Montag, 26. August 2013

"Baschar al-Assad im Interview für "Izvestia""

"Der Präsident der Syrischen Arabischen Republik spricht im Exklusivinterview mit “Izvestia” über die Gefahr einer Intervention durch die USA und den Westen, über seine Beziehungen zu Wladimir Putin und die Gemeinsamkeit der Schicksale von Russen und Syrern. 

Auf dem Höhepunkt der Krise trafen sich Aleksandr Potapow und Jurij Mazarskij in Damaskus mit dem Präsidenten des Landes, Baschar al-Assad. In einem Exklusivinterview für “Izvestia” erzählt er davon, wer es ist, der chemische Waffen einsetzt, er kommentiert die Statements der westlichen Politiker über deren Vorhaben, militärischen Druck auf Syrien auszuüben und bewertet die Hilfe, die das syrische Volk von Russland und dessen Präsidenten erfährt.

Herr Präsident, die brennendste Frage dieser Tage ist - wie ist die Lage in Syrien? Welche Territorien verbleiben unter der Kontrolle der Aufständischen?

Es geht nicht so sehr um Territorien, die unter der Kontrolle der Terroristen sind und jene, welche von der Armee kontrolliert werden. Es gibt keinen solchen Feind, der unser Land besetzt hätte. Wir haben es mit Terroristen zu tun, die in die Dörfer und Vororte von Städten eindringen. Es handelt sich um Verbrecher, welche unschuldige Zivilisten ermorden und Objekte der Infrastruktur zerstören.
Die Armee, die staatlichen Gewaltorgane und die Polizei sind bestrebt, sie aus den bewohnten Ortschaften zu vertreiben und zu vernichten. Die, welche überleben können, begeben sich in andere Territorien und schließen sich anderen Banden an. So kann man sagen, dass der Kern unseres Handelns die Vernichtung von Terroristen ist.
Der Hauptgrund für die anhaltenden militärischen Aktionen ist die enorme Menge von ständig auf syrisches Gebiet eindringenden Terroristen von außerhalb. Jeden Monat kommen Zehntausende von ihnen in unserem Land an. Außerdem werden die Terroristen nach wie vor vom Ausland finanziert, es werden ihnen Waffen geliefert.
Doch ich kann Ihnen versichern, es gibt keinen solchen Ort, an den sich die Regierungstruppen nicht begeben könnten - sie tun das ja auch und vernichten die Terroristen an allen Orten, an denen sie mit ihnen zusammenstoßen.
 
Unser Interview wird in eine Vielzahl von Sprachen übersetzt werden, viele Führungspersönlichkeiten der ganzen Welt, darunter auch jene, die gegen Sie Position beziehen, werden es lesen. Was möchten Sie diesen mitteilen?
Unter den Oberhäuptern der Staaten der heutigen Zeit gibt es eine Menge an Stammtischpolitikern und ziemlich wenige Führungspersönlichkeiten. Sie kennen die Geschichte nicht und lernen nicht daraus. Mancher unter ihnen vergisst selbst die jüngere Vergangenheit.
Haben sie denn die Lektionen der vergangenen 50 Jahre gelernt? Haben sie wenigstens die Dokumente ihrer Vorgänger durchgeblättert, die all ihre Kriege seit Vietnam bis heute verpfuscht haben? Haben sie sich klargemacht, dass diese Kriege nichts gebracht haben als Zerstörung und Instabilität, sowohl im Nahen Osten, als auch in anderen Regionen der Welt?
Genau diesen Politikern würde ich gern erklären, dass der Terrorismus kein Trumpf in der Jackentasche ist, den man herausnehmen und einsetzen kann, wenn man das gern möchte, wonach man ihn wieder verschwinden lässt. Der Terrorismus sticht, wie ein Skorpion, in jedem beliebigen Moment. Entsprechend kann man nicht in Syrien den Terrorismus unterstützen und in Mali gegen ihn vorgehen. Man kann nicht den Terrorismus in Tschetschenien unterstützen und ihn gleichzeitig in Afghanistan bekämpfen.
Natürlich rede ich nicht von allen Staatsoberhäuptern, sondern von denen mancher westlicher Staaten. Sie sollten damit aufhören, sich in die Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen und Marionettenregierungen zu installieren, sondern eher auf die Meinung ihrer Völker hören; vielleicht käme die westliche Politik auf diese Weise etwas näher an die Realität heran.
Wenn Sie darauf bestehen, dass ich eine Botschaft an die Welt richte, dann sage ich folgendes: wenn jemand davon träumt, Syrien zu einer Marionette des Westens zu machen, so wird das nicht geschehen. Wir sind ein unabhängiger Staat und werden gegen den Terrorismus Krieg führen, wir werden Beziehungen mit den Ländern, mit denen wir selbst das wollen, frei aufbauen, all das zum Wohl des syrischen Volkes.
Am Mittwoch wurde die syrische Regierung von den Aufständischen mit der Anschuldigung konfrontiert, chemische Waffen eingesetzt zu haben. Diese Anschuldigung wurde sofort von einer Reihe westlicher Führungen aufgegriffen. Was können Sie darauf antworten? Werden Sie es einer UN-Sonderkommission gestatten, eine Untersuchung dieses Vorfalls durchzuführen?
Die Verlautbarungen der Politiker der USA, des Westens und anderer Staaten sind eine Verhöhnung des gesunden Menschenverstandes und Verachtung gegenüber der öffentlichen Meinung ihrer Völker. Es ist Nonsens: erst gibt es Anschuldigungen, und erst dann sammelt man Beweise. Genau das macht das mächtigste Land - die USA. Anders gesagt, am Mittwoch wurden wir angeschuldigt, und erst zwei Tage später ließ die US-amerikanische Regierung verlauten, jetzt mit der Beweisaufnahme zu beginnen. Wie sollten sie denn diese Beweismittel sammeln, wo sie sich doch fernab befinden? Wir werden beschuldigt, die Armee habe chemische Waffen in einem Gebiet eingesetzt, welches angeblich unter der Kontrolle von Rebellenkämpfern stehe. Es gibt aber in diesem Gebiet keine definierbare Frontlinie zwischen der Armee und den bewaffneten Gruppierungen. Kann denn ein Staat chemische oder andere Massenvernichtungswaffen an einem Ort einsetzen, wo seine eigenen Truppen konzentriert sind? Das widerspricht der elementaren Logik. Aus diesem Grunde sind solche Anschuldigungen ausschließlich politischer Art, und Grund dafür ist eine Reihe von Erfolgen der Regierungskräfte gegen die Terroristen.
Was die Untersuchung von Kriegsverbrechen in Syrien angeht, so sind wir die ersten, die eine Untersuchung durch eine internationale Kommission gefordert haben. Als die Terroristen eine Rakete mit Giftgas auf Aleppo abgefeuert haben, und zwar kurz nach vielfachen Verlautbarungen des Westens, die Regierungstruppen seien bereit, chemische Waffen einzusetzen, haben wir eine Untersuchung durch ausländische Fachleute gefordert. Diese Position war mit Russland abgestimmt, wir wollten, dass die USA, Frankreich und Großbritannien sich selbst davon überzeugen, dass das nicht unser Werk ist, sondern dass unsere Feinde chemische Kampfstoffe einsetzen. Sie hätten sich anhand von konkreten Fakten davon überzeugen können, nicht nur anhand von haltlosen Anschuldigungen.
Im Verlauf der letzten Wochen haben wir mit der UNO über die Arbeit einer Kommission verhandelt, und schließlich sind die Fachleute zu uns gekommen (einige Stunden nach dem Interview wurde bekannt, dass die syrische Regierung und die UN-Kommission das gemeinsame Vorgehen bei der Untersuchung des angeblichen Einsatzes von Chemiewaffen abgestimmt haben – „Izvestia“). Das Ergebnis ihrer Arbeit wird der UNO vorgestellt werden.
Aber dabei wissen Sie natürlich, dass jedes beliebige Resultat nach dem Belieben einzelner Länder interpretiert werden kann. Wir erwarten deshalb ja auch, dass Russland es nicht gestatten wird, die Dokumente im Interesse der amerikanischen oder überhaupt der westlichen Politik zu interpretieren.
Nach Verlautbarungen der US-Führung und denen anderer westlicher Staaten der vergangenen Tage schließen es die USA nicht aus, eine Militärintervention gegen Syrien zu unternehmen. Nehmen Sie an, dass die USA genauso handeln werden wie im Irak, also dass sie nach einem Vorwand für eine Intervention suchen?
Es ist nicht das erste Mal, dass die Frage nach einer militärischen Intervention in Syrien aufgeworfen wird. Von Anbeginn der Krise haben die USA, Frankreich und Großbritannien versucht, eine Militärinvasion zu unternehmen, doch zu ihrem Unglück hat sich die Sache anders entwickelt. Sie haben versucht, Russland und China davon zu überzeugen, ihre Position im UN-Sicherheitsrat zu ändern, doch das ist nicht gelungen.
Sie konnten auch ihre eigenen Völker und die gesamte Welt nicht davon überzeugen, dass die von ihnen im Nahen Osten verfolgte Politik durchdacht und nutzbringend sei. Es ergab sich ebenso, dass die Lage sich hier von der in Ägypten und Tunesien unterscheidet.
Ein und dasselbe Szenario der „arabischen Revolutionen“ ist nicht mehr überzeugend. Sie können alle möglichen Kriege vom Zaun brechen, können aber nicht wissen, wie lange ein solcher Krieg andauern und auf welches Territorium er sich erstrecken wird. Sie haben begriffen, dass die Lage außer Kontrolle geraten ist.
Ein weiteres Hindernis für eine Militärinvasion ist, dass alle verstehen: was in Syrien vor sich geht, ist keine Revolution des Volkes, es ist nicht die Forderung nach Reformen. Es ist Terrorismus. Im Anbetracht dieser Tatsachen können die westlichen Führer ihren Bürgern nicht einfach sagen: „Wir gehen nach Syrien, um dort den Terrorismus zu unterstützen.“
Herr Präsident, womit werden es die USA zu tun haben, sollten sie sich dazu entschließen, Syrien anzugreifen oder gar in das Land einzudringen?
Die USA erwartet ein Fiasko, wie auch in all den Kriegen, die sie in der Vergangenheit vom Zaun gebrochen haben, angefangen von Vietnam bis hin zu unseren Tagen. Amerika hat sich an einer Vielzahl von Kriegen beteiligt, konnte seine politischen Ziele, um derentwillen diese Kriege begonnen wurden, aber kein einziges Mal erreichen. Die USA konnten ihren eigenes, aus vielen Nationalitäten bestehendes Volk nicht von der Rechtmäßigkeit dieser Kriege überzeugen, ebenso scheiterten sie immer daran, anderen Ländern ihre eigene Ideologie aufzuzwingen. In der Tat, mächtige Staaten können Kriege entfesseln, aber können sie auch siegen?
 
Pflegen Sie weiterhin Beziehungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin? Sprechen Sie telefonisch mit ihm? Falls ja, welche Fragen besprechen Sie mit ihm?
Mit Präsident Wladimir Putin verbinden uns langjährige Beziehungen, die lange vor der syrischen Krise entstanden sind. Von Zeit zu Zeit verständigen wir uns mit ihm. Es ist klar, dass man komplexe Fragen wie die syrische Krise nicht am Telefon besprechen kann. Die Beziehungen zwischen unseren Ländern werden derzeit von russischen Amtsträgern gepflegt, die uns hier besuchen, sowie auch von ihren syrischen Kollegen, die nach Moskau reisen.
Haben Sie vor, Russland in nächster Zukunft zu besuchen oder den russischen Präsidenten nach Syrien einzuladen?
Das ist natürlich möglich, aber mir scheint, dass es jetzt notwendig ist, alle Anstrengungen im Landesinnern zu konzentrieren, um die syrische Krise zu lösen. Wir verlieren jetzt täglich Menschen, doch wenn die Umstände sich bessern, dann werde ich selbstverständlich Präsident Putin besuchen oder ihn nach Damaskus einladen.
Um das Thema Russland fortzuführen: Sie wissen, dass Russland der Politik der USA und der EU in der syrischen Frage widersteht. Was wird passieren, sollte Russland diesem Druck stattgeben? Halten Sie eine solche Entwicklung für möglich?
Heute ist es notwendig, die russisch-amerikanischen Beziehungen nicht nur in den Positionen zur Krise in Syrien zu betrachten; es braucht einen weiteren Blickwinkel. Die gegensätzlichen Positionen zu Syrien sind nur einer der Widersprüche zwischen Ihren beiden Ländern. Mit dem Zerfall der UdSSR schien es den USA, dass Russland für immer vernichtet worden ist. Doch seit dem Ende der 1990er Jahre, seit Beginn der Präsidentschaft Wladimir Putins begann Russland allmählich zu erstarken und seine Positionen immer entschiedener zu verteidigen. Schließlich kam es zu einem neuen Kalten Krieg um politischen Einfluss. Die USA traten dabei an mehreren Fronten auf und versuchen vehement, die russischen Interessen in der Welt zu blockieren.
Das Ziel der USA ist es, die Rolle Russlands auf der internationalen Arena herabzusetzen, darunter auch durch Ausübung von Druck in der syrischen Frage.
Sie können fragen, aus welchem Grunde Russland Syrien unterstützt. Es ist sehr wichtig, diese Frage zu klären. Russland verteidigt nicht etwa den Präsidenten Baschar al-Assad oder die Regierung, denn das syrische Volk kann jeden beliebigen Präsidenten und jede beliebige Regierung wählen.
Russland verteidigt die Prinzipien, an die es sich seit mindestens hundert Jahren hält: die Prinzipien von Unabhängigkeit und Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten. Russland hat selbst aus diesem Grunde vielfach gelitten.
Außerdem verteidigt Russland seine eigenen Interessen in der Region, und das ist sein gutes Recht. Diese Interessen beschränken sich nicht auf den Hafen von Tartous. Sie gehen viel tiefer: die Schläge der Terroristen gegen Syrien gefährden die Stabilität im gesamten Nahen Osten. Eine Destabilisierung wird auch für Russland Folgen haben. Die Führung Ihres Landes versteht das, ganz im Unterschied zu vielen Führungen westlicher Staaten. Was die kulturellen und gesellschaftlichen Fragen angeht, so dürfen wir nicht vergessen, dass es tausende russisch-syrische Familien gibt, die eine kulturelle und gesellschaftliche Brücke zwischen unseren beiden Staaten bilden. Würde Russland also schachern, so wäre das vor ein-zwei Jahren passiert, als das politische Bild noch unklar war. Zum heutigen Tage ist dieses politische Bild allen vollkommen klar. Wer damals nicht geschachert hat, wird das auch heute nicht mehr tun.
Gibt es Verhandlungen mit Russland bezüglich der Lieferung von Brennstoff, Waren und Waffen? Besonders möchte ich zum Vertrag über die Lieferung der S-300-Waffensysteme nachfragen – sind diese Ihnen bereits geliefert worden?
Natürlich kann kein Land zum Vorhandensein dieser oder jener Art Waffen oder zu den entsprechenden Lieferverträgen Verlautbarungen anstellen – das ist Teil des Staats- und Militärgeheimnisses.
Doch ich will sagen, dass alle mit Russland geschlossenen Verträge erfüllt werden. Weder die Krise, noch der Druck der USA, Europas oder der Golfstaaten haben ihre Erfüllung behindert. Russland liefert Syrien das, was für dessen Schutz und den Schutz seiner Bevölkerung notwendig ist.
 
Welche Hilfe erwartet Syrien von Russland: wirtschaftliche Hilfe oder Waffen? Plant Syrien, bei Russland um einen Kredit zu bitten?
Wenn die Sicherheit des Landes geschwächt ist, führt das ebenso auch zu einer Schwächung der wirtschaftlichen Lage. Dass Russland seine militärischen Verträge Syrien gegenüber erfüllt, wird zweifelsohne auch zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage in Syrien beitragen. Die russische Unterstützung unseres Rechts auf Unabhängigkeit und Selbstbestimmung hat von Anfang an unserer Wirtschaft geholfen. Eine Reihe von Staaten, die dem syrischen Volk entgegenstehen, hat der syrischen Wirtschaft ernsthaften Schaden zugefügt, in erster Linie aufgrund der Wirtschaftsblockade, unter der wir jetzt zu leiden haben. Russland hat vollkommen anders gehandelt.
Die politische Unterstützung durch Russland, ebenso auch die exakte Erfüllung der Rüstungsverträge ungeachtet des US-amerikanischen Drucks, hat unsere wirtschaftliche Lage merklich gebessert.
Was nun direkt die Wirtschaft anbelangt: jeder Kredit eines befreundeten Landes wie Russland ist für beide Seiten von Vorteil. Für die russische Seite kann das eine Erweiterung der Absatzmärkte und neue Perspektiven für russische Unternehmen bedeuten, für Syrien ist das die Möglichkeit, Mittel für die Entwicklung der eigenen Wirtschaft zu gewinnen. Und das alles noch ungeachtet der bestehenden, mit verschiedenen russischen Firmen geschlossenen Verträge über die Lieferung verschiedenster Waren.
Ich möchte nochmals bekräftigen, die politische Position Russlands und seine Unterstützung für Syrien schlagen sich positiv auf der Stabilität und dem Wohlergehen der syrischen Bürger nieder.
Könnten Sie auf die bestehenden, gültigen Verträge eingehen: betreffen sie Brennstoff oder Lebensmittel?
Die heutigen Wirtschaftssanktionen hindern die syrischen Bürger daran, Lebensmittel, Arzneimittel und Brennstoff zu erhalten. Das sind Waren des täglichen Bedarfs, die für das Leben notwendig sind. Und entsprechend soll das, was der syrische Staat derzeit unternimmt, indem er Verträge mit Russland und anderen befreundeten Staaten unterzeichnet, es gestatten, die Versorgungslage in diesem Bereich zu stabilisieren.
Um zur syrischen Frage zurückzukehren – wir wissen, dass Sie mehrmals hintereinander Amnestien verkündet haben. Was sind deren Resultate? Gibt es solche unter den durch Amnestie freigekommenen Aufständischen, die jetzt in den Reihen der Regierungskräfte kämpfen?
Ja, das ist richtig, und die Amnestie bringt positive Ergebnisse. Besonders, nachdem das reale Bild dessen, was in Syrien vor sich geht, allen klar geworden ist.
Viele unter den Rebellenkämpfern haben ihre Waffen niedergelegt und sind zu einem normalen Leben zurückgekehrt. Viele von ihnen sind auch auf die Seite der Regierung übergegangen. Die Rebellengruppierungen kann man in zwei Teile teilen: einerseits sind es solche, die sich von den Medien haben betrügen lassen, andererseits solche, die man durch Terrorandrohung dazu gezwungen hat, in die Reihen der Rebellenkämpfer einzutreten. Wir glauben deshalb immer daran, dass wir die Tür für solche geöffnet halten müssen, die von dem Weg abkehren wollen, den sie gegen ihre Heimat beschritten haben. Ungeachtet dessen, dass in Syrien viele gegen diese von der Regierung erklärten Amnestien waren, haben sie sich bewährt und die Spannung in der Gesellschaft abzubauen geholfen.
Herr Präsident, wen würden Sie als Ihren Hauptverbündeten bezeichnen, und wen dahingegen als Gegner? Die Beziehungen Syriens mit einigen Ländern gehen in der letzten Zeit in die Brüche – mit Katar, der Türkei und Saudi-Arabien. Wer trägt die Schuld daran?
Die Länder, die mit uns gemeinsam auf der internationalen Arena auftreten, sind Russland und China, auf regionaler Ebene ist das der Iran. Doch ich kann dazu sagen, dass es auf der Welt eine positive Entwicklung gibt: einige Länder, die einst radikal gegen uns eingestellt waren, haben ihre Position geändert, einige davon gehen daran, ihre guten Beziehungen zu Syrien wiederherzustellen. Es gibt auch solche Länder, die uns indirekt unterstützen.
Dann gibt es eine Reihe von Staaten, die die Terroristen in Syrien offen unterstützen – das sind Katar und die Türkei.
Katar ist der Sponsor der Terroristen, in der Türkei werden sie trainiert und von dort bekommen sie Korridore in unser Land hinein. Jetzt hat Saudi-Arabien Katar als Sponsor abgelöst. Saudi-Arabien ist ein Staat, der nichts als Geld besitzt, und jemand, der nur Geld besitzt, kann keine zivilisierte Gesellschaft aufbauen und den Frieden aufrechterhalten. Während also Saudi-Arabien als Hauptsponsor fungiert, so ist die Lage in der Türkei eine andere. Es ist sehr schade, dass man ein Land wie die Türkei mit einer Handvoll Dollar steuern kann. Leider ist es so, dass dieses große, eine strategisch wichtige Position einnehmende Land durch einen der Golfstaaten gesteuert wird. Dafür trägt der türkische Premierminister die Verantwortung. Natürlich trägt das türkische Volk, mit dem uns viele Gemeinsamkeiten und ein historisches Erbe verbinden, keine Schuld daran.
Was steckt hinter der Gemeinsamkeit der Positionen Russlands und Syriens – einzig geopolitische Interessen oder die Ähnlichkeit der beiden Völker, die ständig gegen Terrorgefahr anzukämpfen haben?
Es gibt in den russisch-syrischen Beziehungen sehr viele Berührungspunkte. Der erste davon wäre, dass Russland im Zweiten Weltkrieg unter einer Okkupation zu leiden hatte, und Syrien ist auch mehrmals okkupiert gewesen. Zweitens hat Russland, wie auch Syrien, unter einer Vielzahl von Versuchen einer äußeren Einmischung in seine inneren Angelegenheiten gelitten. Das dritte wäre der Terrorismus. Wir in Syrien verstehen sehr gut, wie das ist, wenn friedliche Zivilisten im Nordkaukasus von den Händen der Terroristen umgebracht werden, wir wissen, was die Geiselnahme in Beslan und im Musical-Theater „Nord-Ost“ in Moskau bedeutet haben. Auf diese Weise verstehen auch die Russen, womit wir es in Syrien zu tun haben, denn sie haben den Terrorismus am eigenen Leib spüren müssen. Deshalb glauben die Russen es auch nicht, wenn ein westlicher Amtsträger daherkommt und erzählt, es gäbe einerseits böse, und andererseits gemäßigte Terroristen. Es gibt noch eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Russland und Syrien – das sind die gemischten Familien, die ich bereits erwähnt habe. Gäbe es keine kulturellen, gesellschaftlichen und mentalen Gemeinsamkeiten, so würde es solche Familien gar nicht geben, die unsere beiden Länder verbinden. Zu allem Gesagten möchte ich hinzufügen: es gibt geopolitische Interessen, von denen ich auch bereits gesprochen habe. Die Instabilität in Syrien und in der Region im Ganzen wird auch auf Russland Auswirkungen zeigen. Russland versteht sehr gut das, was Europa und der ganze Westen nicht begreift: die Gefahr durch den Terrorismus, der keine Grenzen kennt. Es wäre falsch anzunehmen, dass die Position eines solch großen Landes wie Russland einzig auf einem oder zwei Prinzipien beruht.
Was erwarten Sie von der Genf-II-Konferenz?
Die Mission der Genfer Konferenz ist es, eine Grundlage für eine politische Beilegung in Syrien vorzubereiten. Allerdings können wir keinen Dialog in politischer Richtung beginnen, sofern die ausländische Unterstützung des Terrors anhält. Das, was wir von Genf erwarten, ist Druck auf diejenigen Länder, die den Terrorismus in Syrien unterstützen. Sie müssen den Waffenschmuggel und das Entsenden von Söldnern und Terroristen zu uns einstellen. Sobald das passiert, wird es viel einfacher sein, einen politischen Dialog unter allen syrischen Parteien über die Zukunft des Landes, der Gesetzgebung und die Verfassung in Gang zu bringen."
 
 
 
 

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