"Unter welchen Bedingungen der Krieg in
Syrien in einem Monat zu Ende sein könne, hörte STIMME RUSSLANDS von
Thierry Meyssan, einem in Syrien lebenden Schriftsteller und
Journalisten, Regierungsmitglied Libyens aus der Zeit der letzten Tage
der Dschamahirija.
Im Westen wird dieser syrische Konflikt
furchtbar personifiziert. Frankreichs Außenminister sagt nicht mehr
"Präsident von Syrien" oder "Baschar al-Assad". Er nennt das Oberhaupt
des unabhängigen Landes einfach Baschar. Vielleicht sollten auch wir
dann nicht "François Hollande", sondern einfach "François" sagen?
Syriens Regierung wehrt sich aktiv gegen den Zustrom ausländischer
"Wahabs". Im Laufe von zwei Jahren haben sie es geschafft, ihre Zahl auf
Syriens Territorium auf 200.000 – 250.000 Personen zu bringen. Man
vergleiche die zahlenmäßige Stärke dieses Kontingents mit der
einheimischen Bevölkerungszahl. Heute machen sie rund ein Prozent aus,
was, beispielsweise an Frankreich gemessen, die Einreise von 650.000
ausländischen ausgebildeten und kampferprobten Soldaten bedeutet, deren
Ziel die Vernichtung des Landes ist! Niemand könnte dem standhalten.
Aber Syrien ist ein starker Staat, und es leistet weiter Widerstand. In
dieser Region gibt es sehr wenig starke Staaten. Daher auch die
Versuche, Syrien zu vernichten.
Ein unbedeutender Teil der syrischen Armee ist bei der
"Antiterror"-Operation eingesetzt. Alles in allem nicht über 25 Prozent
der Gesamtstärke der Streitkräfte. Drei viertel der Militärs bewachen
nach wie vor den äußeren Ring des Areals, versuchen also, die Grenze
gegen die Nato und gegen Israel zu halten. Wird der Zustrom
ausländischer Militärs und Waffen nach Syrien unterbrochen, so wird der
Krieg in einem Monat zu Ende sein. Wenn nicht, kann er noch
jahrezehntelang dauern.
Die Syrer haben nichts gegen ihre Regierung. Ich will nicht sagen,
dass die gesamte Bevölkerung ihre Führung liebe, Unzufriedene gibt es
schließlich in jedem Land. Jetzt aber sind sie, unabhängig davon, was
die Menschen über Baschar Assad denken, davon überzeugt, dass sie ihr
Land gegen eine ausländische Intervention schützen. Und Verräter hat es
schon immer in jedem Land der Welt gegeben.
Was die Armee betrifft, so setzt sie sich aus einheimischen jungen
Leuten zusammen, die für ihr Land kämpfen. Anfangs erzählte man uns von
Fällen einer massierten Fahnenflucht. Ich möchte jedoch noch einmal
betonen, dass diese Fälle nicht über fünf Prozent ausmachten. Die
genannten jungen Leute haben ihre Seite gewählt. Und gegenwärtig gibt es
keine Fahnenflucht mehr! Das Volk hat sich mobilisiert, um das eigene
Land zu verteidigen!
Vor der Einreise in Syrien lebte ich in Libyen, in den letzten fünf
Wochen des Bestehens der Dschamahirjia war ich Regierungsmitglied.
Deshalb bin ich mit dieser Frage natürlich gut bekannt. Libyen war ein
rein nomineller Staat. Das war der Wille von Muammar Gaddafi, den er in
seinem "Grünbuch" klar darlegte. Dieses Werk war vom Erbe der
französischen Sozialisten des 19. Jahrhunderts und anderen diversen
Denkrichtungen inspiriert. In Wirklichkeit ist eine solche nominelle
Regierung vielleicht für Friedenszeiten gut, aber für den Kampf gegen
den Imperialismus absolut nicht.
Außerdem verhandelte Gaddafi direkt während des Kriegs mit
verschiedenen Vertretern des Lagers der Aggressoren. Wir wussten gut,
dass er sich mit Vertretern der USA, Frankreichs und Israels traf.
Deshalb eben war Russland völlig außerstande, ihm zu helfen. Die
Russische Föderation legte den Grundstein zum Widerstand gegen Gewalt im
UN-Sicherheitsrat, vermochte es jedoch nicht, einem Verbündeten, der
kein Vertrauen erweckte, wesentliche Unterstützung zu erweisen. Was
unglücklicherweise den Untergang Libyens als Staat erklärt.
Muammar Gaddafi war ein großer Mann, der gegen den Kolonialismus
kämpfte, aber er betrieb eine verworrene Politik, die ihn denn auch zum
Verlust aller ernst zu nehmenden Bündnisse führte.
Wenn von Baschar Assad die Rede ist, so erkläre ich, dass wir es hier
mit einem Führer von einem absolut anderen Typ zu tun haben. Er ist
äußerst rational, zeichnet sich durch seine bemerkenswerte
Kaltblütigkeit aus und ist in seinen Handlungen sehr konsequent.
Vielleicht fehlt es ihm ein wenig an Intuition, doch in jedem Fall
besitzt er jene Eigenschaften, die sich für die gegebene Situation
bestens eignen. Das ist ein rechter Mann am rechten Ort! Er ist ein
demokratischer Revolutionsführer, was dem widerspricht, was von ihm
beharrlich erzählt wird. Hugo Chavez z. B. sagte, dass sein politisches
Ideal zwar Fidel bleibe, aber dem Typ des Verhaltens nach und als
Fortsetzer der Sache von Castro stehe ihm Baschar Assad am nächsten.
Er erbte eine Diktatur und gestaltete sie Schritt für Schritt binnen
eines ganzen Jahrzehnts um. Er gab den Menschen Bildung sowie Geldmittel
für den Übergang zu einem demokratischen Regierungssystem. Und
jedesmal, wenn er einen Schritt vorwärts tat, wurde er bedroht. Man
wollte ihn an der Umgestaltung seines Landes hindern. Aber trotz des
Krieges führt Baschar Assad nach wie vor Verfassungsreformen fort.
Demnach treibt der Westen eine Politik weiter, die sich in ihrem
Wesen vom "Drang nach Osten" aus der Zeit des Hitlerismus wenig
unterscheidet. Es ist interessant, zu sehen, was geschieht, wenn Baschar
Assad mit dem Krieg fertig wird. Mag er auch ein Diktator sein, wie
Stalin ein Diktator war, um aber das massierte Anrücken der entwickelten
Industrieländer zu stoppen, ist wahrscheinlich gerade ein solcher
charismatische Diktator, den die satten und zufriedenen Herren in
Washington und Paris verächtlich einen "Fanatiker" schimpfen, notwendig."
Quelle: http://www.extremnews.com/berichte/weltgeschehen/4f831455c028778
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