Dienstag, 18. Juni 2013

mit Giftgas ausgelöschtes syrisches Dorf war regierungstreu


Abschrift eines Interviews mit Professor Günter Meyer, Leiter des Zentrums für Forschung zur Arabischen Welt an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz:


"Der Wind hat gedreht. Immer mehr kommen die syrischen Rebellen in´s Visier. Ihnen wird vorgeworfen, dass SIE Giftgaswaffen eingesetzt hätten und nicht das Regime Assad. Professor Günter Meyer leitet an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz das Zentrum für Forschung zur Arabischen Welt. Er vertritt die These, dass die Rebellen und nicht die Regierung Assad Giftgas verwendet hat. Ich habe ihn gefragt: „Wie können Sie sich von Mainz aus dessen so sicher sein?“ „Es ist völliger Unsinn anzunehmen, dass die Regierungstruppen in der gegenwärtigen Situation Giftgas einsetzen. Das Regime ist auf dem Vormarsch. Sie haben eine überragende Feuerkraft mit konventionellen Waffen, mit ihrer Artillerie, mit ihrer Luftwaffe, mit ihren Kampfflugzeugen können sie die Aufständischen ganz gezielt bekämpfen. Das heißt, in dieser Situation kann man davon ausgehen, dass das Regime auf keinen Fall das Risiko eingehen wird, Giftgas einzusetzen, was eben auch durch eine Änderung der Windrichtung etwa in die falsche Richtung gelenkt werden könnte.“ „Das macht Sinn, wenn die Regierung rational handelt, wenn Assad ein rational handelnder Diktator ist.“ „Zu unterstellen, dass er irrational handelt, dafür gibt es nicht den geringsten Anlass. Er selber hat kürzlich in einem Interview erklärt: „Wir lassen uns doch nicht von unseren Gegnern über die rote Linie hinweg ziehen.“ Die rote Linie, die von Obama aufgestellt worden ist. Das heißt, es steht hier die klare Aussage: Wenn Giftgas gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt wird, dann wird das Konsequenzen haben von Seiten der USA, die damit den entscheidenden Grund hat,um militärisch in Syrien einzugreifen. Und daran haben nur die Gegner von Bashar al-Assad ein Interesse.“ „Könnte Assad nicht hoffen, dass er seine Unterstützer mobilisiert, falls die Amerikaner in Syrien intervenieren?“ „Hier müssen wir ganz klar auch die Perspektive der Obama-Regierung uns anschauen, denn die Obama-Regierung ist sich ganz klar darüber was passiert, wenn eine Flugverbotszone eingerichtet wird, wenn in großem Umfang Waffen an die Aufständischen geliefert werden und das Regime dann tatsächlich stürzt. Dann entsteht ein Machtvakuum. Und das wird gefüllt von den Aufständischen, insbesondere der al-Nusra-Front, den Jihadisten, den al-Qaida-Anhängern, die nur darauf warten, in dieses Machtvakuum hineinzustoßen und das heißt, die Furcht davor, dass genau die Jihadisten, die Islamisten, hier die Macht übernehmen, das ist das Hauptmotiv, weshalb Obama auf keinen Fall hier militärisch eingreifen will.“ „Aber warum ist dann selbst die unabhängige UNO-Kommission zu Syrien sehr skeptisch, nicht nur die Amerikaner?“ „Wir müssen uns die Aussage von Carla del Ponte anhören, das prominente Kommissions-Mitglied: Alle vorliegenden Indizien sprechen dafür, dass die Rebellen die Verantwortlichen sind für den Chemiewaffeneinsatz. Das wird auch noch ganz deutlich, wenn wir uns die konkrete Situation bei diesem Giftgaseinsatz anschauen, wo 27 Menschen getötet worden sind: Das ist ein Dorf, das auf Seiten des Regimes stand. Dass Regierungstruppen eine von ihnen selbst kontrollierte Siedlung mit chemischen Kampfstoffen angreifen, das widerspricht jeglicher Logik. Für diesen Angriff können nur die Aufständischen verantwortlich sein.“ „Woher haben die Rebellen denn das Giftgas Ihrer Meinung nach?“ „Der Guardian hat sehr detailiert recherchiert und er kommt zu dem Schluss, dass eine kleine, mit einer Giftgasgranate bestückte Rakete abgeschossen worden ist von dem Dorf Bab, das unmittelbar an der türkischen Grenze liegt. Dieser Ort ist die Hochburg der jihadistischen Nusra-Front, die sich al-Qaida angeschlossen hat. Immer wieder haben westliche Geheimdienste betont, dass die syrischen Chemiewaffenlager sicher sind, solange das Regime an der Macht bleibt. Es ist deshalb auszuschließen, dass die Chemiewaffen von hier ihren Weg zu den Rebellen gefunden haben. Viel naheliegender ist es dagegen, dass über die benachbarte offene Grenze von türkischem Gebiet her die Chemiewaffen in die Hände der al-Nusra-Front gelangt sind.“ „Das heißt also, Sie glauben, dass die Türkei die Rebellen mit Giftgas beliefert – und das, obwohl sie Verbündete sind der USA, die das überhaupt nicht wollen?“ „Der Verdacht liegt zumindest nahe und er wird auch dadurch bestärkt, dass Erdogan jetzt behauptet hat, dass der türkische Geheimdienst über die Reste von mindestens 200 Geschossen mit Giftgasspuren verfüge, die von dem Regime in Syrien eingesetzt worden sein sollen. Wenn tatsächlich 300 Geschosse mit Giftgas eingesetzt worden sind, das hätte hunderte, gar tausende Tote gegeben. Nichts, wie wir das hier bei diesem einen Angriff bisher gesehen haben. Also es deutet alles hin auf eine großangelegte Propagandaaktion, um den Druck jetzt bei den anstehenden Verhandlungen in Washington auf Obama zu erhöhen.“ „Nun gibt es ja eine unübersichtliche Vielfalt von Rebellen. Welche setzen denn das Giftgas ein?“ „Am besten organisiert sind natürlich die Mitglieder der al-Nusra-Front, unterstützt von – nach unterschiedlichen Schätzungen mindestens 600 - Jihadisten allein aus europäischen Ländern, zahlreichen al-Qaida-Leuten, die aus dem Irak eingesickert sind. Diese Gruppen sind hervorragend organisiert. Das sind die Leute, die ein gezieltes Interesse daran haben, die genau sehen: das Regime gewinnt wieder an Boden, wir dagegen verlieren. Das heißt, um das Blatt noch einmal zu wenden, ist es entscheidend, dieses Argument – Überschreiten der roten Linie – in die Diskussion hinein zu bringen. Und es ist ein Leichtes, solche chemischen Waffen sich da im Endeffekt zu beschaffen.“ „Professor Günter Meyer leitet an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz das Zentrum für Forschung zur Arabischen Welt.“  

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