sieben und elf Prozent.
Was die Länder angeht, aus denen sie nach Syrien gekommen sind, gibt
es klare Schwerpunkte: Allein aus den Niederlanden könnten bis zu 105
Kämpfer stammen, aus Großbritannien zwischen 28 und 134; aus Belgien
zwischen 14 und 85; aus Frankreich zwischen 30 und 92. Die niedrigeren
Werte sind jeweils bestätigte Fälle oder konservative Schätzungen, die
höheren enthalten "generalisierte Aussagen sowie Schätzungen von
Regierungen und Medien". Bis zu 440 dieser Kämpfer könnten sich laut der
Studie derzeit noch in Syrien aufhalten. Die übrigen sind entweder
gestorben oder wieder ausgereist."
Quelle: http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-04/syrien-kaempfer-europa
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