"Das Emirat Katar unterstützt Opposition gegen Assad mit Milliarden Dollar. Regierung in Damaskus steht geplantem Pipeline-Bau im Weg
Der winzige gasreiche Golfstaat Katar habe in den vergangenen zwei
Jahren »die Rebellion in Syrien mit bis zu drei Milliarden Dollar
unterstützt«. Das sei »weit mehr als jede andere Regierung«, berichtete
die britische Financial Times am Freitag. Über die Rolle Katars im
Syrien-Konflikt hat die Zeitung nach eigenen Angaben Dutzende von
Interviews mit Rebellenführern im Ausland und innerhalb Syriens sowie
mit Beamten aus den regionalen und westlichen Hauptstädten geführt. Ein
Ergebnis ist, daß der kleine, aber unermeßlich reiche Golfstaat z.B.
50000 Dollar im Jahr an jeden Überläufer von Präsident Assads
Sicherheitskräften zu den Rebellen zahlt.
Beobachter aus der Region spotteten bereits – so die Londoner Zeitung –
daß Katars Feudalherrscher Hamad bin Khalifa al-Thani sich in Syrien
eine »Revolution gekauft« habe und mit seiner Unterstützung für
islamistische Rebellen in der gesamten arabischen Welt so etwas wie »ein
pan-islamistischer Gamal Abdel Nasser« werden möchte. Dies aber habe
das eifersüchtige, salafistische Saudi-Arabien auf den Plan gerufen, das
nun Katar den ersten Platz als Waffenlieferant für die Rebellen in
Syrien streitig gemacht habe. Letzteres werde in den westlichen
Hauptstädten mit großer Sorge beobachtet, weil dadurch die aus aller
Welt nach Syrien strömenden Dschihadisten vom Typ der Al-Nusra-Front,
die sich offen zur Al-Qaida-Ideologie bekennt, noch stärker unterstützt
werden.
Was die Financial Times jedoch vollkommen unter den Tisch fallen läßt,
sind die handfesten wirtschaftlichen Interessen, die der Emir von Katar
mit seiner gekauften Rebellion in Syrien verfolgt. Denn auch in Syrien
geht es – wie meist im Nahen und Mittleren Osten – um Ressourcen und
deren Transportwege. Für Katar steht dabei ganz konkret eine Gaspipeline
auf dem Spiel, die über Jordanien nach Kalas in die Südtürkei führen
soll, von wo das Gas weiter nach Westeuropa geleitet würde. Aber Syrien
bzw. die Regierung Assad steht dem Projekt im Weg, was auch erklärt,
weshalb die Regierung in Ankara plötzlich den Sturz Assads forderte,
obwohl Regierungschef Erdogan mitsamt Familie noch kurz zuvor mit Assad
in trauter Einigkeit einen gemeinsamen Urlaub verbracht hatte.
Das kleine Katar sitzt eingezwängt zwischen Iran und Saudi-Arabien auf
den drittgrößten Erdgasvorkommen der Welt. Dieser Reichtum hat den kaum
250000 Bürgern Katars das höchste Pro-Kopf-Einkommen auf dem Planeten
beschert. Um vor saudi-arabischen oder iranischen Begehrlichkeiten
sicher zu sein, hat sich der feudale Zwergstaat die Vereinigten Staaten
als Beschützer ins Land geholt, die dort in strategisch günstiger Lage
zwei Militärbasen errichtet haben. Für deren Kosten kommen laut der von
Wikileaks veröffentlichten diplomatischen Depeschen der USA die Katarer
zu sechzig Prozent auf. So abgesichert, kann sich das Emirat auch auf
der politischen Weltbühne einiges erlauben.
Der größte Teil der Gasexporte von Katar besteht aus Flüssiggas (LNG),
und da sieht Katar die Gefahren eines Überangebots. Australien wird
zwischen 2014 und 2020 mit acht neuen LNG-Verladeterminals an den Markt
gehen, in Nordamerika ist der Gasmarkt dank der Fracking-Methode bereits
übersättigt, und Dutzende von neu bestellten LNG-Tankern sollen in den
kommenden Jahren das US-amerikanische Gas auf den Weltmarkt bringen, was
die Preise auf dem umkämpften asiatischen Markt drücken wird. Als Ziel
für die weitere Expansion der katarischen Gasproduktion blieb somit nur
noch eine Pipeline nach Europa. Ein entsprechender Plan wurde im Jahr
2009 entwickelt. Darin spielt Syrien eine Schlüsselrolle.
Die neue Pipeline soll durch Saudi-Arabien über Jordanien und Syrien in
die Türkei, wo das Gas aus Katar in die unausgelastete Nabucco-Pipeline
eingespeist und nach Westeuropa weitergeleitet werden sollte. Dieser
Plan stieß auch bei russophoben Politikern in der EU auf große
Zustimmung, würde seine Verwirklichung doch die Energieabhängigkeit von
Rußland reduzieren. Aber die Assad-Regierung in Syrien spielte bei
diesem Plan nicht mit. Erstens bestanden zwischen dem Emirat und
Damaskus alles andere als freundschaftliche Beziehungen, was auch durch
die von Katar angebotenen Konditionen für die Pipeline nicht kompensiert
wurde. Zweitens waren vor der Küste Syriens große Gasvorkommen entdeckt
worden, und drittens hatte Syriens strategischer Verbündete, Iran,
bereits Damaskus einen besseren Vorschlag unterbreitet.
Im Juli 2011 unterzeichnete Syrien ein strategisches Abkommen mit Iran
und Irak über den Bau einer Pipeline, mit der iranisches Gas aus dem
South-Pars-Feld nach Syrien und von dort weiter nach Europa gepumpt
werden sollte. Das machte endgültig einen dicken Strich durch die
katarischen und europäischen Pläne, aber es gab noch Hoffnung, denn zu
der Zeit hatte die von Katar bezahlte »Revolution« in Syrien bereits
begonnen."
Quelle: http://www.jungewelt.de/2013/05-18/026.php
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