Auf dem Höhepunkt der Krise trafen sich Aleksandr Potapow und Jurij
Mazarskij in Damaskus mit dem Präsidenten des Landes, Baschar al-Assad.
In einem Exklusivinterview für “Izvestia” erzählt er davon, wer es ist,
der chemische Waffen einsetzt, er kommentiert die Statements der
westlichen Politiker über deren Vorhaben, militärischen Druck auf Syrien
auszuüben und bewertet die Hilfe, die das syrische Volk von Russland
und dessen Präsidenten erfährt.
Herr Präsident, die brennendste Frage dieser Tage ist - wie ist
die Lage in Syrien? Welche Territorien verbleiben unter der Kontrolle
der Aufständischen?
Es geht nicht so sehr um Territorien, die unter der Kontrolle der
Terroristen sind und jene, welche von der Armee kontrolliert werden. Es
gibt keinen solchen Feind, der unser Land besetzt hätte. Wir haben es
mit Terroristen zu tun, die in die Dörfer und Vororte von Städten
eindringen. Es handelt sich um Verbrecher, welche unschuldige Zivilisten
ermorden und Objekte der Infrastruktur zerstören.
Die Armee, die staatlichen Gewaltorgane und die
Polizei sind bestrebt, sie aus den bewohnten Ortschaften zu vertreiben
und zu vernichten. Die, welche überleben können, begeben sich in andere
Territorien und schließen sich anderen Banden an. So kann man sagen,
dass der Kern unseres Handelns die Vernichtung von Terroristen ist.
Der Hauptgrund für die anhaltenden militärischen Aktionen ist die enorme
Menge von ständig auf syrisches Gebiet eindringenden Terroristen von
außerhalb. Jeden Monat kommen Zehntausende von ihnen in unserem Land an.
Außerdem werden die Terroristen nach wie vor vom Ausland finanziert, es
werden ihnen Waffen geliefert.
Doch ich kann Ihnen versichern, es gibt keinen solchen Ort, an den sich
die Regierungstruppen nicht begeben könnten - sie tun das ja auch und
vernichten die Terroristen an allen Orten, an denen sie mit ihnen
zusammenstoßen.
Unser Interview wird in eine Vielzahl von Sprachen übersetzt werden,
viele Führungspersönlichkeiten der ganzen Welt, darunter auch jene, die
gegen Sie Position beziehen, werden es lesen. Was möchten Sie diesen
mitteilen?
Unter den Oberhäuptern der Staaten der heutigen Zeit gibt es eine Menge
an Stammtischpolitikern und ziemlich wenige Führungspersönlichkeiten.
Sie kennen die Geschichte nicht und lernen nicht daraus. Mancher unter
ihnen vergisst selbst die jüngere Vergangenheit.
Haben sie denn die Lektionen der vergangenen 50 Jahre gelernt? Haben sie
wenigstens die Dokumente ihrer Vorgänger durchgeblättert, die all ihre
Kriege seit Vietnam bis heute verpfuscht haben? Haben sie sich
klargemacht, dass diese Kriege nichts gebracht haben als Zerstörung und
Instabilität, sowohl im Nahen Osten, als auch in anderen Regionen der
Welt?
Genau diesen Politikern würde ich gern erklären, dass der Terrorismus
kein Trumpf in der Jackentasche ist, den man herausnehmen und einsetzen
kann, wenn man das gern möchte, wonach man ihn wieder verschwinden
lässt. Der Terrorismus sticht, wie ein Skorpion, in jedem beliebigen
Moment. Entsprechend kann man nicht in Syrien den Terrorismus
unterstützen und in Mali gegen ihn vorgehen. Man kann nicht den
Terrorismus in Tschetschenien unterstützen und ihn gleichzeitig in
Afghanistan bekämpfen.
Natürlich rede ich nicht von allen Staatsoberhäuptern, sondern von denen
mancher westlicher Staaten. Sie sollten damit aufhören, sich in die
Angelegenheiten anderer Staaten einzumischen und Marionettenregierungen
zu installieren, sondern eher auf die Meinung ihrer Völker hören;
vielleicht käme die westliche Politik auf diese Weise etwas näher an die
Realität heran.
Wenn Sie darauf bestehen, dass ich eine Botschaft an die Welt richte,
dann sage ich folgendes: wenn jemand davon träumt, Syrien zu einer
Marionette des Westens zu machen, so wird das nicht geschehen. Wir sind
ein unabhängiger Staat und werden gegen den Terrorismus Krieg führen,
wir werden Beziehungen mit den Ländern, mit denen wir selbst das wollen,
frei aufbauen, all das zum Wohl des syrischen Volkes.
Am Mittwoch wurde die syrische Regierung von den Aufständischen mit
der Anschuldigung konfrontiert, chemische Waffen eingesetzt zu haben.
Diese Anschuldigung wurde sofort von einer Reihe westlicher Führungen
aufgegriffen. Was können Sie darauf antworten? Werden Sie es einer
UN-Sonderkommission gestatten, eine Untersuchung dieses Vorfalls
durchzuführen?
Die Verlautbarungen der Politiker der USA, des Westens und anderer
Staaten sind eine Verhöhnung des gesunden Menschenverstandes und
Verachtung gegenüber der öffentlichen Meinung ihrer Völker. Es ist
Nonsens: erst gibt es Anschuldigungen, und erst dann sammelt man
Beweise. Genau das macht das mächtigste Land - die USA. Anders gesagt,
am Mittwoch wurden wir angeschuldigt, und erst zwei Tage später ließ die
US-amerikanische Regierung verlauten, jetzt mit der Beweisaufnahme zu
beginnen. Wie sollten sie denn diese Beweismittel sammeln, wo sie sich
doch fernab befinden? Wir werden beschuldigt, die Armee habe chemische
Waffen in einem Gebiet eingesetzt, welches angeblich unter der Kontrolle
von Rebellenkämpfern stehe. Es gibt aber in diesem Gebiet keine
definierbare Frontlinie zwischen der Armee und den bewaffneten
Gruppierungen. Kann denn ein Staat chemische oder andere
Massenvernichtungswaffen an einem Ort einsetzen, wo seine eigenen
Truppen konzentriert sind? Das widerspricht der elementaren Logik. Aus
diesem Grunde sind solche Anschuldigungen ausschließlich politischer
Art, und Grund dafür ist eine Reihe von Erfolgen der Regierungskräfte
gegen die Terroristen.
Was die Untersuchung von Kriegsverbrechen in Syrien angeht, so sind wir
die ersten, die eine Untersuchung durch eine internationale Kommission
gefordert haben. Als die Terroristen eine Rakete mit Giftgas auf Aleppo
abgefeuert haben, und zwar kurz nach vielfachen Verlautbarungen des
Westens, die Regierungstruppen seien bereit, chemische Waffen
einzusetzen, haben wir eine Untersuchung durch ausländische Fachleute
gefordert. Diese Position war mit Russland abgestimmt, wir wollten, dass
die USA, Frankreich und Großbritannien sich selbst davon überzeugen,
dass das nicht unser Werk ist, sondern dass unsere Feinde chemische
Kampfstoffe einsetzen. Sie hätten sich anhand von konkreten Fakten davon
überzeugen können, nicht nur anhand von haltlosen Anschuldigungen.
Im Verlauf der letzten Wochen haben wir mit der UNO über die Arbeit
einer Kommission verhandelt, und schließlich sind die Fachleute zu uns
gekommen (einige Stunden nach dem Interview wurde bekannt, dass die
syrische Regierung und die UN-Kommission das gemeinsame Vorgehen bei der
Untersuchung des angeblichen Einsatzes von Chemiewaffen abgestimmt
haben – „Izvestia“). Das Ergebnis ihrer Arbeit wird der UNO vorgestellt werden.
Aber dabei wissen Sie natürlich, dass jedes beliebige Resultat nach dem
Belieben einzelner Länder interpretiert werden kann. Wir erwarten
deshalb ja auch, dass Russland es nicht gestatten wird, die Dokumente im
Interesse der amerikanischen oder überhaupt der westlichen Politik zu
interpretieren.
Nach Verlautbarungen der US-Führung und denen anderer westlicher
Staaten der vergangenen Tage schließen es die USA nicht aus, eine
Militärintervention gegen Syrien zu unternehmen. Nehmen Sie an, dass die
USA genauso handeln werden wie im Irak, also dass sie nach einem
Vorwand für eine Intervention suchen?
Es ist nicht das erste Mal, dass die Frage nach einer militärischen
Intervention in Syrien aufgeworfen wird. Von Anbeginn der Krise haben
die USA, Frankreich und Großbritannien versucht, eine Militärinvasion zu
unternehmen, doch zu ihrem Unglück hat sich die Sache anders
entwickelt. Sie haben versucht, Russland und China davon zu überzeugen,
ihre Position im UN-Sicherheitsrat zu ändern, doch das ist nicht
gelungen.
Sie konnten auch ihre eigenen Völker und die gesamte Welt nicht davon
überzeugen, dass die von ihnen im Nahen Osten verfolgte Politik
durchdacht und nutzbringend sei. Es ergab sich ebenso, dass die Lage
sich hier von der in Ägypten und Tunesien unterscheidet.
Ein und dasselbe Szenario der „arabischen Revolutionen“ ist nicht mehr
überzeugend. Sie können alle möglichen Kriege vom Zaun brechen, können
aber nicht wissen, wie lange ein solcher Krieg andauern und auf welches
Territorium er sich erstrecken wird. Sie haben begriffen, dass die Lage
außer Kontrolle geraten ist.
Ein weiteres Hindernis für eine Militärinvasion ist, dass alle
verstehen: was in Syrien vor sich geht, ist keine Revolution des Volkes,
es ist nicht die Forderung nach Reformen. Es ist Terrorismus. Im
Anbetracht dieser Tatsachen können die westlichen Führer ihren Bürgern
nicht einfach sagen: „Wir gehen nach Syrien, um dort den Terrorismus zu
unterstützen.“
Herr Präsident, womit werden es die USA zu tun haben, sollten sie
sich dazu entschließen, Syrien anzugreifen oder gar in das Land
einzudringen?
Die USA erwartet ein Fiasko, wie auch in all den Kriegen, die sie in der
Vergangenheit vom Zaun gebrochen haben, angefangen von Vietnam bis hin
zu unseren Tagen. Amerika hat sich an einer Vielzahl von Kriegen
beteiligt, konnte seine politischen Ziele, um derentwillen diese Kriege
begonnen wurden, aber kein einziges Mal erreichen. Die USA konnten ihren
eigenes, aus vielen Nationalitäten bestehendes Volk nicht von der
Rechtmäßigkeit dieser Kriege überzeugen, ebenso scheiterten sie immer
daran, anderen Ländern ihre eigene Ideologie aufzuzwingen. In der Tat,
mächtige Staaten können Kriege entfesseln, aber können sie auch siegen?
Pflegen Sie weiterhin Beziehungen zum russischen Präsidenten Wladimir
Putin? Sprechen Sie telefonisch mit ihm? Falls ja, welche Fragen
besprechen Sie mit ihm?
Mit Präsident Wladimir Putin verbinden uns langjährige Beziehungen, die
lange vor der syrischen Krise entstanden sind. Von Zeit zu Zeit
verständigen wir uns mit ihm. Es ist klar, dass man komplexe Fragen wie
die syrische Krise nicht am Telefon besprechen kann. Die Beziehungen
zwischen unseren Ländern werden derzeit von russischen Amtsträgern
gepflegt, die uns hier besuchen, sowie auch von ihren syrischen
Kollegen, die nach Moskau reisen.
Haben Sie vor, Russland in nächster Zukunft zu besuchen oder den russischen Präsidenten nach Syrien einzuladen?
Das ist natürlich möglich, aber mir scheint, dass es jetzt notwendig
ist, alle Anstrengungen im Landesinnern zu konzentrieren, um die
syrische Krise zu lösen. Wir verlieren jetzt täglich Menschen, doch wenn
die Umstände sich bessern, dann werde ich selbstverständlich Präsident
Putin besuchen oder ihn nach Damaskus einladen.
Um das Thema Russland fortzuführen: Sie wissen, dass Russland der
Politik der USA und der EU in der syrischen Frage widersteht. Was wird
passieren, sollte Russland diesem Druck stattgeben? Halten Sie eine
solche Entwicklung für möglich?
Heute ist es notwendig, die russisch-amerikanischen Beziehungen nicht
nur in den Positionen zur Krise in Syrien zu betrachten; es braucht
einen weiteren Blickwinkel. Die gegensätzlichen Positionen zu Syrien
sind nur einer der Widersprüche zwischen Ihren beiden Ländern. Mit dem
Zerfall der UdSSR schien es den USA, dass Russland für immer vernichtet
worden ist. Doch seit dem Ende der 1990er Jahre, seit Beginn der
Präsidentschaft Wladimir Putins begann Russland allmählich zu erstarken
und seine Positionen immer entschiedener zu verteidigen. Schließlich kam
es zu einem neuen Kalten Krieg um politischen Einfluss. Die USA traten
dabei an mehreren Fronten auf und versuchen vehement, die russischen
Interessen in der Welt zu blockieren.
Das Ziel der USA ist es, die Rolle Russlands auf der internationalen
Arena herabzusetzen, darunter auch durch Ausübung von Druck in der
syrischen Frage.
Sie können fragen, aus welchem Grunde Russland Syrien unterstützt. Es
ist sehr wichtig, diese Frage zu klären. Russland verteidigt nicht etwa
den Präsidenten Baschar al-Assad oder die Regierung, denn das syrische
Volk kann jeden beliebigen Präsidenten und jede beliebige Regierung
wählen.
Russland verteidigt die Prinzipien, an die es sich seit mindestens
hundert Jahren hält: die Prinzipien von Unabhängigkeit und
Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten.
Russland hat selbst aus diesem Grunde vielfach gelitten.
Außerdem verteidigt Russland seine eigenen Interessen in der Region, und
das ist sein gutes Recht. Diese Interessen beschränken sich nicht auf
den Hafen von Tartous. Sie gehen viel tiefer: die Schläge der
Terroristen gegen Syrien gefährden die Stabilität im gesamten Nahen
Osten. Eine Destabilisierung wird auch für Russland Folgen haben. Die
Führung Ihres Landes versteht das, ganz im Unterschied zu vielen
Führungen westlicher Staaten. Was die kulturellen und gesellschaftlichen
Fragen angeht, so dürfen wir nicht vergessen, dass es tausende
russisch-syrische Familien gibt, die eine kulturelle und
gesellschaftliche Brücke zwischen unseren beiden Staaten bilden. Würde
Russland also schachern, so wäre das vor ein-zwei Jahren passiert, als
das politische Bild noch unklar war. Zum heutigen Tage ist dieses
politische Bild allen vollkommen klar. Wer damals nicht geschachert hat,
wird das auch heute nicht mehr tun.
Gibt es Verhandlungen mit Russland bezüglich der Lieferung von
Brennstoff, Waren und Waffen? Besonders möchte ich zum Vertrag über die
Lieferung der S-300-Waffensysteme nachfragen – sind diese Ihnen bereits
geliefert worden?
Natürlich kann kein Land zum Vorhandensein dieser oder jener Art Waffen
oder zu den entsprechenden Lieferverträgen Verlautbarungen anstellen –
das ist Teil des Staats- und Militärgeheimnisses.
Doch ich will sagen, dass alle mit Russland geschlossenen Verträge
erfüllt werden. Weder die Krise, noch der Druck der USA, Europas oder
der Golfstaaten haben ihre Erfüllung behindert. Russland liefert Syrien
das, was für dessen Schutz und den Schutz seiner Bevölkerung notwendig
ist.
Welche Hilfe erwartet Syrien von Russland: wirtschaftliche Hilfe oder
Waffen? Plant Syrien, bei Russland um einen Kredit zu bitten?
Wenn die Sicherheit des Landes geschwächt ist, führt das ebenso auch zu
einer Schwächung der wirtschaftlichen Lage. Dass Russland seine
militärischen Verträge Syrien gegenüber erfüllt, wird zweifelsohne auch
zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage in Syrien beitragen. Die
russische Unterstützung unseres Rechts auf Unabhängigkeit und
Selbstbestimmung hat von Anfang an unserer Wirtschaft geholfen. Eine
Reihe von Staaten, die dem syrischen Volk entgegenstehen, hat der
syrischen Wirtschaft ernsthaften Schaden zugefügt, in erster Linie
aufgrund der Wirtschaftsblockade, unter der wir jetzt zu leiden haben.
Russland hat vollkommen anders gehandelt.
Die politische Unterstützung durch Russland, ebenso auch die exakte
Erfüllung der Rüstungsverträge ungeachtet des US-amerikanischen Drucks,
hat unsere wirtschaftliche Lage merklich gebessert.
Was nun direkt die Wirtschaft anbelangt: jeder Kredit eines befreundeten
Landes wie Russland ist für beide Seiten von Vorteil. Für die russische
Seite kann das eine Erweiterung der Absatzmärkte und neue Perspektiven
für russische Unternehmen bedeuten, für Syrien ist das die Möglichkeit,
Mittel für die Entwicklung der eigenen Wirtschaft zu gewinnen. Und das
alles noch ungeachtet der bestehenden, mit verschiedenen russischen
Firmen geschlossenen Verträge über die Lieferung verschiedenster Waren.
Ich möchte nochmals bekräftigen, die politische Position Russlands und
seine Unterstützung für Syrien schlagen sich positiv auf der Stabilität
und dem Wohlergehen der syrischen Bürger nieder.
Könnten Sie auf die bestehenden, gültigen Verträge eingehen: betreffen sie Brennstoff oder Lebensmittel?
Die heutigen Wirtschaftssanktionen hindern die syrischen Bürger daran,
Lebensmittel, Arzneimittel und Brennstoff zu erhalten. Das sind Waren
des täglichen Bedarfs, die für das Leben notwendig sind. Und
entsprechend soll das, was der syrische Staat derzeit unternimmt, indem
er Verträge mit Russland und anderen befreundeten Staaten unterzeichnet,
es gestatten, die Versorgungslage in diesem Bereich zu stabilisieren.
Um zur syrischen Frage zurückzukehren – wir wissen, dass Sie mehrmals
hintereinander Amnestien verkündet haben. Was sind deren Resultate?
Gibt es solche unter den durch Amnestie freigekommenen Aufständischen,
die jetzt in den Reihen der Regierungskräfte kämpfen?
Ja, das ist richtig, und die Amnestie bringt positive Ergebnisse.
Besonders, nachdem das reale Bild dessen, was in Syrien vor sich geht,
allen klar geworden ist.
Viele unter den Rebellenkämpfern haben ihre Waffen niedergelegt und sind
zu einem normalen Leben zurückgekehrt. Viele von ihnen sind auch auf
die Seite der Regierung übergegangen. Die Rebellengruppierungen kann man
in zwei Teile teilen: einerseits sind es solche, die sich von den
Medien haben betrügen lassen, andererseits solche, die man durch
Terrorandrohung dazu gezwungen hat, in die Reihen der Rebellenkämpfer
einzutreten. Wir glauben deshalb immer daran, dass wir die Tür für
solche geöffnet halten müssen, die von dem Weg abkehren wollen, den sie
gegen ihre Heimat beschritten haben. Ungeachtet dessen, dass in Syrien
viele gegen diese von der Regierung erklärten Amnestien waren, haben sie
sich bewährt und die Spannung in der Gesellschaft abzubauen geholfen.
Herr Präsident, wen würden Sie als Ihren Hauptverbündeten bezeichnen,
und wen dahingegen als Gegner? Die Beziehungen Syriens mit einigen
Ländern gehen in der letzten Zeit in die Brüche – mit Katar, der Türkei
und Saudi-Arabien. Wer trägt die Schuld daran?
Die Länder, die mit uns gemeinsam auf der internationalen Arena
auftreten, sind Russland und China, auf regionaler Ebene ist das der
Iran. Doch ich kann dazu sagen, dass es auf der Welt eine positive
Entwicklung gibt: einige Länder, die einst radikal gegen uns eingestellt
waren, haben ihre Position geändert, einige davon gehen daran, ihre
guten Beziehungen zu Syrien wiederherzustellen. Es gibt auch solche
Länder, die uns indirekt unterstützen.
Dann gibt es eine Reihe von Staaten, die die Terroristen in Syrien offen unterstützen – das sind Katar und die Türkei.
Katar ist der Sponsor der Terroristen, in der Türkei werden sie
trainiert und von dort bekommen sie Korridore in unser Land hinein.
Jetzt hat Saudi-Arabien Katar als Sponsor abgelöst. Saudi-Arabien ist
ein Staat, der nichts als Geld besitzt, und jemand, der nur Geld
besitzt, kann keine zivilisierte Gesellschaft aufbauen und den Frieden
aufrechterhalten. Während also Saudi-Arabien als Hauptsponsor fungiert,
so ist die Lage in der Türkei eine andere. Es ist sehr schade, dass man
ein Land wie die Türkei mit einer Handvoll Dollar steuern kann. Leider
ist es so, dass dieses große, eine strategisch wichtige Position
einnehmende Land durch einen der Golfstaaten gesteuert wird. Dafür trägt
der türkische Premierminister die Verantwortung. Natürlich trägt das
türkische Volk, mit dem uns viele Gemeinsamkeiten und ein historisches
Erbe verbinden, keine Schuld daran.
Was steckt hinter der Gemeinsamkeit der Positionen Russlands und
Syriens – einzig geopolitische Interessen oder die Ähnlichkeit der
beiden Völker, die ständig gegen Terrorgefahr anzukämpfen haben?
Es gibt in den russisch-syrischen Beziehungen sehr viele
Berührungspunkte. Der erste davon wäre, dass Russland im Zweiten
Weltkrieg unter einer Okkupation zu leiden hatte, und Syrien ist auch
mehrmals okkupiert gewesen. Zweitens hat Russland, wie auch Syrien,
unter einer Vielzahl von Versuchen einer äußeren Einmischung in seine
inneren Angelegenheiten gelitten. Das dritte wäre der Terrorismus. Wir
in Syrien verstehen sehr gut, wie das ist, wenn friedliche Zivilisten im
Nordkaukasus von den Händen der Terroristen umgebracht werden, wir
wissen, was die Geiselnahme in Beslan und im Musical-Theater „Nord-Ost“
in Moskau bedeutet haben. Auf diese Weise verstehen auch die Russen,
womit wir es in Syrien zu tun haben, denn sie haben den Terrorismus am
eigenen Leib spüren müssen. Deshalb glauben die Russen es auch nicht,
wenn ein westlicher Amtsträger daherkommt und erzählt, es gäbe
einerseits böse, und andererseits gemäßigte Terroristen. Es gibt noch
eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Russland und Syrien – das sind die
gemischten Familien, die ich bereits erwähnt habe. Gäbe es keine
kulturellen, gesellschaftlichen und mentalen Gemeinsamkeiten, so würde
es solche Familien gar nicht geben, die unsere beiden Länder verbinden.
Zu allem Gesagten möchte ich hinzufügen: es gibt geopolitische
Interessen, von denen ich auch bereits gesprochen habe. Die Instabilität
in Syrien und in der Region im Ganzen wird auch auf Russland
Auswirkungen zeigen. Russland versteht sehr gut das, was Europa und der
ganze Westen nicht begreift: die Gefahr durch den Terrorismus, der keine
Grenzen kennt. Es wäre falsch anzunehmen, dass die Position eines solch
großen Landes wie Russland einzig auf einem oder zwei Prinzipien
beruht.
Was erwarten Sie von der Genf-II-Konferenz?
Die Mission der Genfer Konferenz ist es, eine Grundlage für eine
politische Beilegung in Syrien vorzubereiten. Allerdings können wir
keinen Dialog in politischer Richtung beginnen, sofern die ausländische
Unterstützung des Terrors anhält. Das, was wir von Genf erwarten, ist
Druck auf diejenigen Länder, die den Terrorismus in Syrien unterstützen.
Sie müssen den Waffenschmuggel und das Entsenden von Söldnern und
Terroristen zu uns einstellen. Sobald das passiert, wird es viel
einfacher sein, einen politischen Dialog unter allen syrischen Parteien
über die Zukunft des Landes, der Gesetzgebung und die Verfassung in Gang
zu bringen."
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen