"Berichten des iranischen Nachrichtensenders Press TV und der russischen Ria Novosti
zufolge haben Kämpfer der Al-Qaida nahestehenden Al-Nusra-Front am
gestrigen Montag in Syrien 450 kurdische Zivilisten, hauptsächlich
Kinder, Frauen und alte Menschen, ermordet. (1) Das Massaker habe eine
Woche nach dem Angriff der islamistischen Miliz auf zwei kurdische
Dörfer bei Aleppo stattgefunden, bei dem 200 kurdische Zivilisten
verschleppt worden sind. Durch kurdische Nachrichtenagenturen ist der
Vorfall allerdings noch nicht bestätigt.
In den vergangenen
Wochen häuften sich die Nachrichten über Gefechte zwischen Einheiten der
Freien Syrischen Armee (FSA) und Al-Qaida-nahen Milizien auf der einen
Seite und den kurdischen Volksverteidigungskräften YPG auf der anderen.
Das kurdische Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit Civaka Azad
meldete vergangenen Sonntag, dass die Freie Syrische Armee und
islamistische Milizen den Kurden „den Krieg erklärt“ haben. Die
kurdische Bevölkerung sei für „vogelfrei“ erklärt worden, in den
Moscheen der Islamisten werde gepredigt, es sei „helal“, also aus
islamischer Sicht rechtens, kurdisches Eigentum zu rauben und kurdische
Frauen zu vergewaltigen. (2)
Zeit der „Vernichtung“ gekommen
Trotz
verbaler Beteuerungen seitens der türkischen Regierung, die vergangene
Woche verlauten ließ, man werde die syrischen Kurden nicht angreifen,
unterstützt die Türkei offenbar weiterhin die islamistischen Milizen in
ihrem Kampf gegen die kurdische Bevölkerung. Kämpfer von Al Nusra und
FSA können sich, so Berichte aus der Region, weiterhin über die Grenze
in die Türkei zurückziehen, Verletzte werden in türkischen
Krankenhäusern behandelt.
Civaka Azad berichtet zudem
von einem Treffen syrischer Milizkommandanten in der Türkei: „Am 26.
Juli 2013 trafen sich 70 Kommandanten der Freien Syrischen Armee unter
der Gastgeberschaft der Türkei in Dîlok (Gaziantep). Jetzt ist an die
Öffentlichkeit gekommen, dass die Entscheidung zu den Angriffen auf die
kurdische Bevölkerung von Rojava (Westkurdistan/Nordsyrien) auf diesem
Treffen gefällt worden ist. In Til Hasil und Til Aren im Gebiet Halep
wurden am 31. Juli und 1. August mindestens 70 kurdische Zivilisten
getötet und Hunderte als Geiseln genommen. Der Nachrichtenagentur ANHA zufolge,
erklärte der Vorsitzende des militärischen Rats der Freien Syrischen
Armee Abdulcabbar el-Akidi auf dem Treffen in Dîlok, dass sie viel
stärker als die PYD seien und alle Kurden aus den Gebieten Syriens
vertrieben werden sollen. Es sei die Zeit der 'Vernichtung' gekommen.“
Die
syrische Bewegung rüstet sich indessen für die Verteidigung ihrer
Gebiete. Neben den Volksverteidigungseinheiten der syrischen YPG sollen
demnächst auch Kurden aus anderen Ländern gegen Islamisten und FSA
mitkämpfen. Wie das israelische Nachrichtenportal Arutz Sheva berichtet,
seien Kämpfer der im Iran aktiven kurdischen PJAK auf dem Weg nach
Rojava, so der kurdische Name für die kurdischen Gebiete in Syrien.
Verschiebung der Frontlinien
Die
kurdischen Gebiete scheinen zum neuen Brandherd des Bürgerkriegs in
Syrien zu avancieren. In den vergangenen Wochen häufen sich die
Gefechte, berichtet wird, dass die Freie Syrische Armee sogar Einheiten
anderswo abzieht, um sie in Rojava einsetzen zu können. Innerhalb der
FSA stehen einzig die sogenannten El-Ekrad-Einheiten auf der Seite der
kurdischen Bewegung. El-Ekrad ist als Teil der FSA als kurdische Miliz
außerhalb der von der YPG kontrollierten Gebiete aktiv.
Wie sich
die syrischen Regierungstruppen verhalten werden, ist zunächst unklar.
Auffallend ist, dass die staatliche syrische Nachrichtenagentur SANA sich
bislang nicht zu den Gefechten in Westkurdistan äußert. Das könnte ein
Indiz dafür sein, dass sich Assads Truppen nicht in den Konflikt
einmischen wollen und man froh darüber ist, dass sich hier zwei
oppositionelle Bewegungen gegenseitig bekriegen. Andererseits berichten
die offiziellen iranischen Stellen relativ kurdenfreundlich, was
wiederum heißen könnte, dass die Achse Iran-Syrien sich auf die Seite
der Kurden stellen könnte, um Al-Qaida nahestehende Gruppen wie Al Nusra
zu bekämpfen.
Wie auch immer die Frontlinien verlaufen, die
kurdische Zivilbevölkerung in Rojava ist aktuell einer akuten Bedrohung
ausgesetzt, die von westlichen Medien systematisch ignoriert wird – wohl
um die FSA, den Hauptverbündeten der NATO im Land, nicht in ein
schlechtes Licht zu rücken. Dabei ist klar, dass die einzige Bewegung in
Syrien, von der demokratische Umwälzungen jenseits von ethnischen oder
religiösen Spaltungen ausgehen könnte, die kurdische ist. Dass das nicht
interessiert, zeigt auch, was von dem Geraune über Menschenrechte und
Demokratie aus Berlin, London und Washington zu halten ist."
Anmerkungen
(1) http://www.presstv.ir/detail/2013/08/05/317331/syria-militants-kill-450-kurd-civilians/
(2) http://www.civaka-azad.org/index.php/458-freie-syrische-armee-und-islamisten-erklaeren-den-kurdinnen-den-krieg.html
(3) http://www.israelnationalnews.com/News/News.aspx/170623#.UgCzim0u1rM
Quelle: http://www.hintergrund.de/201308062741/politik/welt/syrien-press-tv-meldet-massaker-an-kurden.html
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