Während US-Präsident Barack
Obama mit Amerikas Alliierten Optionen für ein militärisches Eingreifen
in Syrien prüft, droht das Regime für den Fall einer Intervention mit
einem "Feuerball, der den Nahen Osten in Brand setzt".
US-Verteidigungsminister Chuck Hagel, zur Zeit in Malaysia, erklärte:
"Die US-Regierung wägt die Risiken eines Handelns gegen die Kosten des
Nichthandelns ab. ... Sie wird auf Grund von Tatsachen entscheiden."
Der syrische
Informationsminister Omran Zoabi warnte die USA vor einem Überschreiten
einer "roten Linie", eine Militäraktion gegen Syrien werde "kein
Picknick". Der Iran, Syriens engster Verbündeter, ließ seinen
stellvertretenden Stabschef der Streitkräfte, Massud Dschasajeri, mit
"ernsten Konsequenzen" drohen, falls eine Koalition unter Führung der
USA eingreife. Sowohl das Assad-Regime als auch Russland machen die
Aufständischen für den Giftgas-Angriff verantwortlich. Es handele sich
um eine Provokation der "Terroristen", heißt es.
Mindestens die
Indizien für den Einsatz von Giftgas scheinen kaum bestreitbar. Nach
Untersuchungen der Organisation Ärzte ohne Grenzen starben mindestens
355 Menschen, darunter viele Frauen und Kinder, sehr wahrscheinlich, als
sie am vergangenen Mittwoch einer "neurotoxischen Substanz" ausgesetzt
wurden.
Atemnot, Krämpfe, verkleinerte Pupillen
Alle Symptome
der mehr als 3600 in drei Kliniken eingelieferten Verletzten, darunter
Atemnot, Krämpfe, verkleinerte Pupillen, verstärkter Speichelfluss und
verzerrte Sicht, deuteten auf eine Vergiftung hin. "Wir können weder
wissenschaftlich eindeutig die Ursache für diese Symptome nennen noch
feststellen, wer für den Angriff verantwortlich ist", stellte Bart
Janssens von "Ärzte ohne Grenzen" fest. Doch deute alles auf ein
Nervengift hin. Auf Rebellenseite ist von bis zu 1300 Toten die Rede.
Obama hatte am Freitag ein
UN-Mandat oder wenigstens unwiderlegbare Beweise für ein Giftgasmassaker
des Assad-Regimes zur Voraussetzung für ein Eingreifen gemacht. Der
Präsident konferierte am Samstag telefonisch mit dem britischen
Premierminister David Cameron über die bedrohliche Lage in Syrien.
Danach erklärte Camerons Büro, beide Regierungschefs seien besorgt über
"sich verdichtende Anzeichen" für den Einsatz chemischer Waffen. Sollte
sich dies bewahrheiten, zöge dies eine "ernsthafte Antwort" der
internationalen Staatengemeinschaft nach sich.
Unterdessen
warten UN-Waffeninspektoren in einem Hotel in Damaskus darauf, endlich
zu dem nur zwanzig Autominuten entfernt liegenden mutmaßlichen Tatort
des Angriffs des vergangenen Mittwochs fahren zu können. Das Team hält
sich im Land auf, um ältere Vorwürfe von Giftgaseinsatz zu überprüfen.
Das Regime hat die Inspektoren nach langen Verhandlungen einreisen
lassen. Am Sonntag bekamen sie nun auch grünes Licht zur Überprüfung des neuesten Falls,
wie die amtliche Nachrichtenagentur Sana unter Berufung auf das
Außenministerium berichtete. Demnach darf das von dem Schweden Ake
Sellström geleitete Team auch in der Provinz Damaskus ermitteln. Die
Untersuchung werde am Montag beginnen, teilten die UN mit.
Syriens Angebot komme zu spät
Von der Prüfung
durch die UN-Inspektoren versprechen sich die Vereinigten Staaten wenig,
da die syrische Armee mittlerweile viele Belege zerstört habe, machte
ein hochrangiger US-Regierungsvertreter am Sonntag deutlich. Seinen
Worten zufolge gibt es wenig Zweifel, dass die Truppen von Präsident
Assad Chemiewaffen gegen Zivilisten eingesetzt hätten. Darauf deuteten
die verfügbaren Augenzeugenberichte sowie Informationen von unabhängigen
Quellen, den US-Geheimdiensten und internationaler Partner hin. Das
Angebot der Assad-Regierung, die Inspektoren ins Land zu lassen, komme
jedoch zu spät und sei nicht glaubwürdig.
Auch der
britische Außenminister William Hague ist pessimistisch was mögliche
Belege angeht. "Wir müssen realistisch sein angesichts dessen, was das
UN-Team erreichen kann.".
Am vergangenen
Donnerstag hatte US-Außenminister John Kerry in einem Telefongespräch
mit seinem syrischen Gegenpart "unmittelbaren und ungehinderten Zugang"
für die Inspektoren verlangt. Das Regime müsse sofort aufhören, die
Arbeit des Inspektionsteams zu blockieren und Beweise zu zerstören.
Gewöhnlich gibt es keinen Telefonkontakt zwischen Washington und
Damaskus.
"Alle Optionen werden geprüft"
In
US-Regierungskreisen wird nicht bestritten, dass Kerrys Anruf eine
Warnung gewesen sein könnte. Es habe sich aber nicht um ein Ultimatum
gehandelt. Sowohl Präsident Obama selbst als auch seine Minister Kerry
und Hagel bemühen sich um eine vorsichtige Diktion. Alle Optionen würden
geprüft, heißt es ein ums andere Mal. Zugleich verlautete aus Kreisen
des Pentagon, ein vierter Zerstörer sei ins östliche Mittelmeer verlegt worden. Jedes der vier Kriegsschiffe ist mit Marschflugkörpern ausgerüstet.
Deutlicher
äußerte sich Frankreichs Außenminister Laurent Fabius, zur Zeit zu Gast
in Israel. Es wäre undenkbar, dass die Weltgemeinschaft im Fall von
Beweisen für einen Giftgasangriff nicht stark reagierte, sagte Fabius.
Israels Staatspräsident Schimon Peres stimmte zu: "Das Massaker in
Syrien muss gestoppt werden", sagte Peres, moralische Erwägungen seien
wichtiger als alle anderen.
In Paris drohte
zeitgleich der französische Präsident François Hollande der syrischen
Regierung. Es gebe ein "Bündel Belege" dafür, dass es am 21. August
einen Chemiewaffeneinsatz bei Damaskus gegeben habe, erklärte Hollande
dem Élyséepalast zufolge am Sonntag. Alles deute darauf hin, dass das
Assad-Regime dafür verantwortlich sei. Frankreich sei entschlossen,
"diese Tat nicht ungestraft zu lassen".
Ebenfalls am
Sonntag besprach sich Hollande telefonisch mit Obama. In dem Gespräch
hätten beide Präsidenten "ernste Besorgnis" über den mutmaßlichen
Chemiewaffeneinsatz geäußert und engere Konsultationen vereinbart.
Kosovo-Luftkrieg könnte Vorbild sein
In Washington
gilt der 78-Tage-Luftkrieg im Kosovo als mögliches Vorbild. Präsident
Bill Clinton, im Jahr 1999 in den Vereinten Nationen wie heute Obama vom
Serbien-Protektor und Syrien-Verbündeten Russland blockiert, setzte auf
eine Nato-Koalition und die Begründung, Massaker an wehrlosen
Zivilisten zu verhindern. Die vier Kriegsschiffe im Mittelmeer legen
heute eher einen Angriff mit Tomahawk-Raketen wie 2011 gegen die Truppen
des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi nahe. Gaddafi wurde durch
die internationale Intervention schließlich von Rebellen gestürzt.
Doch liegt der
Fall Syrien in vielerlei Hinsicht anders. So ist die US-Regierung
unsicher, mit wem sie es bei den Aufständischen genau zu tun hat und ob
es nicht mit al-Qaida verbündete Terroristen mit Waffenlieferungen
unterstützen könnte. Der Vorsitzende der vereinigten Stabschefs, General
Martin Dempsey, hatte vergangene Woche in einem Schreiben an einen
Kongressabgeordneten die Befürchtung geäußert, die Rebellen zu
bewaffnen, "hieße, sich für eine von vielen Seiten zu entscheiden... Und
ich glaube, dass die Seite, die wir wählen, bereit sein muss, ihre und
unsere Interessen zu wahren, wenn die Lage sich zu ihren Gunsten
entwickelt. Und bis heute ist die das nicht."
Dies ist die
Sorge, mit der das Weiße Haus den Forderung John McCains begegnet, die
Rebellen mit schweren Luftabwehr-Waffen und Raketen auszurüsten. Der
republikanische Senator aus Arizona ermutigte den Präsidenten auch,
Luftschläge anzuordnen, um syrische Kampfflugzeuge und Landebahnen zu
vernichten. Solange dies nicht geschehe, "beherrscht das Regime
Schlachtfelder und Ortschaften und Städte".
Die Amerikaner sind kriegsmüde
Die Amerikaner
sind nach der jahrelangen Okkupation des Irak und in der Endphase des
Afghanistan-Einsatzes kriegsmüde. Nur neun Prozent befürworten nach
einer Reuters-Ipsos-Umfrage vom 23. August ein Eingreifen in Syrien, 60
Prozent sprechen sich dagegen aus. Selbst wenn dem Assad-Regime ein
Giftgasangriff nachzuweisen wäre, wären nur 25 Prozent für eine
Intervention und immer noch 46 Prozent dagegen.
Präsident Obama
hatte nicht zufällig in seinem TV-Interview am Freitag auch die Kosten
für einen Militärschlag erwähnt. General Dempsey hatte vor Senatoren im
Juli vorgerechnet, dass selbst eine Flugverbotszone zum Schutz syrischer
Rebellen Hunderte US-Flugzeuge erfordern würde. Bei Kosten von einer
guten Milliarde Dollar im Monat sei nicht einmal garantiert, dass sich
der Krieg am Boden zugunsten der Rebellen wende.
Präsident Obama
hat nicht nur die Kriegsmüdigkeit, sondern (ein Jahr vor den
Zwischenwahlen des Kongresses) die Politikverdrossenheit der Amerikaner
zu berücksichtigen. Der Bundeshaushalt ist überschuldet, die
republikanische Opposition droht damit noch mehr staatliche
Sozialprogramme auszusetzen und im Herbst die Bundesregierung zu zwingen
für Tage oder Wochen aus Geldmangel "dichtzumachen"."
Quelle: http://www.welt.de/politik/ausland/article119372268/Kosovo-Krieg-soll-Blaupause-fuer-Syrien-Schlag-sein.html
[Anmerkung 1: Syrien hat kein „Angebot“ gemacht, sondern explizit darum GEBETEN, dass UN-Inspektoren in`s Land kommen.
Anmerkung 2: Der Kosovo-Krieg begann mit einer Lüge. siehe dazu die ARD-Sendung vom 08. Februar 2001: http://www.ag-friedensforschung.de/themen/NATO-Krieg/ard08-02-01.html: 'Die humanitäre Katastrophe im Kosovo gab es erst durch die NATO-Luftangriffe. Dass diese die Katastrophe auslösen würden, wussten alle bei der NATO, der OSZE und bei unserer Beobachter-Gruppe.', „ein Lehrstück in Sachen Kriegspropaganda - made in Germany.“; „[NATO-Sprecher] Shea betont immer und immer wieder, wie wichtig es in der Demokratie sei, dass die politischen Führer ihre Meinung der Bevölkerung beibringen. Dies sei kriegsentscheidend… wenn die öffentliche Meinung in Deutschland gekippt wäre, hätte das fatale Folgen für Europa und die NATO gehabt und den Krieg möglicherweise gefährdet.“; „Jornalisten werden sich fragen müssen, warum sie damals dieses Spiel mitspielten, warum der Großteil der Kolleginnen und Kollegen in den Zeitungs- und sonstigen Medienredaktionen mit den Wölfen geheult hat. Erst wenn diese Fragen diskutiert und beantwortet werden, kann künftiges Fehlverhalten - vielleicht - vermieden werden.“]
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